Freitag, 19. März 2004
der brief, der das fahrrad nimmt
heute ist alles schnell.
man nimmt die uBahn, statt der alten oberirdischen, damit man schneller zum job kommt, ist multi-taskingfähig, damit man vormittags schnell alles an arbeit erledigt bekommt, um mittags schnell und fast zu essen.
für das leben "danach" gibt es after work-partys, zu denen man schnell nach dem job noch mal gehen kann, um in knapper zeit die effektive auswahl an after work-party-gängern zu sichten, um eventuell schnellen sex ?
kann passieren, und wenn nicht, geht man am nächsten abend in sein quick-gym, um schnell das effektivste work-out für den schnellen traumbody abzureissen. der sommer so nah, der hintern so weit unten. ich wähle bewußt das "man" und kein "ich", weil nur der erste teil noch zu meiner welt gehört, after-work-partys ein greuel darstellen und hängende hintern nicht mein sind.
in dieser zeit also, um den faden wieder aufzuheben, wo man schnell per eMail oder sms frage und antwort stehen kann, und warten nicht unbedingt zum gewohnten gehört, da ist ein brief eine herausforderung an die langsamkeit.
ich habs getan. ich musste es tun. ich tue es öfter.
die empfängerin lebt 1.220 km weit von mir entfernt und lehnt technik ab. die letzte technische errungenschaft, welche sie nutzt, ist ein telefon, und dieses ohne anrufbeantworter. " wenn ich nicht da bin, bin ich nicht da" - ihre meinung.
und ich liebe es. sie scheißt auf alles, ist über 50 und einer der unkonventionellsten menschen in meinem freundeskreis.
welch ruhe muss bei ihr herrschen. in ihr ? ohne diesen drang, ewig auf dem neusten stand zu sein. das internet hat so viele möglichkeiten, und je länger man es nutzt, um so mehr möglichkeiten will man nutzen, tag für tag. die informationsflut wird zum normalzustand, der "off" modus eher bewußt und mit guten gründen hergestellt..
um diese freundin zu kontaktieren, muss ich mich mit stift und papier hinsetzen und schreiben.
das erste was mir dann auffällt ist meistens, dass die handschrift nicht mehr 100% flüssig und schwungvoll aus dem kuli kommt, wie gewohnt.
tastaturversaut . dann die dauer ... kurz am kuli knabbern, überlegen, nicht mal eben korrigieren können, sondern ein wort komplett durchgestrichen einfach so stehen lassen, lesbar für die empfängerin, dass ich da gepatzt habe, oder mir ein besseres, ein schöneres wort einfiel.
es folgt die übliche suche nach einer briefmarke, das einwerfen nicht vergessen, wenn ich an einem briefkasten vorbeigehe, und der brief in meiner tasche schlummert.
all das ist nur das vorspiel zu dem, was danach passiert.
sobald der brief den "andere orte" - schlitz hinter sich gebracht hat, geht die warterei los.
in gedanken sehe ich ihn im flugzeug oder in einem post-sack in einem zug vor sich hinreisen, durch verschiedene hände wandern, höre eine post-beamtin die ihre kollegin fragt, ob das ein i oder ein l sein soll, und sehe dann den alten postboten, der in ihrem ort die post verteilt. auf seinem mofa, ohne helm, aber eine gitanes im mundwinkel. er kommt, wann er grad zeit und lust hat, mal verquatscht er sich, dann kommt er halt später. richtig eilig hat es dort niemand.
meinen brief, den stopft sie dann meist mit der anderen post in ihre jacke, wenn sie mit ihrem hund ans meer geht, und wenn sie ihn liest, dann zerrt die atlanktikluft an den seiten, und ich kann förmlich sehen, wie sie mühe hat, alle beisammen zu halten. ich nummeriere die seiten mittlerweile durch, damit sie nicht durcheinanderkommt, dort am meer.
dann liegt der brief eine weile in ihrer küche, bis sie weiß, was sie auf alles sagen will, und dann schreibt sie zurück. und dann sucht sie nach einer briefmarke, und überlegt, ob das ein i oder ein l ist, in meiner adresse, und dann liegt der brief erst einmal markenlos in der küche neben meinem, bis sie beim einkaufen daran denkt, eine mitzubringen.
bis der brief dann in einem kasten landet, das kann schon mal ein paar tage dauern, aber sie hat ja nicht die eile wie ich, sie kennt diese eile gar nicht.
ein einziges mal hat sie mit einem handy telefoniert, da musste ich dran denken, während ich den weg des aktuellen briefes gedanklich nachlief.
jemand den ich kenne war bei ihr im ort, hat sie zufällig getroffen, auf "anruf" gedrückt, ihr das handy hingehalten.
später habe ich gehört, dass sie es so weit wie möglich von ihrem kopf weghielt und gerade noch so mit mir reden konnte, ich 1220 km entfernt, absolut erfreut über diesen unerwarteten kontakt am mittag.
und der handybesitzer konnte sich eine bergpredigt in sachen zellerwärmung und hirntumore anhören. später, als sie den roten hörer gedrückt hat.
was ich eigentlich sagen will ist, dass dieser weg der kommunikation eine süße qual ist !
ich warf den letzten brief an sie vor zwei wochen ein, und jeden tag schließe ich den briefkasten mit einem hoffnungsvollen lächeln auf, um ihn dann mit einem tiefen seufzer wieder zu schließen, um brieflos die wohnungstür aufzuschließen.
vielleicht heute ?
man nimmt die uBahn, statt der alten oberirdischen, damit man schneller zum job kommt, ist multi-taskingfähig, damit man vormittags schnell alles an arbeit erledigt bekommt, um mittags schnell und fast zu essen.
für das leben "danach" gibt es after work-partys, zu denen man schnell nach dem job noch mal gehen kann, um in knapper zeit die effektive auswahl an after work-party-gängern zu sichten, um eventuell schnellen sex ?
kann passieren, und wenn nicht, geht man am nächsten abend in sein quick-gym, um schnell das effektivste work-out für den schnellen traumbody abzureissen. der sommer so nah, der hintern so weit unten. ich wähle bewußt das "man" und kein "ich", weil nur der erste teil noch zu meiner welt gehört, after-work-partys ein greuel darstellen und hängende hintern nicht mein sind.
in dieser zeit also, um den faden wieder aufzuheben, wo man schnell per eMail oder sms frage und antwort stehen kann, und warten nicht unbedingt zum gewohnten gehört, da ist ein brief eine herausforderung an die langsamkeit.
ich habs getan. ich musste es tun. ich tue es öfter.
die empfängerin lebt 1.220 km weit von mir entfernt und lehnt technik ab. die letzte technische errungenschaft, welche sie nutzt, ist ein telefon, und dieses ohne anrufbeantworter. " wenn ich nicht da bin, bin ich nicht da" - ihre meinung.
und ich liebe es. sie scheißt auf alles, ist über 50 und einer der unkonventionellsten menschen in meinem freundeskreis.
welch ruhe muss bei ihr herrschen. in ihr ? ohne diesen drang, ewig auf dem neusten stand zu sein. das internet hat so viele möglichkeiten, und je länger man es nutzt, um so mehr möglichkeiten will man nutzen, tag für tag. die informationsflut wird zum normalzustand, der "off" modus eher bewußt und mit guten gründen hergestellt..
um diese freundin zu kontaktieren, muss ich mich mit stift und papier hinsetzen und schreiben.
das erste was mir dann auffällt ist meistens, dass die handschrift nicht mehr 100% flüssig und schwungvoll aus dem kuli kommt, wie gewohnt.
tastaturversaut . dann die dauer ... kurz am kuli knabbern, überlegen, nicht mal eben korrigieren können, sondern ein wort komplett durchgestrichen einfach so stehen lassen, lesbar für die empfängerin, dass ich da gepatzt habe, oder mir ein besseres, ein schöneres wort einfiel.
es folgt die übliche suche nach einer briefmarke, das einwerfen nicht vergessen, wenn ich an einem briefkasten vorbeigehe, und der brief in meiner tasche schlummert.
all das ist nur das vorspiel zu dem, was danach passiert.
sobald der brief den "andere orte" - schlitz hinter sich gebracht hat, geht die warterei los.
in gedanken sehe ich ihn im flugzeug oder in einem post-sack in einem zug vor sich hinreisen, durch verschiedene hände wandern, höre eine post-beamtin die ihre kollegin fragt, ob das ein i oder ein l sein soll, und sehe dann den alten postboten, der in ihrem ort die post verteilt. auf seinem mofa, ohne helm, aber eine gitanes im mundwinkel. er kommt, wann er grad zeit und lust hat, mal verquatscht er sich, dann kommt er halt später. richtig eilig hat es dort niemand.
meinen brief, den stopft sie dann meist mit der anderen post in ihre jacke, wenn sie mit ihrem hund ans meer geht, und wenn sie ihn liest, dann zerrt die atlanktikluft an den seiten, und ich kann förmlich sehen, wie sie mühe hat, alle beisammen zu halten. ich nummeriere die seiten mittlerweile durch, damit sie nicht durcheinanderkommt, dort am meer.
dann liegt der brief eine weile in ihrer küche, bis sie weiß, was sie auf alles sagen will, und dann schreibt sie zurück. und dann sucht sie nach einer briefmarke, und überlegt, ob das ein i oder ein l ist, in meiner adresse, und dann liegt der brief erst einmal markenlos in der küche neben meinem, bis sie beim einkaufen daran denkt, eine mitzubringen.
bis der brief dann in einem kasten landet, das kann schon mal ein paar tage dauern, aber sie hat ja nicht die eile wie ich, sie kennt diese eile gar nicht.
ein einziges mal hat sie mit einem handy telefoniert, da musste ich dran denken, während ich den weg des aktuellen briefes gedanklich nachlief.
jemand den ich kenne war bei ihr im ort, hat sie zufällig getroffen, auf "anruf" gedrückt, ihr das handy hingehalten.
später habe ich gehört, dass sie es so weit wie möglich von ihrem kopf weghielt und gerade noch so mit mir reden konnte, ich 1220 km entfernt, absolut erfreut über diesen unerwarteten kontakt am mittag.
und der handybesitzer konnte sich eine bergpredigt in sachen zellerwärmung und hirntumore anhören. später, als sie den roten hörer gedrückt hat.
was ich eigentlich sagen will ist, dass dieser weg der kommunikation eine süße qual ist !
ich warf den letzten brief an sie vor zwei wochen ein, und jeden tag schließe ich den briefkasten mit einem hoffnungsvollen lächeln auf, um ihn dann mit einem tiefen seufzer wieder zu schließen, um brieflos die wohnungstür aufzuschließen.
vielleicht heute ?
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