Donnerstag, 31. August 2006

razor.

Das neue Mobile glüht mich mit blauem Licht und glucksenden Tönen an. Eine SMS, und ich liege unter drei braunen Decken im Fango. Es lächelt wenn es glimmt, dachte ich, und das um 9h40.
Ungwohntes Anfassen, alte Muster sind ungefragt und lösen ungewollte Reaktionen aus. Nummern sind weg, weggeglaubte plötzlich da, altes Leben, ein Abklatsch auf der SIM-Card. Ich lösche, ich erkenne nicht wieder, alles auf der Busfahrt zurück. An den Buchstaben, die der Toten, bleibe ich hängen. A. lösche ich nach einigem Zögern, er ist jetzt schon zwei Jahre weg. Das weibliche A. gucke ich zwischen zwei Haltestellen lange und intensiv an. Die Nummer kommt mir gar nicht mehr bekannt vor, und während ich "Löschen" drücke, schicke ich einen Gruß durchs Busfenster durch den Gerresheimer Wald. ("Das ist ein Eeeelch, Sieee Idioooot!" Sie weiß was damit anzufangen.) Nur bei D bleibe ich nicht hängen, das lösche ich nie, Dad mobil wird wohl immer auf meiner SIM bleiben, ich kann die Nummer nicht löschen.

Zu Hause packe ich mein altes in seine Verpackung zurück, alle Bilder sind gelöscht, das Chipkartenherz schlägt jetzt in dem mit dem Gesicht. Ich fühle mich wieder wie ein Verräter, ich kann viel gebrauchte Technik nicht gut weglegen und aussortieren.
Meine alte Laptop-Schnappe weg, mein altes Mobile weg, Papa weg, dicke Haut weg.
(In jeder Maschine wohnt ein Buddha, in jedem Stein eine Welt.)

PS: Was ich eigentlich sagen wollte, war: Ich nehme jetzt auch Klingeltöne entgegen.


reisenotizen, 16. seite.

Sonntag, 25. Juni 06

Paris - Düsseldorf

Sintflut, 17°C Paris (29° in Dedorf)


„Von Ghetto zu Ghetto.“

Es gibt Städte, in denen wache ich absolut gerne auf, und Paris liegt da komischerweise weit vorn. Diese Stadt, die genau genommen nur an einem langen Strang mit Nebengassen so richtig schön ist, der Rest Schmuddel und Moloch, sich ausweitend wie eine Flechte. Aber trotzdem! (sowieso eine absolut tolle Antwort auf vieles, „Trotzdem“.)
Heute morgen also auf Tantchens Couch mit einem satten Grinsen wach geworden, und da gestern Abend ein schlauer Mensch einen Riegel vor Sightseeing geschoben hatte, und wir statt dessen ein wenig per Pedes durch Bagnolet und seine neuen, künstlichen Parkanlagen liefen, die entfernte Gewitterfront anhimmelnd, schoben wir also heute früh los und einen weiteren Riegel zwischen Eiffelturm und frühe Abfahrt. Wir wollten nicht weg.

Wie viele Küßchen zum Abschied nun gewechselt wurden, ich weiß es nicht mehr, in Paris knutscht man ja vier mal zu jedem Anlass, also zwei mal pro Seite pro Person, und selbst wenn man nur mal etwas länger auf Toilette war, kann es einem Blühen, dass man der sehr herzlichen, wenn auch sehr feuchten und vor allem Zeitaufwendigen Prozedur direkt noch mal unterzogen wird, zur Sicherheit. Da kommt keiner unterknutscht raus, aus der Stadt, so auch wir nicht. Noch die Wangen trocken rubbelnd fielen wir in den nächsten Supermarkt ein, der, wie die anderen hier auch, Sonntags geöffnet hat und von bewaffneter schwarzer Security geschützt wurde. Komisches Gefühl, so am Sonntag Morgen in einem Supermarkt mit Knarre im Augenwinkel. Der nette Wachmann schenkte mir am Ende noch ein Schokoladenbonbon, und die von Tantes Nachbarin in einer Garage eingesperrte Katze wurde auch noch flugs befreit, himmel, sind die allte nett da! Die Nachbarn sind übrigens Jugoslawen, schon seit ewig in Paris lebend, mit einer Katze namens „Tina“. Kann mir das bitte mal wer erklären? All das sind Kleinigkeiten, die den Tag mit Andenken füllten, und nun diese Seite hier.
Kurz darauf mit M. wieder im Pariser Stadtverkehr. Der muss mal als Franzose gelebt haben, so einheimisch wie der die Innenstadt befährt. Ich kenne selbst Franzosen, die in Paris jede Fortbewegung mit dem Auto meiden wie der Teufel das Weihwasser, nicht so M., der mit runtergekurbelten Fenstern fröhlich mitmischt, schimpft und Taxifahrer abhängt. Ich, ganz die gelassene Beifahrerin, kralle mich am Gurt fest und schreie wild gestikulierend wie einhändig Fussgänger an, welche bei rot gehen und uns anmaulen, weil wir bei grün fahren. Herrlich, wenn jeder seine Rolle kann. Die spinnen, die Pariser.

Und so dehnten wir den Vormittag und unsere kaum noch aufschiebbare Rückfahrt Teil 3 um ein weiteres mal Eiffelturm gucken bei strömenden Regen, laut bemeckernd, dass die tatsächlich neue Strassen einmal um den Turm rumgeteert haben, auf das die Amis nur noch aus ihren Reisebussen fallen und ein paar Meter zum Aufzug gehen müssten.
Das es Sinn macht, auf der grünen Meile, auf hellem Kies auf dieses Bauwerk zuzulaufen, darauf kommen die scheinbar nicht mehr.


(Ein Stück Pariser Himmel. Es regnet, deswegen auch ein Stück Schirm.)

Noch einen Café Crema in St.Germain, mit warmer Tarte und einem Eimer voll Viertelflair, und das alles für lasche wie knappe 20 Euro, das ist halt auch Paris.
Die nächsten 500 km bei übelstem Platzregen inklusive einer anfänglichen Ehrenrunde – wie immer ohne Stadtplan – auf der inneren wie äußeren Peripherique vom klitschnassen Paris, die uns eine Extrarunde von 40 Minuten immer links rum einbrachte, all das lasse ich im Detail weg. Am Ende kamen wir in Düsseldorf an, es war drückend, und das Gewitter brachten wir gleich aus Belgien mit.

In der Wohnung Ameisen, mein Balkondschungel halb tot und eine Unlust auf Düsseldorf, die sich in Frankreich aber mal kräftig gewaschen hat. Katzenjammer und Fellchenfreude!
Das sehr dünn wirkende Leaderfellchen freut sich halb blöd, alles schnurrt und wir schweigen entzückt, gucken später zerknittert Fussball, essen trotzig labbriges Baguette, welches die Reise überlebt hat.
Morgen arbeiten, kein Laptop und eine fühlbare Wende vor der Tür, das wird heiter.

-fin-

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