Dienstag, 29. August 2006

reisenotizen, 14. seite.

Freitag, 23. Juni 06

Aureilhan - Couhé

Sonne, 37 °C


„Adieu.“

Wacht man morgens auf, weil einem ein weiblicher Nashornkäfer quer über das Gesicht tapert und in unmittelbarer Nähe eine Horde Pferde laut schnaubend gallopieren, das alles noch in der feuchten Morgendämmerung, spätestens dann weiß realisiert man wieder, wo man die letzte Nacht verbacht hat: mitten auf dem Land.
Während ich Claude um seinen Kaffee brachte, und geschlagene 20 Minuten unter der Dusche brauchte, bis ich diesen Kater von gestern weggeduscht hatte, schlief M. unglaublicherweise bis elf am Vormittag. Ich ging zwischendurch jede halbe Stunde in unserem Zimmer mit einem kleinen Spiegel in die Knie (er musste auf dem Boden schlafen) an die Matratze, und sah nach, ob er wirklich noch atmete. (Bei dem Atem mit Restalkohol war der Spiegel hinterher blitzeblank, ganz ohne Chlor, aber das nur am Rande.) Landluft und Waldesruh, das haut jeden Städter aus den Socken. Hätte ich nicht wieder meine Antipathie gegen Federbetten schwer wie Wasserleichen entdeckt und dadurch bei der erstbesten Gelegenheit Bettflucht betrieben, inklusive Nashornkäferweibe, ich wäre auch bis Mittags in Tinkerbells Armen geblieben.

Und jetzt? Die Säckle sind wieder verschnürt, im Gepäck befinden sich noch zwei frisch erstandene und gar nicht so frisch miefende Stücke Ziegenkäse und ein von Claude frisch gehobener Mimosenbaum in XS-Format. Ist ja nicht so, als müssten wir die nächsten Stationen mit unkomplizierten Handgepäck reisen, nein. Wir nehmen lieber verderbliche, jetzt schon starken Geruch abgebende Lebsnmittel mit, zerbrechliche Flaschen mit gutem Wein UND eine Mimose, die den Namen nicht umsonst trägt. Claude, wie ich die Mimose nannte, guckt jetzt schon ganz sickig und hat alle Blätter pikiert eingerollt. Na gut.
Wir wir das alles durch drei Tage Hitze (heute 37°, man wird gegrillt, kaum setzt man einen Fuss in die Sonne) bekommen sollen, das erzähl ich dann nächste Woche, fürs erste bin ich jetzt mal gespannt, wo wir die kommende Nacht landen und schlafen werden.
Mo und der Menschen-Claude winken, bis wir die 500 Meter Einfahrt hinter uns gelassen haben, ich habe plötzlich was im Auge und schniefe ein ganzes Tempo voll.


(Couhé. Auf der Suche nach dem Campingplatz sagte die Frau, wir sollten ihrem Wagen folgen. Es war so einsam dort, das ich dachte, ich mache ein letztes Beweisphoto, wo die Profiler am Ende was zu knobeln haben, wenn sie unsere ausgekochten, angenagten Knochen und die Speicherkarte aus der sterilen Plastiktüte holen.)

Jetzt ist „heute Abend“. Ich sitze auf einem Stück Wiese, man könnte auch „Landzunge“ dazu sagen, neben mir zwei Arme stehendes Gewässer, es ist 21h00 und immer noch brütend warm.



Neben mir, im Wasser, zieht eine kleine Schlange ihre Kreise, ein Nutria beisst krachend in Algen und über Auto schweben seit Ankunft ungezählte aber grob geschätzte 500 Fliegen, schwarz und augemergelt. Das könnte eine lustige Nacht werden, denke ich da nur an die Kombination stehendes Gewässer und Stechfliegen. Oh, Kröten hats hier auch, irgendwer stimmt gerade die Meute aufs Konzert ein, und da, im Unterholz direkt hinter mir, da knackt und kracht es sehr laut, ich dreh mich aber jetzt nicht um, ICH NICHT.

Ich weiß nicht warum, aber wir haben uns nach schweisstreibender Fahrt tagsüber endlich auf diesem Campingplatz hier eingefunden, es ist relativ leer, und wir sind an die allerletzte Ecke gefahren, wo uns weder wer sieht, noch hört. Hielt ich vor einer Stunde noch für gemütlich UND logisch, jetzt frage ich mich, wo M. so verdammt lange bleibt, das Toilettenhäuschen ist doch nur knapp einen Kilometer entfernt, und was knackt da hinter mir eigentlich so Gänsehautprodizierend? Das Nudelwasser bröppelt auf dem Campinkocher, und ich denke an die Geschichten zurück, die jeder schon mal gehört hat. Deutsche auf französischen Campingplätzen bedroht, behauen, beschimpft, mit Teer und Würstchen überschüttet etc. und die Gegend durch die wir fuhren war geschichtlich arg belastet, was das angeht.

Egal, ich tue das, was eine Frau tun muss, ich mach jetzt eine phantastische Sauce und hoffe darauf, das M. tatsächlich den Weg in unsere Einöde wieder findet, ich will hier nicht für immer bleiben, ich leide doch unter Zeltkoller.



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