Montag, 4. September 2006

Liebes Volk, bitte stellen sie das Ficken ein!



Ihr König.

via Whistleblog


Versuche am Selbst, bitte lesen!

(...)"Während die Kinder in den Büros der Eltern ihre Spielzeugdepots anlegen, wird das Klimpern aus der Teeküche immer lauter. Dem Drang der Erwachsenen zur Kaffeemaschine haftet an diesem Morgen etwas Drogensüchtiges an, die Warteschlange der Koffein-Junkies wirkt beinahe beschämend. Als wir Erwachsenen unser Nuckelzeug endlich beisammenhaben, fängt die Arbeit an."

Hier den kompletten Artikel lesen.

via Lawblog


Montag, 4. September 2006

22h30, wieder.

"Hallo Dittsche"



Es ist mindestens ein mal pro Woche schon ein Elend. Kaum kommt hier mal mächtig Wind auf, bin ich wieder nicht richtig angezogen, wie so oft, wenn mal so richtig Wind aufkommt. Ich sitze also in anliegender Körpersoftware auf der Couch, der Lüfter von Laptop röhrt um die Wette mit dem rauschenden Baum ausserhalb der vier Wände, und ich? Ich flatter nicht. Null. So rein gar nicht. In der Jeans mit Shirt, alles prall dank nachmittäglichem Besuch, mit denen man nicht nur ein Kilo Bio-Gulasch, welches insgesamt vier Stunden Kochzeit in Anspruch nahm und keine zwanzig Minuten im Topf übrig war, weg war es, und mit denen man ausserdem noch super Reizstoffe mischen konnte, was so viel heissen kann, wie Wein mit Kaffee und dann wieder Wein, nein, ich ... moment, wo war der Faden? Ach genau, der pralle Bauch im kakieskem (heute sagt man ja Oliv) Shirt, das Weinglas zwischen den Beinen balancierend, sitze ich auf dem zweitgemütlichsten Einrichtungsmöbel, das erstgemütlichste wäre natürlich das Bett, und lasse den Wind an mir vorbei. Der weht nämlich gerade so stark, dass hier die Staubmäuse von hinter dem Schrank unten rechts eine einem Western ähnliche Stimmung aufkommen lassen, und auch ich, eigentlich einen Brief erfassend, auch ich möchte jetzt mehr wie die Staubmaus sein, quer durch den Wohnraum, auch die gute Stube genannt, segeln und gänzlich befreit "Heureka, es ist ein Septembersturm!" in die Dielenbretter rufen.
Ist aber nicht. Hab ja das Falsche an. Mit den richtigen Anziehsachen könnte ich den Wohnzimmerwind nämlich bis zur Groteske steigern, jede Böe ausnutzend, die Natur zum Freunde machen, nicht zum Untertan. Ich und der Sturm, der heute ausnahmsweise mal nicht im Wasserglas stattfindet, sondern faulerweise direkt in meinem Wohnzimmer. Hach.
Hätte ich nicht, wie meist immer, das Falsche an.
Mit einem Kleid, vielleicht ein mitgebrachtes aus Griechenland, so eins mit weiten Ärmel und aus leichtem Stoff, das wärs jetzt. Heftigst flatternd würde ich hier an Laptop sitzen, Stunden über Stunden würde ich Briefe erledigen, dramatisch aussehend und dabei die gleichen flappernden Geräusche produzierend wie Segelmasten, so in etwa, und feurige Zeilen ins Internet tippen, zum Beispiel über das neue Video-Blog von der Tita, die von Hardenberg, nicht die Dita, die von Manson. Obwohl eine böse Zunge, zum Beispel meine, hätte ich das richtige an, ja behaupten könnte, die eine, also die erste, könne sich von der andern, also der zweiten, ja mal was abgucken, damits etwas spannender wird. Tu ich aber nicht. Statt dessen halte ich meine einzige Nase in den Wind und überlege, warum ich immer das Falsche anhabe, an so Abenden mit Wind im Haus.

logbuch | © Lu um 00:29h | keine meldung | meldung machen?

hamburgs eimer 8.



eimeransammlung

netzboden | © Lu um 14:26h | keine meldung | meldung machen?

Samstag, 2. September 2006

natürlich ausgedacht:

er, mit einem satz ins bett springend: komm her, du ... du...
sie, das buch schützend vor sich haltend: VORSICHT, ich hab mich mit dieser probe eingecremt, da ist selbstbräuner drin!
er, ins plümo sackend: das hätte jetzt ein romantischer moment werden können.
sie, natürlich verständnislos: du sollst das zeug ja nur nicht in den mund bekommen.


Freitag, 1. September 2006


Vor Mitternacht zeitgleich mit der warmen Strömung aus dem Süden nach Hause kommen. Die Jacke joblos über der Schulter liegen haben, und an den Herbst denken, der in ein paar Minuten zumindest meteorologisch beginnt. Im Bett ist die Decke zu warm, der Wein zu schlafraubend, die Nacht hat nur vier Stunden.
Auf dem Balkon die köstlichste Luft atmen, die das Viertel hergibt, nur um diese Zeit. Es ist 5h00, es dämmert, die Fellchen essen Spinnenweben, die Spinnen entschwinden sauer die Wände hoch. Ich weiß, ich knicke energielos weg, irgendwann am Mittag, aber um diese Zeit mit diesem warmen Wind auf der Haut bemitleidet man sich für jeden Morgen, an dem man all das verschläft.


retro.



(Und nach all den Jahren immer noch textsicher.)


Donnerstag, 31. August 2006

razor.

Das neue Mobile glüht mich mit blauem Licht und glucksenden Tönen an. Eine SMS, und ich liege unter drei braunen Decken im Fango. Es lächelt wenn es glimmt, dachte ich, und das um 9h40.
Ungwohntes Anfassen, alte Muster sind ungefragt und lösen ungewollte Reaktionen aus. Nummern sind weg, weggeglaubte plötzlich da, altes Leben, ein Abklatsch auf der SIM-Card. Ich lösche, ich erkenne nicht wieder, alles auf der Busfahrt zurück. An den Buchstaben, die der Toten, bleibe ich hängen. A. lösche ich nach einigem Zögern, er ist jetzt schon zwei Jahre weg. Das weibliche A. gucke ich zwischen zwei Haltestellen lange und intensiv an. Die Nummer kommt mir gar nicht mehr bekannt vor, und während ich "Löschen" drücke, schicke ich einen Gruß durchs Busfenster durch den Gerresheimer Wald. ("Das ist ein Eeeelch, Sieee Idioooot!" Sie weiß was damit anzufangen.) Nur bei D bleibe ich nicht hängen, das lösche ich nie, Dad mobil wird wohl immer auf meiner SIM bleiben, ich kann die Nummer nicht löschen.

Zu Hause packe ich mein altes in seine Verpackung zurück, alle Bilder sind gelöscht, das Chipkartenherz schlägt jetzt in dem mit dem Gesicht. Ich fühle mich wieder wie ein Verräter, ich kann viel gebrauchte Technik nicht gut weglegen und aussortieren.
Meine alte Laptop-Schnappe weg, mein altes Mobile weg, Papa weg, dicke Haut weg.
(In jeder Maschine wohnt ein Buddha, in jedem Stein eine Welt.)

PS: Was ich eigentlich sagen wollte, war: Ich nehme jetzt auch Klingeltöne entgegen.


reisenotizen, 16. seite.

Sonntag, 25. Juni 06

Paris - Düsseldorf

Sintflut, 17°C Paris (29° in Dedorf)


„Von Ghetto zu Ghetto.“

Es gibt Städte, in denen wache ich absolut gerne auf, und Paris liegt da komischerweise weit vorn. Diese Stadt, die genau genommen nur an einem langen Strang mit Nebengassen so richtig schön ist, der Rest Schmuddel und Moloch, sich ausweitend wie eine Flechte. Aber trotzdem! (sowieso eine absolut tolle Antwort auf vieles, „Trotzdem“.)
Heute morgen also auf Tantchens Couch mit einem satten Grinsen wach geworden, und da gestern Abend ein schlauer Mensch einen Riegel vor Sightseeing geschoben hatte, und wir statt dessen ein wenig per Pedes durch Bagnolet und seine neuen, künstlichen Parkanlagen liefen, die entfernte Gewitterfront anhimmelnd, schoben wir also heute früh los und einen weiteren Riegel zwischen Eiffelturm und frühe Abfahrt. Wir wollten nicht weg.

Wie viele Küßchen zum Abschied nun gewechselt wurden, ich weiß es nicht mehr, in Paris knutscht man ja vier mal zu jedem Anlass, also zwei mal pro Seite pro Person, und selbst wenn man nur mal etwas länger auf Toilette war, kann es einem Blühen, dass man der sehr herzlichen, wenn auch sehr feuchten und vor allem Zeitaufwendigen Prozedur direkt noch mal unterzogen wird, zur Sicherheit. Da kommt keiner unterknutscht raus, aus der Stadt, so auch wir nicht. Noch die Wangen trocken rubbelnd fielen wir in den nächsten Supermarkt ein, der, wie die anderen hier auch, Sonntags geöffnet hat und von bewaffneter schwarzer Security geschützt wurde. Komisches Gefühl, so am Sonntag Morgen in einem Supermarkt mit Knarre im Augenwinkel. Der nette Wachmann schenkte mir am Ende noch ein Schokoladenbonbon, und die von Tantes Nachbarin in einer Garage eingesperrte Katze wurde auch noch flugs befreit, himmel, sind die allte nett da! Die Nachbarn sind übrigens Jugoslawen, schon seit ewig in Paris lebend, mit einer Katze namens „Tina“. Kann mir das bitte mal wer erklären? All das sind Kleinigkeiten, die den Tag mit Andenken füllten, und nun diese Seite hier.
Kurz darauf mit M. wieder im Pariser Stadtverkehr. Der muss mal als Franzose gelebt haben, so einheimisch wie der die Innenstadt befährt. Ich kenne selbst Franzosen, die in Paris jede Fortbewegung mit dem Auto meiden wie der Teufel das Weihwasser, nicht so M., der mit runtergekurbelten Fenstern fröhlich mitmischt, schimpft und Taxifahrer abhängt. Ich, ganz die gelassene Beifahrerin, kralle mich am Gurt fest und schreie wild gestikulierend wie einhändig Fussgänger an, welche bei rot gehen und uns anmaulen, weil wir bei grün fahren. Herrlich, wenn jeder seine Rolle kann. Die spinnen, die Pariser.

Und so dehnten wir den Vormittag und unsere kaum noch aufschiebbare Rückfahrt Teil 3 um ein weiteres mal Eiffelturm gucken bei strömenden Regen, laut bemeckernd, dass die tatsächlich neue Strassen einmal um den Turm rumgeteert haben, auf das die Amis nur noch aus ihren Reisebussen fallen und ein paar Meter zum Aufzug gehen müssten.
Das es Sinn macht, auf der grünen Meile, auf hellem Kies auf dieses Bauwerk zuzulaufen, darauf kommen die scheinbar nicht mehr.


(Ein Stück Pariser Himmel. Es regnet, deswegen auch ein Stück Schirm.)

Noch einen Café Crema in St.Germain, mit warmer Tarte und einem Eimer voll Viertelflair, und das alles für lasche wie knappe 20 Euro, das ist halt auch Paris.
Die nächsten 500 km bei übelstem Platzregen inklusive einer anfänglichen Ehrenrunde – wie immer ohne Stadtplan – auf der inneren wie äußeren Peripherique vom klitschnassen Paris, die uns eine Extrarunde von 40 Minuten immer links rum einbrachte, all das lasse ich im Detail weg. Am Ende kamen wir in Düsseldorf an, es war drückend, und das Gewitter brachten wir gleich aus Belgien mit.

In der Wohnung Ameisen, mein Balkondschungel halb tot und eine Unlust auf Düsseldorf, die sich in Frankreich aber mal kräftig gewaschen hat. Katzenjammer und Fellchenfreude!
Das sehr dünn wirkende Leaderfellchen freut sich halb blöd, alles schnurrt und wir schweigen entzückt, gucken später zerknittert Fussball, essen trotzig labbriges Baguette, welches die Reise überlebt hat.
Morgen arbeiten, kein Laptop und eine fühlbare Wende vor der Tür, das wird heiter.

-fin-

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Mittwoch, 30. August 2006

reisenotizen, 15. seite.

Samstag, 24. Juni 06

Couhé – Amboise – Blois- Paris

Gewitter & Sonne, 33 °C


„Von Sightseeing und Flüssigwerdung“

Das morgendliche Aufwachen wird immer besser. Heute morgen ging das so:
Erst ein ohrenzerberstender Donner, so einer von der peitschenden Sorte, und dann im direkten Anschluss ein „Huch“ (ich) und ein „ACHDUSCHEISSE!“ (M.), alles aus einem Zelt, es war zehn vor sieben.
Vor dem Zelt Totenstille (die Kröten, welche mich und meinem Zeltkoller die ganze Nacht wachhielten mit ihrem herzigen Werbungsgegröhle, die hielten eingeschüchtert vom bevorstehenden Weltuntergang endlich mal den Rand!) und netterweise ein paar Angler auf der anderen Uferseite, also so drei Meter Luftlinie entfernt, die mein „ach, morgen früh strull ich einfach ins Dickicht“ direkt im Keim erstickten und zur Toilettenhauswanderung nötigten.
Was macht man zuerst, wenn die Welt untergeht? Genau. Ich rannte mit einer Zahnbürste und einem Handtuch bewaffnet Richtung Klo-und Waschhaus, und M. machte uns noch flott einen Instantkaffee, während er anfing, die Zelte abzubrechen (sorry, der musste sein!). Als ich nach knapp zwei Minuten (mal wieder persönliche Bestzeit geschafft) zurück rannte, konnte ich an den verdutzten Gesichtern aller englischen Camper locker ablesen, dass die mich für völlig verrückt hielten, immerhin rannte ich mit einer Zahnbürste Richtung Wildnis.
Und erst auf dem Rückweg sah ich die ganze bedrohliche Front über uns, und die war mächtig schwarz. Als gute Bloggerin dachte ich natürlich, noch schnell ein Photo, so viel Zeit muss sein, aber das bekam man nicht auf einen Chip, das musste man gesehen haben.


(Leider konnte auch Photoshop die unermessliche Dramatik des Himmels nicht erretten, man muss sich diese denken.)

Der Rest war eher so „Spiele ohne Grenzen“. Blitz wie Donner gaben sich quasi die Klinke in die Hand, wir stopften Auto bis es aus allen Ecken quoll, die Mimose Claude bekam noch eine Dusche ab und wurde als letztes, mit den Body-Boards ins Heck gewuchtet, und mit ein paar nassen Dingen waren wir um Punkt 7h20 fertig.
Abreise erst ab 8h00. Na ja.
Während wir im Waschhaus nasse Zeltböden mit Zewa trocken rubbelten, kam Betriebsamkeit auf. Es wurde gespült, verdaut, gelacht und geduscht. Ich dachte, ein bißchen Stil muss sein, auch auf einem Campingplatz, und holte meine Wimperntusche aus den unendlichen Weiten von Auto. Und während ich so im Rückspiegel gelassen vor mich hintuschte, hörte ich in der einen Sekunde noch direkt neben mir ein fröhliches „Good morning“ und gleich darauf ein lautes, dumpfes Glucksen, und zwar genau so eins, wie es ein Chemie-Klo macht, wenn es hurtig entleert wird. Direkt neben mir! Es folgte ein Marsch von Engländern mit Waschzeug, die noch eben schnell das Chemie-Klo unterm Arm hatten, gefolgt von einer Madame in einem Bademantel auf dem in Kursiv „Hot Dog“ stand. Die Kamera war leider unerreichbar, dafür hatte ich jetzt getunte Wimpern, die Nacht mit Zeltkoller sah man mir heute erst mal nicht mehr an.

Für den heutigen Rückreisetag nahmen wir uns die Schnellstrassen und die Loire vor. HERRLICH, sag ich da. Mit ein paar Tagen mehr Zeit sollte man da durch und in jede Höhle mit Tür sollte man da rein, Wein probieren der dort allerorts gepriesen wird. Bei einer Strassenanzeige von 41°kann man sich selber phantastisch in jeder dieser Höhlen vorstellen, an edlen Tropfen nippend und „Hmmmm, c’est bon!“ jubilierend.
Es sah so verdammt toll aus, und wir hatten keine Zeit mehr übrig. Na ja, dran vorbei ist besser als nie gesehen, gerechtigkeitshalber besichtigten wir dann gegen Mittag Amboise, assen wie mindestens ein ganzer Trupp Götter in einem oberschnuckelsuperhinterhof (tschulldigung) köstlichste Kreationen in vier Gängen, und eierten danach in Roségeneigter Haltung durch die schmalen wie heissen Gassen an den Herrensitzen vorbei. In einem Schloss war ich auf einer öffentlichen Toilette und dachte, dass die hier in Amboise entweder eine Menge Stil oder zu wenig Platz haben.


(Amboise. Was aß und strullte ich fürstlich in Dir!)

Nach einer kleinen Ewigkeit an Loire flatterten wir lecker schwitzig und auf Abenteuer eingestellt in die Pariser Peripherique ein. Und mir bleibt nur eins zu sagen: Wie wir das immer schaffen, Tante tatsächlich zu finden, ohne Stadtplan, nur mit dem ausgestrecktem Finger im Wind, das bleibt mir ein ewiges Rätsel, aber Glück scheint auch da eine gewichtige Rolle zu spielen.

Jetzt sitze ich wieder in dieser kleinen Strasse in diesem urbanen Viertel, auf der kleinen Treppe, wie schon vor etwas über zwei Wochen und kritzel Seite für Seite des Moleskine voll. Gleich soll es weiter gehen, rein ins Paris, St. Germain, vielleicht noch ein Friedhof oben drauf, gibts ja genug hier, und ich fühle mich bleiern. Aber warum aufhören, wenn man morgen schon wieder im doofen wie gewohnten Umfeld sitzt?
Die Fellchen, auf die freu ich mich, der Rest ließe sich mitnehmen, woanders lieb haben oder einladen.

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seefahrt | © Lu um 11:43h | keine meldung | meldung machen?

Dienstag, 29. August 2006

reisenotizen, 14. seite.

Freitag, 23. Juni 06

Aureilhan - Couhé

Sonne, 37 °C


„Adieu.“

Wacht man morgens auf, weil einem ein weiblicher Nashornkäfer quer über das Gesicht tapert und in unmittelbarer Nähe eine Horde Pferde laut schnaubend gallopieren, das alles noch in der feuchten Morgendämmerung, spätestens dann weiß realisiert man wieder, wo man die letzte Nacht verbacht hat: mitten auf dem Land.
Während ich Claude um seinen Kaffee brachte, und geschlagene 20 Minuten unter der Dusche brauchte, bis ich diesen Kater von gestern weggeduscht hatte, schlief M. unglaublicherweise bis elf am Vormittag. Ich ging zwischendurch jede halbe Stunde in unserem Zimmer mit einem kleinen Spiegel in die Knie (er musste auf dem Boden schlafen) an die Matratze, und sah nach, ob er wirklich noch atmete. (Bei dem Atem mit Restalkohol war der Spiegel hinterher blitzeblank, ganz ohne Chlor, aber das nur am Rande.) Landluft und Waldesruh, das haut jeden Städter aus den Socken. Hätte ich nicht wieder meine Antipathie gegen Federbetten schwer wie Wasserleichen entdeckt und dadurch bei der erstbesten Gelegenheit Bettflucht betrieben, inklusive Nashornkäferweibe, ich wäre auch bis Mittags in Tinkerbells Armen geblieben.

Und jetzt? Die Säckle sind wieder verschnürt, im Gepäck befinden sich noch zwei frisch erstandene und gar nicht so frisch miefende Stücke Ziegenkäse und ein von Claude frisch gehobener Mimosenbaum in XS-Format. Ist ja nicht so, als müssten wir die nächsten Stationen mit unkomplizierten Handgepäck reisen, nein. Wir nehmen lieber verderbliche, jetzt schon starken Geruch abgebende Lebsnmittel mit, zerbrechliche Flaschen mit gutem Wein UND eine Mimose, die den Namen nicht umsonst trägt. Claude, wie ich die Mimose nannte, guckt jetzt schon ganz sickig und hat alle Blätter pikiert eingerollt. Na gut.
Wir wir das alles durch drei Tage Hitze (heute 37°, man wird gegrillt, kaum setzt man einen Fuss in die Sonne) bekommen sollen, das erzähl ich dann nächste Woche, fürs erste bin ich jetzt mal gespannt, wo wir die kommende Nacht landen und schlafen werden.
Mo und der Menschen-Claude winken, bis wir die 500 Meter Einfahrt hinter uns gelassen haben, ich habe plötzlich was im Auge und schniefe ein ganzes Tempo voll.


(Couhé. Auf der Suche nach dem Campingplatz sagte die Frau, wir sollten ihrem Wagen folgen. Es war so einsam dort, das ich dachte, ich mache ein letztes Beweisphoto, wo die Profiler am Ende was zu knobeln haben, wenn sie unsere ausgekochten, angenagten Knochen und die Speicherkarte aus der sterilen Plastiktüte holen.)

Jetzt ist „heute Abend“. Ich sitze auf einem Stück Wiese, man könnte auch „Landzunge“ dazu sagen, neben mir zwei Arme stehendes Gewässer, es ist 21h00 und immer noch brütend warm.



Neben mir, im Wasser, zieht eine kleine Schlange ihre Kreise, ein Nutria beisst krachend in Algen und über Auto schweben seit Ankunft ungezählte aber grob geschätzte 500 Fliegen, schwarz und augemergelt. Das könnte eine lustige Nacht werden, denke ich da nur an die Kombination stehendes Gewässer und Stechfliegen. Oh, Kröten hats hier auch, irgendwer stimmt gerade die Meute aufs Konzert ein, und da, im Unterholz direkt hinter mir, da knackt und kracht es sehr laut, ich dreh mich aber jetzt nicht um, ICH NICHT.

Ich weiß nicht warum, aber wir haben uns nach schweisstreibender Fahrt tagsüber endlich auf diesem Campingplatz hier eingefunden, es ist relativ leer, und wir sind an die allerletzte Ecke gefahren, wo uns weder wer sieht, noch hört. Hielt ich vor einer Stunde noch für gemütlich UND logisch, jetzt frage ich mich, wo M. so verdammt lange bleibt, das Toilettenhäuschen ist doch nur knapp einen Kilometer entfernt, und was knackt da hinter mir eigentlich so Gänsehautprodizierend? Das Nudelwasser bröppelt auf dem Campinkocher, und ich denke an die Geschichten zurück, die jeder schon mal gehört hat. Deutsche auf französischen Campingplätzen bedroht, behauen, beschimpft, mit Teer und Würstchen überschüttet etc. und die Gegend durch die wir fuhren war geschichtlich arg belastet, was das angeht.

Egal, ich tue das, was eine Frau tun muss, ich mach jetzt eine phantastische Sauce und hoffe darauf, das M. tatsächlich den Weg in unsere Einöde wieder findet, ich will hier nicht für immer bleiben, ich leide doch unter Zeltkoller.



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