Sonntag, 21. September 2008

warum ich meine BHs nicht verbrenne.

Es gibt Tage, da ist es sehr vorteilhaft für den, der das Internet vollschreibt, dass das alles quasi still und bildlos abläuft.
Allein jetzt und ich: Ein Bild des Herbstes, könnte man meinen. Drei Lagen Anziehsachen übereinander, farblich nicht aufeinander abgestimmt und längentechnisch schon einmal gar nicht. In einem herumliegenden H&M-Katalog sah ich diese Form des Anziehens gestern als Wintertrend 2008, aber sei's drum: Mir ist einfach nur kalt, es usselt, wie der Rheinländer dazu sagt.

Die Haare wirr, die Socken lila, und vor mir ein Stein, den die Kaltmamsell am Freitag losgetreten hat. Das Feminismus-Stöckchen. Das mach ich mal wieder mit, dachte ich gestern noch, tippte flugs ein paar für mich empfindliche Sätze auf und was sahen meine gefrorenen Augen heute Morgen? Punkte pro Mann, wenig Punkte für mich. Das ist ja ein Thema, dem man sich über Stunden, achwassagich, Tage diskutierend widmen kann. Könnte.
Wenn man denn wollte.

Was fällt also bei mir an?
Ich lese die EMMA nicht, ich rasiere mir die Beine, lasse meine Katzen kastrieren und mein Steckenpferd ist die Verhaltensforschung. Meine wildesten Jahre des Findens, des 'Alle müssen alles machen, Mann wie Frau!' und der natürlichen Familienplanung inklusive derer Kurse und Zervix-Schleimbestimmung bzgl. fruchtbare Phasen auf Din-A-2 Pappen, all das hat mein Ex abbekommen. Göttin sei Dank: er lebt immer noch und auch weiterhin gern mit Frauen.
Ich bin nie diskriminiert worden, wenn auch schlechter bezahlt, in meinem weiblichen Familienstrang waren die Frauen immer gut gebildet und gingen ihren Berufen nach, ich bin zur Eigenständigkeit erzogen und so geblieben und habe heute weitaus mehr Probleme, Dinge von Männern anzunehmen (Komplimente, Fürsorge, Geld), was deren Platz dann schwammig werden lässt.
Ich fühle mich einer emanzipierten Form zugehörig, die das, was viele Feministinnen lauthals abfackeln gelassener sieht. Die Frauen verlangen viel von ihrer Welt. In der Zeitgeschichte sind ein paar Jahrzehnte ein Mückenschiss. Da brannten gefühlt grad eben noch die Büstenhalter, wo heute die Brunft der Willigen mit freigelegten Arschgeweihen und KIK-Strings zur Vermehrung einlädt. Welchen Zeichen soll ein Mann folgen? Dem Klamottenlabel?
Wenn mir ein Mann die Tür aufhält, ranze ich ihn nicht mehr mit einem 'Das kann ich selber!' an wie mit 25, sondern genieße die Aufmerksamkeit und ein altes Ritual. Ich lasse mich heute auch gerne zu einem guten Essen einladen oder (sehr intim) ein Schmuckstück schenken, wenn es von einem Mann stammt, von dem ich mich gerne -überspitzt gesagt- markieren lasse.
Die Frauen schreien schnell auf, wenn jeman(n)d sagt "Feminismus? Haben sie doch gar nicht nötig."
Geht mir an gereizten Tagen auch so. Aber es ist erst zu kurz her, dass Frau sich hingestellt hat und mit Nina Hagen sang, dass sie keine Lust hätte, ihre weibliche Pflicht zu erfüllen.
Ich auch nicht, aber muss ich deshalb mit jedem darüber diskutieren? Ich habe leider (!) die Erfahrung gemacht, das viele der den Feminismus lebenden Frauen für ihre Gesinnung (ich wollte schon 'für ihren Kampf' tippen) gegen ihre Natur gehen oder vielleicht auch schon immer so waren. Kinder finden sie alle nur doof und nervig, Achselhaare gehören an ihren Platz, lustfeindliche Einstellung weil kein Lustobjekt schlägt sich in Kleiderwahl nieder, prüde und mit sportlichem Herrenhaarschnitt. Und Schminke ist doch nur, um den Männern zu gefallen.
Klischee? Natürlich. Aber wie viele Frauen kichern los bei dem Gedanken an eine männliche Hebamme? Oder einen Arzthelfer? Alles erlebt. Dann wird sich hinter vorgehaltener Hand gewundert, warum er nicht den Doktor gemacht hat, statt in einem Frauenberuf zu arbeiten.

Ich möchte sie anders sehen. Meine Lieblingsfrau der Jetztzeit ist sich ihres Geschlechts bewusst, eigenständig, lustvoll und mit Humor bestückt. Sie hat Körperbewußtsein, hungert sich nicht in Nullgrößen, zwängt sich aber auch nicht in alles, was die Weiblichkeit schluckt.
Was ist schlecht an Weiblichkeit? Und was daran, dass man sich gerne auch einmal kümmert (um was auch immer), aber eben nicht um die Karriere? Was ist falsch am Einsatz der weiblichen Waffen, wenn man sie schon einmal zur Hand hat?
Nicht alles, aber sehr viel - auch und gerade im Business- ist ein Spiel, und meiner Meinung nach ein Spiel der Naturgesetze. Wir sind glatte Affe, welche die Technik beherrschen, uns zu viele Gedanken machen und Telefone anbeten. Den Frauen wächst der Schnäuzer mittlerweile gern direkt auf den Zähnen, die Männer lassen sich kaltwachsen, weil Frau sie glatt und glatter will.
Männer lassen das alles über sich ergehen, um wieder einen Platz zu finden, wo sie der Frau einen Laut der Anerkennung entlocken können.

Was mir zu Alltagssexismus einfällt?
Wenn ungefragt einem Mann am Tisch der erste Schluck einer bestellten Flasche Wein zum probieren gegeben wird
(auch wenn ich die Flasche ausgewählt und bestellt habe).

Der Mann bekommt das größte Stück, oder den vollsten Teller.

Schatzi /Mäuschen genannt zu werden.

Andersherum: Das Frauen immer auf Gleichberechtigung plädieren, aber nie Kanalarbeiter, Kläranlagentaucher werden oder Oberlandleitungen reparieren. Und kam bei euch schon einmal eine Frau, wenn die Telekom einen Servicemitarbeiter geschickt hat?

Ich lebe es von Natur aus als (postfeministische) Frau in einer Stadt mit Mann und ohne Kinder. Wenn sich jemand in meinem Umfeld nach meinem Empfinden richtig daneben benimmt, sage ich das im selben Moment. Ich helfe Frauen mit Kinderwagen, ich rufe die Polizei, wenn ich Gewalt gegen Frauen sehe, ich schaue oft mitleidig auf Arschgeweihe und habe eigene Ansichten zu Reizwäsche, die Männer etwas sehr Schwarzer finden. Ich scheitere, ich teile aus, ich nehme zurück und ich gebe Töne an. Berg rauf, Hügel runter. So ist das nun mal. Ganz gleichberechtigt mit den Männern.

Das alles hier ist ein flüssiger Gedankengang. Ein Versuch, Stellung zu beziehen zu einem Thema, welches weder in meinem Haushalt, noch in meiner Arbeit und auch im Freundeskreis ein Thema ist. Ich habe das Glück, mit sehr gut denkenden Männern befreundet zu sein und arbeiten zu können, und das ist mir in solchen Momenten wieder bewußt.
Das alles gilt nicht für die Gehaltklüfte zwischen Mann und Frau im gleichen Beruf und für die familienfeindliche Jobpolitik in diesem Land. Aber für den ganzen Rest.

Was meint ihr? (Jetzt bekomme ich sicher richtig gegens Knie.) Ich würde dazu auch sehr gerne männliche Stimmen hören.


über das für und das wider.

Christoph Schlingensief:

(...)"Ich werde die Entscheidung treffen müssen, ob ich mir in den Kopf schieße, habe aber keine Pistole; ob ich in die Badewanne steige und mir einfach die Adern aufmache; ob ich irgendwie aus dem Fenster falle, dazu ist es hier aber nicht hoch genug. Oder ob ich hoffentlich Tabletten kriege und irgendwas anderes: Denn der Lebenswille, den ich die ganze Zeit geheuchelt habe, dieses Gefühl von, ja, der Christoph, der hat Kraft, der macht’s – das ist vorbei.
Ich bin schon lange müde. Ich habe genug gestrampelt. Ich habe genug gemacht. Und allein die Vorstellung, dass ich etwas Fressendes in mir habe, das sich irgendwo reinschleicht und mich in die Ecke eines gehandicapten, atemlosen Überlebenskämpfers oder so zwängt, nee! Das geht nicht. Irgendwie ist es vorbei. Ich starre in den Kamin, und der ist leer. Ich habe auch keine Lust mehr, ihn anzuzünden, nicht mal mehr die Lust, irgendwas zu sehen, was verbrennt."

Das komplette Interview. Man sollte wirklich das Ende lesen.