Samstag, 23. April 2005

harry rowohlt, oder "ich war da mal in kaarst..."

und dann sassen wir zwischen ganz vielen männern mit bärten und frauen mit zopf.
"hier sind ja ganz viele männer mit bärten" sagte m., und ich brummte so was wie "dann fällst du ja gar nicht auf" während ich mir ernsthafte gedanken über die tatsache machte, dass auch ich einen zopf hatte, fast ganz gegen meine gewohnheit, und das ich das komisch fände, weil so viele frauen mit zopf und ob das eine geheime absprache wäre, das mit den männern mit bärten und frauen mit zopf.

20:00 uhr, licht aus, vorhang auf. harry rowohlt entert die bühne, grinst kurz und beginnt wie üblich. es folgt die einschleimphase, ich habe bauchweh vor lachen und m. schläft konsequent einen kurzschlaf, in der aula ist es brütend warm. ein paar pointen und schenkelhauer meinerseits später habe auch ich dann wieder einen wachen und gackernden begleiter mit bart, und harry rowohlt erzählt und erzählt und liest und erzählt. der "paganini der ausschweifungen" läßt keine anekdote unerzählt, kippt das altbier wie altbier, rülpst, entschuldigt sich ausschweifend, sagt so was wie, das wir ja alle froh sein könnten, weil wir nämlich einfach so rumsitzen und saufen könnten, und all unsere bierbäuerchen würden nicht elektrisch verstärkt im ganzen saal übertragen.

punkt 21:37 uhr wie angekündigt pause, zeit für eine zusammenfassung der zuhörer.



rechts neben uns sitzt eine laute runde aus zwei pärchen um die mitte vierzig, die sich permanent wie eine gewaltige krake in meinem augenwinkel biegen vor lachen. direkt links neben mir sitzt eine frau die nach keller riecht und auch genau so eine laune hat wie ich sie hätte, wenn ich so nach keller riechen würde. sie lacht nicht, sie tritt keine gläser um, sie haut keinem auf die schenkel, und einen bart hat sie auch nicht. sie sitzt nur da, und holt nach einer stunde einen energie-eiweißriegel aus ihrer jute-tasche und kaut lustlos auf den körnern, währen harry sich das fünfte bier ordert und auf kaarst abdrischt, wo die lesung stattfindet.
in der pause stehe ich in der schlange derer, die sich ihre bücher signieren lassen wollen. ich hätte eigentlich erst mal aufs klo, aber wer weiß schon wie lange die pause ist, also stehe ich x-beinig hinter einem mann mit nackenglatze, der sich alle angebotenen bücher gekauft hat, und diese nun während des wartens auspackt, sich das plastik in die jackettasche stopft bis es knartschte, und dann las. er las mit einem ganz in verstehende falten gelegtes gesicht und bekam nicht mit, dass sich andauernd mittfuffziger mit linkischem blick vor ihn stellten, seitlich einbrachen in die schlange und wir nicht weiterkamen.
"hey, sie" ich zog an seinem gestopftem ärmel und er erschrak auf der stelle. "nix passiert" sage ich "bloss so kommen wir nie an. merken sie sich jetzt mal die frau mit der lila jacke vor sich, okay ? immer den rücken im auge behalten, und wenn sie nicht mehr lila sehen, dann hat sich schon wieder jemand vorgepfuscht, und dann sind sie dran mit ärmel zupfen."
er nickte stumm und starrte fortan der frau in lila mohair ein kokelndes loch in den rücken, aber mir sollte es recht sein. man muss auch mal verantwortung abgeben.
harry rowohlt signierte buch um buch, meins dann auch, und ich photografierte ihn diskret und er fragte "und?" ich: "für Lu, und übrigens …sie leuchten auf den photos." er : "hu? " ich : "sie leuchten, ich kann da auch nix dran drehen." er: "na, dann brauchen sie wenigstens keinen blitz und ich behalte mein augenlicht. Lu mit O U ?"
"nö, nur mit U."
"na, das geht ja schnell."



weg war ich, und die geschichte, wie alle kellner von tresen 'bier und saft' mir halfen an ein plakat von harry zu kommen überlasse ich jetzt mal aller phantasie, ich bin müde und finds peinlich zu schreiben, dass ich nicht auf einen hocker steigen wollte, weil ich schreie wenn ich runterfalle, und dass ich herrn rowohlt doch nicht stören wollte. jedenfalls hatte ich am ende ein plakat, eine cola, eine quasi unleserliche widmung und kam triumphierend mit meiner beute zurück zum stuhl.
"warum gucken uns denn die leute alle so an?", fragt m. und ich muss ihm erzählen, was alles so war, und das die das alles mitbekommen haben, wie die kellner sich fast wegschubsten beim plakate knibbeln, und alle (guckenden) auf ihr bier warten mussten, und das ich nur nett gefragt hätte, und ach ja, eine widmung hätte ich auch.

zweite runde, harry trinkt weiter und erzählt. er erzählt und erzählt, und liest ein bißchen und erzählt weiter. vor uns sitzen vier blondbezopfte mädchen typ verlagspraktikantin, und kichern, dass ihre schultern widerstrebend beben. jede trinkt ein ganzes glas bier diesen abend, mit sicherheit ein ausrutscher ins lotterleben der vier. harry erzählt, dass er träger der goldenen st.pauli-nadel ist, und ich breche in blinden fremd-patriotismus aus, klatsche laut mit, will fast auf den stuhl springen und sahaaankt pauliii gröhlen, als ob mein vatta bei st.pauli arbeiten würde, aber das ist jetzt auch schon egal, weil nämlich als er dann suff und gesang anstimmte und hamburger bierlieder ins mikro sang, da wars dann eh um mich geschehen, am liebsten hätte ich mitgesungen, randvoll mit buchstaben und fernweh und überhaupt einen hang zu liedern übers meer und die große freiheit. ich blieb sitzen und wackelte ganz heftig mit den füssen unter dem stuhl. statt dessen eben.

zusammenfassend : es war toll. ich habe mich bei einer veranstaltung lange nicht mehr so knackig amüsiert wie gestern abend, und werde fortan mit der sache an sich leben, dass ich halt früher meine DOB auf konzerten gewedelt habe, wo viel mit gitarre und laut und so war, und heute eben auf aulastühlen sitzend mit fusel in der hand von 60jährigen männern begeistert werde, die dem bild entsprechen, wie ich mir als kind immer den lieben gott vorgestellt habe. auch wenn das eine lockere ausgabe desjenigen wäre.

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Freut mich zu lesen, dass die Vorfreude nicht immer die schönste Freude sein muss!
Bin etwas neidisch: Auf Sie, Frau Lu - wg. der Widmung, und natürlich auf Harry R., wegen seines Jobs. Hauptsache, er ist nicht noch gefahren! :)

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du wohnst doch viel näher am harry dran ( HH-eppendorf ), der liest sicher bald auch wieder in eurer region. dann ist das hingehpflichtig !

nebenbei : du bist auch viel näher am meer dran, entsprechendes zu deinem wochenendfilm bejammerte ich schon in deinem hause.

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