Dienstag, 9. September 2008

spontane wetterdemenz an einem dienstagsbeispiel.

Dienstagmittag. Sitze völlig ratlos vor meiner KlapprechnerIn und überlege, warum genau ich das tue.
Was war der Plan, die Idee, der Grund als ich mich setzte, eben oder vielleicht sogar neulich?
Wie lange sitze ich überhaupt schon hier?

Kurz zusammengefasst könnte man sagen: Gibt so Tage.
Tatsächlich aber zieht sich das als roter Faden schon seit heute Morgen.
Dienstagmorgen 8 Uhr-nochwas. Ich sattel mein Stahlross, steige auf, fahre los, weiß den Termin, Steuerberater, achja, Oberbilk, okay, und fahre erst einmal in genau die falsche Richtung, nach Bilk. Merke das aber auf dem ersten Achtel der Strecke Gottseidank noch, drehe um, freue mich über das schöne Wetter durch das ich fahre. Drehe beseelt die Musik in meinen Ohrknöpfen auf Ultimo und schaue keine drei Minuten später in zwei sehr entnervte und unrasierte Männergesichter, geschätzt russischer Herkunft, denen ich wohl ziemlich im Weg stand, um diesen wirklich glänzenden Jaguar ohne Nummerschild mit so hundert Sachen in eine Garage zu jagen, in deren Einfahrt ich versonnen meine Kopfhörer entknotete und Musik hörte.
Gibt so Tage.
Ich jedenfalls weitergefahren, der Steuerberater hat schließlich auch nicht ewig Zeit und da fallen mir die Belege ein, die ich ausgesondert in eine Ecke, und ob ich die jetzt …
Gehe in die Bremsen und drehe meine Tasche mit den Ordnern auf links. Alles fällt raus, bis auf die Ordner. Auch das ganze Kleingeld, die Haarklammern, Zuckerpäckchen aus Prag, Kugelschreiber, Zettel, Tampons, Bonbons, schlimm. Nachdem ich alles wieder eingesammelt hatte sehe ich den Stau hinter mir. Beschließe spontan, die Belege als unwichtig zu sehen und fahre weiter.
Beim Steuerberater selbst vergesse ich erst einmal seinen Namen. Sage, dass ich einen Termin habe, aber nicht mehr weiß, mit wem genau. Frau guckt mich verständnislos an. Ich schlage vor, man könnte ja im System unter Uhrzeit und meinem Nachnamen nachsehen, und dann fände man schon den richtigen bärtigen Mann für mich und meine Ordner. Frau will den Witz ignorieren und brüllt durch den ganzen Gang, ob irgendwer irgendeine Frau erwartet.
Beschließe auf der Stelle, sie das nächste Mal sehr lässig zu ignorieren und laufe ergeben einem Mann mit Bart nach.

Später dann immer noch blendendes Wetter. Sehe wortwörtlich nichts, und fahre pfeifend in einen ungünstig abgestellten Verkehrspolizisten hinein. Entschuldige mich so oft, dass selbst er es nicht mehr hören kann, und unterdrücke den Drang, ihn mit abzuklopfen. Verspreche, mein Fahrrad noch am selben Tag durch die Waschanlage zu fahren und meine Sonnenbrille aufzusetzen. Drehe meine Tasche auf links, und alles fällt heraus, nur meine Sonnenbrille nicht.
Werfe mich mit ganzem Körper auf Tascheninhalt um keinen Einblick zu gewähren. Denke dabei, dass das verdächtig wirken könnte, schließlich sind wir hier in einem Brennpunkt hinter dem Bahnhof, und hocke mich gerade hin und jetzt liegen nur noch Paracetamol und Tampons auf dem Bürgersteig. Leider keine Sonnenbrille.
Gibt so Tage.

Komme in einem Stück am Bauernmarkt an. Kaufe Brot und Butter und Käse und treffe liebe Bekannte.
Liebe Bekannte möchte noch schnell mit mir auf einen Kaffee. Stelle Rad hinter uns ab und lege die Jacke und die Einkäufe auf den Stuhl neben mir. Überlege, wie die liebe Bekannte noch gleich heißt. Ich und Namen.
Unterhalten uns über Menschen, die ich wohl kenne, und ich erfahre Dinge, die ich so nie wusste. Kurz darauf trennen wir uns, und ich gehe pfeifend zum anderen Ende des Platzes und stehe etwas einsam vor dem leeren Fahrradständer, wo mein Ross sonst immer weidet. Drehe mich einmal im Kreis und sehe in einiger Entfernung auf der anderen Seite des Platzes, von wo ich grad herkam, mein Fahrrad neben meinem eben verlassenen Stuhl stehen. Unabgeschlossen. Ich sass ja daneben.
Gehe zurück und lache mit den übrigen Gästen, dass ich doch tatsächlich mein Rad vergessen hätte. Gehe wieder und nehme das Rad diesmal mit.
Halte noch kurz am Blumenstand und kaufe einen Strauß Maria Theresa Röschen.
Als die Verkäuferin 'Zweifuffzich' sagt, greife ich hinter mir ins Leere. Dort wo sonst meine Tasche hängt, ist nur mein Rücken, taschenlos und unbeschwert.
Oh, sage ich, und dass ich gleich wiederkomme. Frage mich, wo mein Portemonnaie ist.
Antworte mir mit 'In der Tasche. Wie immer.'
Frage mich dann logisch und scharf nachdenkend, wo meine Tasche ist.
'Haha, keinen Schimmer' antwortet mir meine innere Stimme.
Fahre zurück zum Café, wo ich schon mein Rad erfolgreich wiedergefunden hatte. Und siehe da:
Meine Tasche steht lässig in der Sonne und macht sich einen schönen Vormittag, allein.
Haha, lachen wir alle. Vergesse ich erst mein Rad und dann auch noch meine Tasche. Der Kellner schiebt noch ein 'Das ist das schöne Wetter' hinterher, und ich fahre mir Rad und Tasche glücklich durch das Viertel.

Kurz vor zu Hause fällt mir die Blumenverkäuferin und mein Strauß Rosen ein. Fahre pfeifend den Kilometer zurück und löse meine Blumen gegen die Zweifuffzich ein.
Auf dem zweiten Mal Rückweg wird mir ein wenig kalt, und ich halte an und will meine Jacke überziehen.
Der kluge Leser weiß, was als nächstes kommt.
Ich frage also Rad und Tasche: Jacke gesehen?
Beide: Nö.
Kenne nun den Weg auch im Schlaf und fahre den Kilometer zurück zum Café.
Sehe dort schon erwartungsvolle Gesichter. Der Kellner schenkt grad nach und meinte, es wären intern Wetten abgeschlossen worden, wie lange ich bräuchte. Die Dame mit der Schokotorte hätte gewonnen.
Meine Jacke lag derweil wohlig warm auf einem anderen Stuhl in der Sonne unter einem Terrier.
Ich, mittlerweile etwas verwirrt, fahre wieder zur Blumenfrau und möchte meine Rosen.
Gerade als ich das aussprechen möchte und nach meinem Portemonnaie angle habe ich meine Sonnenbrille in der Hand und sehe den Strauß in meiner Tasche. Sage nichts und fahre auf dem kürzesten Weg nach Hause.
Und jetzt sitze ich hier und frage mich, warum.

Aber: Gibt so Tage.