Mittwoch, 9. August 2006


Es ist 21h09, als meinMobiltelefon aus dem Tiefschlaf erwacht und surrend über den Tisch vibriert, direkt an mir vorbei. Ich drücke den grünen Hörer und höre Robbie Williams am anderen Ende. Er singt.
60 Sekunden grinse ich in den leisen Raum, höre Frauen kreischen und vermute das, was andere sehen.
Es ist immer wieder eine Freude, wenn jemand an einen denkt, die Nummer wählt um dann das Telefon hoch in die Luft zu halten, Richtung Boxen.
Kurz darauf eine SMS, "DER Hammer!".
Elvis ist tot, es lebe Robbie Williams.


ILLUSTRATOREN und ILLUSTRATORINNEN-

und jene, die sich berufen fühlen:

Ich möchte einige Texte hier gern mit einer Zeichnung unterlegen, und da ich selber alle (!) Bleistifte in meinem Haushalt ergebnislos in Grund und Boden gemurkst habe, würde ich es gerne abgeben.
Solltest Du, lieber Zeichner, unverbindlich Lust haben, hier ab und an etwas beizusteuern, ganz unkompliziert und drucklos, natürlich mit Namensnennung und Deinem Copyright, dann drück den flaschenpost-Button links und melde Dich bei mir.

(an dieser Stelle könnte Deine Ansicht einer grinsenden Lu stehen)

tot ziens.



Sinnfindungsschwierigkeiten, Kirchenmaus, Hunger auf Junkfood noch vor Acht am Morgen. Die Tage wie ein HubbaBubba, aussen rosa, innen zäh.
Heute Vollmond.


Thema verfehlt, setzen, 6


Dienstag, 8. August 2006


Plötzlich bremste er mitten im Schritt ab. Er ging, nein, er lief fast in den Fahrstuhl, dieses in sich gekehrte, die Hast, und dann ein Ruck und er stand. Kurzes wackeln, der Körper gab sich den nächsten Ruck und er kam zurück zu mir, nahm meinen erstaunten Blick auf und hielt mir ungeduldig seine beiden Hände hin. Ich hielt ihm meine hin, weil ich nicht wußte, was ich sonst entgegnen könnte, und dann griff er zu, ganz vorsichtig, lachte mich verhalten an und schüttelte unsere vier Hände durch, und ging, nein, lief zurück in den Fahrstuhl.
Ein paar Sekunden darauf kam seine Mutter zu mir. Sie sagte, ihr Sohn sei jetzt 42 Jahre alt, und Autist, ich hätte es ja gemerkt. Sie sagte, er hätte seit Anfang des Jahres keinen fremden Menschen mehr freiwillig berührt, ohne zu hauen.


reisenotizen, 6. seite.

Mittwoch, 14. Juni 06

Soulac sur Mer

Sonne , 33 °C


„Deutschland gegen Polen, wir gegen einen Reisebus“



( Atlantik im eigenen Glanze, im Hintergrund große Fische, ganz sicher.)


(Mann und Meer, beide unentschieden.)

Manchmal sind Mobiltelefone ja auch eher blöd für die daheim gebliebenen.
Wenn man im Urlaub ist, zum Beispiel, denn dann sitzt man abends so auf der lauschigen Terrasse, gedenkt zwischen zwei kräftigen Schluck Wein derer, die zeitgleich in Deutschland sitzen und schickt dann nett und in Gedanken eine SMS mit den aktuellen Befindlichkeiten (Hier ALLES toll!), den Wetterdaten (super Meerwetter, nur Sonne!) und den letzten drei Mahlzeiten (Fisch, Fisch, Fisch). Normalerweise, also damals, als es noch keine Mobiltelefone für Sterbliche gab, bzw. der Verwendungszweck fehlte, damals sagte man dann: „Du, (Name), Du wir müssen morgen mal Postkarten kaufen.“ Das tat man dann auch, beim auswählen überlegte man dann schon, ob diese Karte sich optisch einwandfrei zu den anderen Karten in der Diele von X macht, oder ob die besonders Große noch Platz am Schlafzimmerspiegel von Y hat. Diese Postkarte beschrieb man dann in 6-Punkt mit den oben beschriebenen Befindlichkeiten, also Ortung, Wetterdaten und Mahlzeiten und warf sie in einen fragwürdigen Schlitz, dessen Überschrift man nur selten verstand, aber prima erahnen konnte. Diese Postkarten kamen meist dann an, wenn man selber längst wieder zurück und Ortung, Wetterdaten und Mahlzeiten ausführlich am Telefon besprochen und gepriesen wurden. Die Postkarte indes, die hatte man längst vergessen, bis dann Anfang Herbst ein Anruf mit „Hey, wir haben eure Karte bekommen. Habt ihr die falsch eingeworfen?“ den Glauben in die Post erschütterte.
Und heute? 160 Zeichen, dafür unter Umständen öfter und zeitgleich mit dem Gedanken an den Adressaten.

(Fast ein Zyklus.)








20h00: Gerade als ich auf dem Grill die Dorade wendete und mir dabei überlegte, wie man das Problem mit den rausplöppenden Augen das nächste mal umgehen könnte, machte am anderen Ende des Campingplatzes ein Reisebus seine Pforten auf und entließ eine Horde von ca. 40 knapp unter 20jährigen, davon ¾ Asiaten. Sie zogen Trollis, Grillgut, Multimedia-Equipment und eine Menge Alkohol hinter sich her. Alle sehen extrem Paarungsbereit aus, und ziehen genau bei uns um die Ecke ein.

23h15: Super Neuville, 1:0 gegen Polen!

0h15: ein randvoller Asiate stolpert in unseren Trailer und fragt, ob er mal eben aufs Klo könnte. M. reisst laut hörbar ein Geduldsfaden. Draußen so viel Palaver, dass wir die Nachtstunde zum packen nutzen.

1h10: alles gepackt, draußen schlechte Musik und Trinkgelage. Man kann hier Nachts nicht abreisen. Eine der Campingschnappen aus der Rezeption steht mitten drin im Gelage. Statt an die Hausordnung des Platzes zu erinnern (ab 22:00 ist Schicht und RUHE), scheint sie alles daran zu geben, endlich selber mal flachgelegt zu werden.

4h30: Ich hasse alle Teenager! Und Campingplätze! Und Abreisvorschriften die besser eingehalten werden als alle anderen. Noch 3,5 Stunden.


Montag, 7. August 2006

mein 38.ster und warum ich früher ging:

Wir müssen einer kurzfristigen wie geistigen Umnachtung zum Opfer gefallen sein, genau in der Minute, als wir zeitgleich zueinander „Ja, klar, fahren wir doch DA hin.“ sagten.
Aber ich fang mal direkt in der Mitte an, und die ist in einem Haus aus Beton, welches aber aussehen soll wie eine typisch kanadische Holzfällerhütte, über dessen Eingang in groß „Toiletten“ steht. Ich muss darüber was schreiben, dachte ich in der meterlangen Schlange, hier soll keiner umsonst hinfahren um für dasselbe Elend Geld zu bezahlen, vor dem wir in den nächsten Minuten noch flüchten werden, sollte ich jemals an die Reihe kommen.

Die kurzfristige geistige Umnachtung kam genau in dem Moment, als wir Plan C für meinen gestrigen Geburtstag aus der Spaßkiste fischten. Wenn schon nicht Hamburg, und auch nicht das Meer, dann doch wenigstens etwas lose Themenverwandtes, also nach Sea-Life. Nur noch mal eben im Internetz nach der Wegbeschreibung gucken, dabei etwas resigniert den Hinweis lesen, dass ein Erwachsener ohne Kind da in einer guten Stunde durch ist und dann war da noch ein weiterführender Link zu ZOOM, und zack, ist das Geburtstagsdesaster gebacken. Plötzlich sollte es ZOOM sein, ZOOM mit seinen Erlebniswelten. Das hörte sich nach einem Tagesritt an, nach Afrika und Safari, nach Alaska und Rustikal, nach ein wenig infantilem Spaß mit Softeis. Mit der beruhigenden Info im Hinterkopf, dass Greenpeace an diesem Tierpark mitgebaut hat, setzten wir Auto in Bewegung und fuhren rein ins Ungewisse, ab nach Gelsenkirchen.

Ein Unfall an Parkplatz 3 mit Autoschlangen gefühlt bis nach Bottrop, eine nächste Schlange, genauer sechs davon, an den Kassen von ZOOM, inklusive fast aller Dialekte, die unser Ruhrpott so hergibt, viel Ey und wat und sehr oft Schantall.
Es war so eine ganz schräge Art von „das ziehen wir jetzt durch“, obwohl von Anfang an alles nicht nach dem aussah, was man persönlich mag. Spätestens an den Kassenschlangen hätten wir uns auf dem Absatz umdrehen müssen, aber wir hatten keinen Plan D zur Hand, und ich doch Prinzessinnentag, also Augen zu und durch, schließlich ist jede Schlange mal zu Ende. Wir hatten ja keine Ahnung, was uns nur ein paar Meter weiter dann wirklich erwartete.

Als erstes guckten wir zwei genervt zur Wand gedrehten Luchsen auf die Hinterseite, und nebenbei einem Vater zu, der seinem Sohn links und rechts eine scheuerte. Das Kind rannte weg, ich sag noch, das hätt ich jetzt auch gemacht, und schon wurde man weiter geschoben, rein in eine dunkle Hütte, in der ich unwissend zwei versteckte Gucklöcher für die Tierwelt vermutete, statt dessen aber irritiert vor einem ungemachtem Bett und einem Glas Bohnen stand.
Als sich meine Augen komplett an die Dunkelheit gewöhnt hatten, klammerte sich ein fremdes Kleinkind an meine Waden (falsche Herde, meine Liebe) und mein Hirn stelle nüchtern fest, dass wir in einer nachgestellten Trapperhütte standen. Ach so.
Es ging weiter zu depremierten Elchen und eingepferchten Schnee-Eulen. In der Sonne. Ohne Ast. Die saßen einfach nur in nachgestellte Felshöhlen gekrallt und guckten, was sollten sie auch anderes machen.
Nach zehn Minuten war klar, dass die einzigen Tiere, die hier noch ansatzweise natürlich und froh agieren, die zahlreichen Wespen waren. Höchst angestachelt (haha) rauschten sie von ihrer Basis-Mülltonne auf ihr Zielobjekt (Mensch mit Eis/Stulle/Süßgetränk, bzw. Menschenkind mit allen drei Dingen in den Händen) und machten ordentlich Wind.
Gefühlt war der Park übrigens schon doppelt überbelegt. Der Mensch an sich, vor allem diese Art von Großfamilienmensch (SCHANTALL, ECHT EY! Nimm ma die Fingers von der Marie weg da!) der gestern so was wie ein Artentreffen in Gelsenkirchen hatte, zeichnet sich durch ein paar Dinge besonders deutlich ab:
Keine Distanztoleranz was fremde Körper mit Menschen drin angeht. Egal wo man sich gerade bewegte, man hatte immer mit mindestens einer fremden Person Vollkontakt.
Dann die Fähigkeit, in allen Lagen zu essen. Es war wie ein riesiges Tupper-Happening. Überall wurden Tupper-Dosen aus Taschenöffnungen gezaubert (Guck mal, Kevin, en Bär, hier, Stulle, iss!) und vor allem vor den depremiert auf dem Boden liegenden Tieren macht Picknicken ja erst richtig Spass. Wie Fernsehen, essen und glotzen.
Und dann die digitale Wahrnehmung. Die Deutschen haben die Japaner doch längst abgehängt, was die digitale Wahrnehmung angeht. Wollte man wirklich noch wissen, wo das nächste Tier seinen Lebensmittelpunkt hat, so musste man nur den in der Sonne reflektierenden Wänden von ausgefahrenen Objektiven und Mobiltelefonen folgen, irgendwo dahinter musste sich ein kleines Lebewesen aufhalten.
Statt „Guck mal, der arme Bär da unten, der kann sich ja nirgendwo verstecken.“ oder wenigstens „SCHANTALL, en Bär, guckens da.“ hört man nur „Hier, dat sind über 3 Mio Pixel.“ oder „Ochnee,ne? Dat Speicherteil is voll.“
Aber ist doch schön, so können sie den lieben und den Nachbarn zu Hause dann zeigen, was sie für einen echt super Tag mit der Familie verbracht haben. Hinter ihrer Linse.

Den Plan, den man anfangs vom Park bekommt, den brauchten wir genau einmal, und zwar um zu gucken, wo wir so schnell wie möglich wieder rauskommen. Seitenausgänge sind im Spaßprogramm nicht vorgesehen, also gegen den Strom zurück zum Eingang und nichts wie raus.

Sollte ich jemals einen Hauch von Kinderwunsch gehegt haben, so ist dieser zarte Keim nach gestern für die nächsten drei Leben geplättet, und als wir im Auto nach dem Prospekt griffen, begriffen wir dann auch viel zu spät, dass Greenpeace bei Sea-Life mit von der Partie war, und nicht bei ZOOM.
Muss nicht unbedingt was bedeuten, aber ich bin mir fast sicher, dass die Seepferdchen dort Rückzugsmöglichkeiten besitzen, wenn die keinen Bock auf Seepferdchenshow haben. Bei ZOOM haben die Tiere das nicht, dort ist der Besucher König. Möglichst viele Tiere auf möglichst wenig Raum bedeutet am Ende nur, dass der König auf jeden Fall Tiere vor die Kamera bekommt, egal wie voll, laut, stressig und heiß es ist.

Mein Wunsch, sollte ich mal dran kommen: Einen Zoo der Stille. Der Besucher bekommt Geruchsneutrale Kleidung an, und irgend etwas aufgesetzt, was all seine Geräusche absorbiert. Er geht durch einen Zoo, in dem die Tiere nicht gestört werden, riecht und hört die Geräusche der Tiere und kein digital erzeugtes ritsch-ratsch der neuen Cybershot von Sony Ericsson, damit Vatti auch weiß, dass er ein Bild geknipst hat. Es herrscht Ess-/Rauch-/Haue-und Fotografierverbot, Kindern werden die Tiere erklärt und nicht die Kameras, und es gibt keine Bratwurst-Oasen.
Wenn ich mal König bin.
Gestern war ich Prinzessin, das reichte nur für die Flucht nach vorn und drüber schreiben.



Wer hat sich eigentlich diese Nelly Furtado in ihrem Maneater-Video in die eigentlich klassische Shakira/Aguliera-Szenerie gedacht, so mit leicht angeschmutzten Statisten die wichtig/rollig gucken, brennendem Irgendwas im Hintergund und vielen Ketten und Maschendrahtzäunen? Die kann ja noch nicht mal tanzen.
Statt dessen Bauchnabel in die Kamera halten und wild mit Haaren und Armen in der Luft wedeln.

(Rubrik: Dinge, die einem leider auffallen, während man im Hintergrund mistiges MTV am rennen hat.)

PS: Hat Mia irgendwie Schokotorte oder ähnliches mit sehr hohem Brennwert für sich entdeckt? (Vielleicht ist es ja auch nur die neue Frisur.)


Freitag, 4. August 2006


Husch husch, Paulsen lesen.



Heute, genauer: Eben das erste mal seit fünf Wochen (eigentlich sieben, einmal zwischen beiden Pausen zählt dann aber doch) wieder den Weg zum Ertüchtigungstempel gefunden. Vor hatte ich es schon letzten Sonntag (war nicht wegen akuter Müdigkeit, ganz plötzlich), letzten Montag (Tasche schon gepackt, dann effektiv mit M. im schönsten Nachmitagsbrass ausgesperrt, Tasche hinter der Tür, Pech gehabt), dann Dienstag Morgen (Oh, kein guter Kurs dabei, naegaljetzt), Mittwoch (Kaffeetreffen mit gestresstem Vater-Freund, der sich vor lauter Freude direkt beide Hände mit Silkon versiegelte, und es wär ja praktisch das ich grad da sei, da könnt ich doch Hand anlegen, wegen dem Rohr.), Donnerstag (spontane Jobsuche wegen akuter Blankheit und eingeschobene Kaffeetreffen in ganz Bilk), und dann, tataaa, Freitag. Heute morgen hatte ich keine Ausrede mehr und die Tasche war ja von Montag noch gepackt.

Nach 10 Minuten war ich ganzkörperfeucht und Seelchen taumelte im Hormonrausch durch den ganzen Körper. Nach der zweiten Stunde war alles wieder am Platz, sämtliche Extremitäten sortiert in Reih und Glied, und die Laune: WoW!

Ich bin jetzt bereit für den Herbst. Meine Sommerlaune ist scheinbar das, was andere als Winterdepression beschreiben.


reisenotizen, 5. seite.

Dienstag, 13. Juni 06

Ile d’Oleron - (Royan) - Soulac sur Mer

Sonne , 34 °C


„Meine erste Auster, die aß ich in Royan“

Dialoge, die in Beziehungsgesachichten eingehen könnten, gehen auf Campingplätzen z.B so:

Er: „Ich war nur Pipi.“
Sie: „Echt? Riecht aber wie A-ah!“

Heute frisch gehört, auf so Allgemeinplätzen wie Nasszellen oder Gemeinschaftstoiletten bleibt einem ja nix verborgen.
100 Schwämme und einen kräftigen Schwung Sagrotan drüber.

Dafür heute mal Infos für Austernliebhaber, Unentschlossene und Salzgourmets:
Besucht diese Insel, es lohnt sich.

Und dann:



Wir haben es dann tatsächlich geschafft, eben diese zu verlassen. Und wenn einer auf Reisen geht, dann erlebt er in der Regel auch etwas. Ich erlebte heute meine ersten Austern, Auto bei 34°, die Fährenüberfahrt von Royan nach Soulac sur Mer und den Unterschied zwischen Mobil-Homes in Sachen Interieur und Preis. Die am Morgen verlassene Gurke kostete 45/Nacht und hatte weder Wasserdruck, noch heißes Wasser, eine maue Ausstattung und DDR-Charme. Jetzt sind wir einen Küstenzipfel weiter und ich sitze mit dem Atlantik im Rücken, einer 1a-Dusche und gehobener Ausstattung (selbst die Salatschleuder schleudert wie wild) auf der Terrasse für 37/Nacht. Wir haben für zwei Nächte gebucht, dass sollte für die Umgebung reichen.
Ich nahm von der Insel mit: 29 Mückenstiche und Salz.



(royan im rücken, soulac sur mer vor der brust.)



Frischeste Erfahrung: an eine Wanderdüne der Cote d’Argent zu strullen. Ich denke, ich werde M. nach unserem Urlaub erschießen müssen, der stand nämlich direkt daneben und hat durchgehend gelacht. Wie soll Frau sich verstecken, bzw. wo? An dieser geraden Küste gibts weder Baum noch Kuhle, und bei dem ganzen Meeresgerausche, Wein und kalten Füssen, da kann ein Bedürfnis schon mal zur dringenden Plage werden.
Um das nicht als letztes hier stehen zu haben, noch etwas über die Menschen von Royan und Umgebung, die legen so offensichtlich auf zwei Dinge besonders viel Wert, dass man es locker aus jedem Autofenster heraus entdecken kann:
Immer genügend Crevetten und Austern im Haus zu haben, und einen Wahnwitz an blühenden Pflanzen im Garten.
Kurve bekommen, alle 29 Mückenstiche mit einem Anti-Juck+Quaddel-Gel betupft und nun ab ins sarggroße Schlafzimmer. Immerhin ein Doppelgrab mit Meeresrauschen!



(trailerblick. scharf dran vorbei gehts zum meer.)


Donnerstag, 3. August 2006

reisenotizen, 4. seite.

Montag, 12. Juni 06

Ile d’Oleron

Sonne, 28 °C


„Gegrilltes Mensch in Salzkruste!“

Die Tatsache, dass wir uns auf der Terrasse unseres Trailers sitzend (zerstochen, völlig zerstochen, aber das nur nebenbei) warmes Baguette einverleiben und dabei köstliche frischer Seewind vom Meer nebenan wieder Luft zum atmen bringt, entschuldigt für diese lähmende Hitze gestern. Wie gesagt, wir befinden uns einen weiteren Tag in der Verlängerung, fahren gleich zum Surfstrand, verbringen dort den Vormittag, gehen Fisch kaufen, heute Abend spielt Italien … einlullende Gleichmäßigkeiten, Seelchen baumelt im wild im Nordwind, der Bikini beisst sich farblich mit meinem Strandlaken. Herrlich, so könnte ich jeden Tag in Düsseldorf.
Nur nicht dran denken.
Dafür Tagesmantra, so lang und oft wie geht:

Wie Gott in Frankreich.
Wie Gott in Frankreich.
Wie Gott in Frankreich.
Wie Gott in Frankreich.

Ich kann ihn mir vorstellen, diesen Moment, wo ihn irgendwer das erste mal laut und beseelt aus sich herausrief!

-

Gefühlte 400 Wellen, eine ¾ Flasche Bordeaux Superieur und 700 Gramm Fisch später versuchen wir angestrengt, uns von unserem Trailer und diesem sehr friedlichen Platz loszueisen.
Morgen also wieder alles rein in Auto, und weiter geht’s?! Tatsächlich?! Sollte ich es dieses Leben vielleicht doch noch mal schaffen, spanischen Boden zu erreichen und zu betreten?

Übrigens, für alle lieben daheim: Sollte ich morgen unversehens absaufen, untergehen oder von einem Riesenmoskito vertilgt werden, hier einer für die Nachwelt, der mir jetzt Ansatzweise glühend peinlich ist:

M. und ich haben heute voreinander im Atlantik stehend gepinkelt!
Wir trugen dabei zwar noch jeweils unsere Badesachen, aber ich würde trotzdem behaupten, ich bin erfolgreich ausgewildert, auch wenn es aus einer Notlage heraus entstand. („Ich muss mal. – „Ich auch.“- „Komm, wir gehn ins Wasser.“)
Das nur fürs Protokoll und ohne Photo.

21h50, Sonnenuntergang. Die Seite im Moleskine ist voll, und pro Tag ist nun mal nur eine Seite vorgesehen, passiere was da will. Basta. Die Mücken kommen, ich gehe. Gute Nacht Insel, die letzte Nacht.



( eine Teilstrecke der "La Route des Huitres", die Austernstrasse. Quasi der Strich der Austernknacker, man fährt mit dem Auto vor und bezahlt für orales Vergnügen bar.)


Mittwoch, 2. August 2006

reisenotizen, 3. seite.

Sonntag, 11. Juni 06

Ile d’Oleron

Sonne, 36 °C


„Begrabt meine Gebeine an der Biegung der Saline!“

Wenn mal wer nicht weiß, ob er lieber in die Bretagne oder an die Atlantiküste, nach Holland oder doch lieber nach Spanien reisen möchte, dem lege ich diese Insel als Urlaubsziel nahe, dort hat man alles!
Steine und Tiede, Wellen und Sand, Fritten und Austern, Campingplätze und Stockrosen, überall Stockrosen. Praktischer Ort.

Heute Sightseeing. Salinen gucken, Austern gucken, Phare gucken. Schwimmen. ChiChi erfahren. Ansonsten gibt es zu 36° im Schatten nicht viel zu sagen.







Doch, ein Satz, ein Auszug aus einer SMS in die deutsche Heimat:

„Diese Insel hier sieht aus wie die Bretagne, wenn sie Los Wochos hätte.“

Ein anderer war:

„Brüllende Hitze, Tintenfisch-u. Austernpreise geradezu lächerlich (da steckt sicher wieder CHINA dahinter!) , und wir leben wie Eminem mit seiner Mutter in einem Trailer! Heftige Grüße, Wir.“



( eingelegter calmar-schredder. olivenoil, knoblauch, zitrone, frische kräuter. auch der ewig süppelnde wasserhahn in voller aktion.)

Jetzt ist es 22h15, immer noch hell, und ich werde dermassen geschäftig von drei Dutzend Mücken attackiert, dass ich nur noch hüpfend, pustend und laut drohend schreiben kann, also gar nicht. Unsere Belgischen Nachbarn, die mit dem nie brüllenden Kind (ob das an Belgien und seinen Skandalen liegt, dass selbst die Kleinkinder da schon vorsichtig werden?), die gucken so pädagogenhaft schmusig rüber, die denken sicher, ich wär ein Touretti mit Bleistift.



(glühende trailer-romantik. unsere nachbarn.)

Um Morgen verlängert. Wir können nicht fahren, so lange der Supermarkt diese Fischpreise hat!



(vollmond auf der bretonischen seite.)


Dienstag, 1. August 2006

reisenotizen, 2. seite.

Samstag, 10. Juni 06

Paris – Ile d’Oleron

Sonne, 28 °C


„Wir nehmen die Gurke!“

Morgens, beim aufwachen, die Nacht gefühlt in einem luftleeren Raum verbracht. Ein Blick aus dem winzigen Fenster neben der Treppe zeigte Paris von einer vertrauten Seite: Es wacht auf.
Man erkennt es an den Menschen, die links den Hund, recht das Brot und im Mund die Zigarette haben, hier in Paris hat wirklich alles seinen festen Platz. Als Kinski damals wetterte, Paris würde an seiner Hundescheiße noch einmal ersticken, da hat er die Kippen und die Brotkrumen vergessen.

Leider waren wir im Haus -bis auf die Katze, die scheinbar nie schlief- die einzigen, die aktiv waren. Leise die exakte Pariser Anzahl4fach-Küsse auf verschlafene Gesichter verteilt, noch 100 mal betont wie toll, nett und überhaupt alles war, und dann standen wir schon draußen, und der schlafende Teil der Familie lag wieder sicher verstaut im Plümmö. Bis auf die Katze natürlich. Die saß am Fenster und sah zu, wie ich mich auf offener Strasse umzog und die Kühltasche auf Frühstück prüfte.
Frühstück in Paris: der Rest aus der Thermoskanne von gestern und ein Müsliriegel mit Milchteil in der Mitte = ausgewildertes Gefühl, schon seit Wochen unterwegs zu sein. Hätte mir später sogar bedenkenlos auf dem Tankstellenklo die Beine rasiert, wenn es denn nötig gewesen wäre.

Die Fahrt über Richtung Insel eine ganze große Flasche Evian getrunken, und eine ganze große wieder ausgeschwitzt. Das Shirt hatte ich seit gestern Morgen (Düsseldorf) an, darin um die 1000 km gelebt und eine Nacht geschlafen. Ab einem bestimmten Punkt ist einem scheinbar alles egal.





Auf der Insel (ab der Brücke hinüber nur noch gegrinst, weil Wellen und Salzgeruch, Austernfarmen und Weinfässer stark nach Urlaub aussahen) ein Mobil-Home ( Mobielomm, wie der Franzose sagt) gemietet, vorsichtig erst einmal für zwei Tage.
Wir hatten die wilde Auswahl zwischen Zeltplätzen, einem alten Mobil-Home und zwei neuen. Wir nahmen das alte, die "Gurke", noch nichts ahnend, was der Blick des Vermieters kombiniert mit dem Satz „das ist aber nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand“ wirklich bedeutete. Wir wollten die Gurke, weil sie Schatten und Charakter hatte, und durch eine träge im Wind baumelnde Wäscheleine morbide Gemütlichkeit ausstrahlte.
Als später sämtliche Wasserhähne explodierten, das warme Wasser in der Dusche eiskalt blieb und die Gasflamme am Herd schwächer war, als unser Campingkocher, da ahnten wir dann, was das "nicht mehr auf dem neuesten Stand" im Detail bedeuten kann.

Wir haben unsere Gurke trotzdem lieb, nicht zuletzt, weil wir gerade in absoluter Ruhe auf der Holzterrasse sitzen, die Nachbarn um uns herum ein Fest an leisen, fröhlichen Menschen sind, und der Wein kombiniert mit der Seeluft stark sedierend wirkt und alles sehr töfte aussehen läßt.



Neben mir stehen die Reste des Abendessens. Im Supermarkt Fischpreise unter aller Kanone. Die Fischfachverkäuferin in Gummistiefeln fragte netterweise nicht, für wie viele Personen wir kaufen. Eben dann ein gefühltes Weltmeer gebraten und vertilgt. Mein Karmakonto ist am 2. Tag schon wieder im Dispobereich, was Sea-Food angeht. Gerechterweise werde ich im nächsten Leben wohl als Dorade oder Schrimp inkarnieren müssen.

Uh, wir sind scheinbar eigenständig aufgetischtes Abendbrot für die Inselmücken. Die Nachbarn rennen sehr leise in ihre Trailer und verrammeln alles. Machen wir denen jetzt nach, die sehen nämlich aus, als würden sie wissen, was sie tun.

PS: Mein gedachter Dank geht heute nach Deutschland an den geschätzten SvenK., der mir seine Lieblingsinsel, die Ile de Re, als Reisepunkt ans Herz legte. Und da ich erst mit dem Finger auf der Karte ein paar Centimeter verrutscht bin (was auch im Meer folgen haben kann, wie man sieht) und dieses Eiland hier als etwas "rustikaler" beschrieben wurde, liegen wir nun hier und sind auch sehr zufrieden. Und haben noch eine Insel übrig, was ja auch nicht zu verachten ist. Man sollte im Leben immer noch eine Insel zum angucken und beleben übrig haben.