Mittwoch, 9. November 2005


Die Seele nährt sich von dem, woran sie sich freut.

(Aurelius Augustinus)


welten verrutscht.

ein kurzer moment, ein paar sekunden, vielleicht eine ganze minute, ich kann es nicht sagen. ich sass in der ubahn, legte irgendwann das buch auf meinen beinen ab und schaute voraus, in den dunklen schacht. positionslichter, schienenstränge, notausgänge, alles war bruchteile ein teil meiner gegenwart.
plötzlich hatte ich das gefühl, der film schwenkt auf sepia um. ein spürbares knacken in der luft, es roch anders, zwei männer stiegen ein und setzten sich neben mich, viel zu nah. sie wirkten wie aus einer anderen phantasie, die gesichter ein wenig zu lang, die körper zu krumm, die augen zu groß, ihre blicke zu durchdringend. der eine gab plötzlich laute von sich, formte wörter, die ich so nie hörte, während der andere stumm den mund aufriss, mehr nicht.

ich vergass, meine luft zu holen, dachte über den verbleib der farbe nach und wußte ansonsten nichts mit der situation anzufangen. meine wahrnehmung stellte auf notlicht.
da, die richtige haltestelle, früher als erwartet und ich sprang auf, raus, schnell, während die beiden männer mitten in der bewegung innehielten.
auf der rolltreppe ist die farbe wieder da, und mit ihr dinge, die dort in die sterile ubahn-welt nicht hineingehören. pflanzen. langwurzelige, grellgrüne dschungelpflanzen und wolken, mehr als ahnung .auf der fahrt nach oben streift mich eine art liane, und ich habe schon gar keine lust mehr, hoch am ziel anzukommen. nach der letzten stufe rolltreppe scheint alles wieder normal, die pflanzen sind weg, ich rieche das, was hier immer riecht, kalte asche und den bäcker mit seiner auslage.

mittags, innenstadt, die sonne scheint.
kein knacken, kein sepia. unsichere schritte, noch bestimmt fünf minuten.


teig und peitsche.

heute morgen war ich wortlos.
heute mittag versuchte ich, eine gutsitzendeneue lieblingsjeanshose zu erstehen.
ich kam ohne nach hause, an meinem körper lag es nicht.
jetzt bin ich jeans-und sprachlos. das einzige was mir für heute noch bleibt, ist diesen hefeteig, der an der heizung im badezimmer just das gehen erlernt, über den tisch zu strecken, ihn zu hauen und zu kneten, ihn zum treiben zu motivieren und wenn ich mit ihm fertig bin, dann kommt er in die hölle.

pizzagast am abend, man tut was man kann, auch ohne vieler worte und ohne hose.

( soundtrack zum teig : abra cadaver von the hives)


drüben, im hafen, koffeinrausch und morgengeschrei, wie eine maulige möwe.

aaahmenno, ich will nach hamburg, ich will auch mit nem plastikbecher kaffee im hafen zwischen trilliarden von anderen menschen stehen und mir diesen großen bottich angucken, und ich will mein zwerchfell schnalzen hören, wenn das horn über die elbe schallt.
statt dessen sitz ich ratlos am rechner, kriege die wörter nicht beisammen, die ich grad eben brauche und sehe zu, wie der baum neben mir nackich wird.
ich will auch sein wie die anderen kinder, im tiefsten grunde meines herzens bin ich schiffstouristin ! so, jetzt ists raus.

* dreht sich schmollend weg und guckt weiter NDR aktuell, wo ein kapitän vom hanseatischen kaiserwetter und schnellem docken schwärmt und die queen mary2 aus allen perspektiven gezeigt wird*


Dienstag, 8. November 2005

andere welten.

geh! geh endlich über diese scheiss strasse, um die scheiss ecke, und raus aus meinem scheiss leben, du scheissigstes arschloch aller scheiss zeiten rief sie, und ihre augen fingen ein bißchen an zu glänzen.
jetzt hat sie oberwasser, dachte ich für mich, und antwortete mir, die arme, gleich heult sie los, wenn er erst um die ecke ist.
er bog um die ecke, drehte sich genau kein einziges mal um, und ihre schultern fingen an zu zucken, während sich träne eins aus der verankerung riss.
weg! dieses scheiss arschloch ist einfach weg! rief sie in meine richtung, scheinbar empört, aber eher zu sich selbst.
handtasche auf, handysuche, zitternde finger und eine bebende unterlippe.
mein auftritt, ich griff ein.
sie rufen den da jetzt aber nicht an, oder ?
klar. der kann sich doch nicht einfach so aus dem staub machen, dieser riesen arsch.
er sollte doch …
klar, und wenn jemand sagt, spring von der brücke, dann soll der das auch, oder wie ? soll ich ihnen mal was stecken?
bitte.
der hat mich die letzten zehn jahre nur beschissen, nur. mit meiner schwester hat er es getrieben, während ich mit unserem hasen beim tierarzt gesessen bin. mit meiner besten freundin hat er mich betrogen, während ich arbeiten war, meine möbel hat er verschlissen und auf den hamster von justin hat er sich auch fast gesetzt. er schnarcht laut, er bumst miserabel, er vergisst alles und seine mutter ist die hölle. aber trotzdem … ich kenn es nur mit ihm, was soll ich denn jetzt machen ?
lassen sie um gottes willen ihr handy stecken.


Montag, 7. November 2005


lieber morgen, hallo nachmittag, du guter abend.

lasst mich in ruh'.

danke und mfg,

eure lu


Samstag, 5. November 2005

handwerk.



( weiter in den kommentaren ... )


Freitag, 4. November 2005

brauner kaffee auf.

beim nachrichtenzappen nach sieben auf phoenix hängen geblieben.
"nebenan der braune sumpf".
eine demonstration, ein paar glatzen, armbinden mit h-kreuz und als demomusike läuft "gekommen um zu bleiben" von wir sind helden.
oupsi, dachte ich, da hat wohl einer im eifer des gefechts das falsche tape eingelegt. von wegen.
der neueste trend in klein naziland, lerne ich beim weitergucken, geht innovative wege, die jugend will neu angesprochen werden, die ausgelatschen pfade (o-ton) verlangen nach neuen stiefeln.
so locken die sittsamen mit akkuratem scheitel mit frischen winden und gleichheitsparolen, im sinne von "guck mal ratloser jugendlicher, ich bin nazi, aber trage trotzdem einen iro oder lange haare, finde fidel castro und den che total toll, und kann george bush nicht ab. ich bin wie du, und die moschee hier in duisburg, die willst du doch eigentlich auch nicht, oder ?"

am rande der demos die ungläubig dreinschauende anti-fa, man kann rechts von links optisch nur dadurch unterscheiden, wo die polizei steht und abschirmt. und als i-tüpfelchen dröhnen aus den nationalen lautsprechern ton, steine scherben. und ich weiß, wer sich fluchend im grab umdreht.

es geht um die drahtzieher, um den aktivismus im pott. duisburg, köln, dortmund. axel reitz, der in eigenen kreisen der "hitler von köln" genannt wird, gibt sich souverän, busy und ordentlich. seine wohnung ist aufgeräumt, er sitzt am pc und telefoniert mit seinen anwälten. nazi-literatur und bunte bettwäsche.
bei seinen schärfsten aussagen schließtaxel reitz immer die augen, und in meinem glas wird der kaffee kalt. volksverderben, nationale sicherheit, bla. immer hat er die augen zu. was er beruflich machen würde, fragt der filmer.
er sei arbeitslos, aber nicht beschäftigungslos. wieder geschlossene augen. ist ihm das peinlich, dieses arbeitslos, im direkten angesicht zu seinem gipsbild von adolf ?
autonome nationalisten.
und am rand vereinzelt die eltern der demonstrierenden. einem vater gehen die gäule durch, er schreit seinem in der masse versinkenden sohn "du feiges schwein" entgegen.

( wird heute um 14 uhr wiederholt )


Donnerstag, 3. November 2005



netz-welt | © Lu um 10:06h | keine meldung | meldung machen?


vor ein paar wochen dann plötzlich jürgen vogel im radio, er wär jetzt mit ner band unterwegs, und ich sagte, das wär ja jetzt grad voll hip, so unter schauspielern. die jungs gehen in bands, und die frauen machen einen auf autorInnen mit brille und bringen den winter mit lesungen um.
dann lief baby melancholie, und ich kullerte mit den augen, und sagte, das da nicht genug text wäre, und komm doch mal auf den punkt, und scheiß jammerlala sagte ich glaube ich auch noch.

heute, ein paar wochen älter, da hab ich mich ein bißchen an hansen gewöhnt, auch wenn ich den film noch nicht gesehen habe, und vielleicht eben weil ich so gern lieder in deutsch höre.
trotzdem. kaum läuft hansen, denk ich immer "mach doch mal schneller!" so wie man früher am plattenspieler den hebel von 33 auf 45 umlegte, und ac/dc zu den schlümpfen wurden.


Mittwoch, 2. November 2005

gestern.



allerheiligen.

feiertage sind zum feiern da, also legte ich mich direkt wieder ins bett, vollverkabelt, blickte mitten rein, in den quittengelb verfärbten baum vor meinem fenster und liess beide mundwinkel hängen.

niedergeschlagen, woher kommt dieses wort ? die letzten tage bin ich wieder ganz vaters tochter, die sich den bunten herbst anguckt und es ungerecht findet, dass er die blätter jetzt obenauf liegen hat. ich habe vergessen, ihm einen stein aus hamburg mitzubringen, und das starke wollen, gleich jetzt auf den friedhof zu fahren.
aber es würde wie immer sein, ich stehe, er liegt, ich fasse den kalten stein an, weiß nicht weiter, drücke beide augen zu vor all den bildern, und fahre wieder, mit einem sturm im bauch. ich kann ihn nicht mitnehmen, er liegt jetzt für lange dort.

draussen ist alles bunt. vorgestern fuhr ich leicht bekleidet zur arbeit, und das knapp vor november. ausgehöhlte kürbisse in offenen fenstern, kinder, die sich plastikspinnen bei kodi kaufen und jungs mit skateboards im bus, misfits mützen, und mit edding korn auf die bundeswehr-taschen gemalt. sie wollen abends gripschen gehen und wissen nicht, woher das kunstblut kommen könnte. ich sitze in einer luftblase, schaue allen zu und fühle mich stumm dabei. schwammtage. aufsaugen, umdenken, wegschreiben, verwerfen und wieder aufgreifen. jedes leben ist auf seine weise spannend, jeder mensch hat gründe und alle haben einen, etwas zu sagen, was auch immer das ist.

noch ein paar stürmische stunden mehr, und der baum vor meinem fenster wird nackt dastehen, alles quittengelbe auf der strasse. alles ist so offensichtlich vergänglich, vielleicht ist genau das ja so schmerzhaft. ein neues trauertal tut sich gähnend vor mir auf auf, alles geht seinen gang, aber weh tuts trotzdem.
mein vater ist eine erinnerung und ein lebendiger schmerz im bauch. er rumort, vielleicht sollte ich mich genau daran gewöhnen. ich kann ihn nicht mehr anrufen, aber meine region rund um den bauchnabel wackelt, wenn er sich meldet.

musik, die an mir frisst. nasse taschentücher. blicke in die bäume, dinge suchen, die ich vergessen hatte.

ich, ein einziger ton, summend und leise, schreiend laut.

logbuch | © Lu um 14:07h | keine meldung | meldung machen?

hanseatengeschenke.