Freitag, 3. Juni 2005

letzter gang.

mit dem aufhören des tages gestern fing dann der heutige an, normale sache, aber für mich trotzdem ein umbruch.
ich lag totmüde in den laken, und starrte mit rotgeheulten augen die digitalen ziffern meines weckers an.
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der tag war also offiziell vorbei. die trauerfeier für meinen vater auch.
unwirklich, alles zur selben zeit wie vor einer woche zu tun.
fast die selbe strecke, wieder die wälder, wieder diese täler, die ich ab bald wohl kaum noch sehen werde. das gefühl im bauch ähnlich, nur endgültiger.

ich sehe meinen halbbruder das erste mal seit jahren wieder. er ist verheult und mir bleibt einen kurzen moment die spucke weg, wie ähnlich er unserem vater mittlerweile sieht. die augen, der mund. genetisches dableiben.

es kommen immer mehr ins haus, und zwischen wassergläsern und wenigen worten versuche ich, seine lezte woche zusammen zu puzzeln, weil jetzt die leute da sind,
die ihn noch getroffen haben, auf seinem letzten besuch in seiner heimat. mit jedem puzzlestück werde ich ein stück trauriger, meine ahnung, das es ihm auch dort nicht mehr gut ging wird zur gewissheit. ich fühle mich leer.

die trauerfreier ist einfach gehalten, wir sind alle evangelisch, die kapelle dementsprechend.
meine mutter dreht durch, als wir auf die weit geöffneten türen zugehen, auf den sarg zu. ich begrabe sie unter meinen armen und sage, dass wir auch gehen können. sie will bleiben, der letzte gang soll nicht ohne sie sein.

ich freue mich, dass er eine pastorin hat, und sie erinnert mich an eine hohepriesterin. der organist ist scheinbar taub, ein kurzes aufbäumen einer akuten albernheit, ich schlucks runter, das geht jetzt nicht. ein handy klingelt.
was die pastorin sagte, war mir wurscht. sie kannte ihn nicht, und meine mutter hat natürlich nur gutes erzählt. mein vater wurde fast heilig gesprochen in dieser kathedrale, viele schnieften, mutter flatterte neben mir. ich dachte, dass man von dieser stelle aus herrlich über die landschaft gucken konnte, die hatten sich schon was dabei gedacht. ich dachte, dass mein dad nie ein kostverächter war, er hat sein leben gelebt, und selten viel rücksicht auf andere genommen. je älter er wurde, um so weicher wurde er, aber ein heiliger war er wirklich nicht.
die pastorin war fertig, alle beteten, ich guckte den sarg an. ich hatte wenig bezug zu all dem, ich dachte noch, ich hätte vielleicht selber was zu ihm schreiben und vorlesen sollen,
aber ich hab nicht dran gedacht, die letzten tage. später, vielleicht.

am ende konnten wir ihm noch eine riesige rote rose auf den sarg legen, der bestatter hat sich dafür verbürgt, dass diese mit verbrannt werden. ich schob meine mutter sanft, sie gab sich den letzten ruck.
mein bruder nahm zwei rosen aus dem eimer, gab mir eine, und ich hatte endlich mal die möglichkeit, ihm den vortritt zu lassen, ihm, den unehelichen, der vom kuchen "vater"viel zu wenig zeit abbekommen hatte, trotz liebe und allem. und viele guckten fragend, seine ähnlichkeit war offensichtlich, mir wars egal. sollten sie sich doch fragen.
ich legte die rose ab, stupste ein letztes mal an den sarg, und war raus.

diesen gigantischen kelch bier hab ich später nur für ihn getrunken, der mittägliche rausch inklusive.
auf der rückfahrt nach düsseldorf hatte ich endlich zeit und ruhe, für mich weiterzuheulen, und in ein paar wochen holen wir seine urne nach. zwölf jahre nachdem er von hier weg ist.
ich denke mit viel liebe an ihn, und werde dann das tun, was ich mir in seinen letzten minuten versprochen habe. eine fahrt nach aachen, ein tattoo zu seinen gedenken.
ein hafentattoo, in erinnerung an seine.