Sonntag, 23. April 2006

Sonntage, mit Gedanken härter als Montage, oder wie ich die Lu-Talsperre erfand.

Ich weiß ja nicht, was andere heute so machen, aber ich für meinen Teil quäle mich. Nicht ungewohnt, so Zeiten hat man, aber dann doch mit Unterbrechungen kann ich einen Kopf wie eine Talsperre mein Eigen nennen.
Sind Gedanken und Ideen das Wasser, ist der Alltag mit seinen stupiden Anforderungen (für Wasser und Brot) der Staudamm, und je höher da die Liste der Unfreiwilligkeiten, um so gestauter alles hinter dem Damm.
Das nervt, drückt, hindert, das ist wie für andere Kopfweh. Würde meine ganz eigene Kopftalsperre mal von wem gezeichnet werden, sähe das für den 24.april Anno 2006 aus, wie kurz vor einer Naturkatastrophe bei der keiner überlebt, noch nicht mal ich, und ich bin in meinem Kopf ja Gott, also jetzt mal übertragen gesehen.
Das Wasser setzt sich zusammen aus Ideen jüngster Vergangenheit (Moleskine und Post-it), Emodings und dringend abzulieferndes Output aus der Gegenwart ( Ablage rechts Traumstoff und links Hirnkammer) und Pläne wie Überlebensstrategien für die Zukunft ( … ). Soweit, so hoch. Diese drei Sparten drücken also akut an meinen Damm der langsam löchrig wird. Hier und dort süppelt es durch, und eine Pfütze mit Fragmenten sammelt sich am Dorfrand zu einem kleinen Weiher in dem Enten schwimmen und Fische dümpeln.
Täglich kommt diese Dorfbewohnerin (Mutter) und überdüngt mich meinen Weiher mit altem Brot (Telefonat), während ich versuche die Sperre dicht zu halten, um nicht das Dorf zu fluten.

Passend dazu fuhren wir also heute ins Bergische, um an einer Talsperre richtig idyllisch zu picknicken. Know your enemies, und ich dachte, Lu, guck dir doch mal an, wie die Natur das so macht, schließlich orientieren sich Ingenieure an Vögeln und militärische Strategen an Ameisen. Guck ICH mir halt erneut eine Talsperre beim Zurückhalten an.
Die A1 schön voll mit Sonntagsfahrern, das Bergische Land voll mit Motorradfahrern, ich voll mit Kopfweh und im Kofferraum warmer Schafskäsesalat und Bionade. Kann da noch was schief gehen?

Kann, und wenn man seine hauseigenen Götter um einen Weg, eine Idee oder eine Erklärung bittet, kommt die Antwort ja prompt, man muss sie nur zu deuten wissen. Bei mir kommt die Erklärung genau genommen jetzt, quasi live beim schreiben (mein Gott, jetzt hat sie's), die Antwort sah nämlich so aus: 42

Das erste was ich von der Bevertalsperre sah, war ein zu hoher Wasserspiegel, weil Bäume wie Büsche wirkten und oben aus dem Wasser rausguckten. Kann ich jetzt nachvollziehen, bei mir im Kopf ist ja auch Hochwasser, und was ragt da oben raus aus dem Sumpf? Baumspitzen mit Anleitung für die fünf Wochentage. Aber die Stämme, die das alles halten, die sind unter Wasser, unsichtbar, haben Pause. Weiß der Geier, was die da unten so treiben, aber sicher ist es ruhiger wie oben. Wir fuhren und fuhren auf Strassen mit extremer Steigung, kein Lebewesen kam uns entgegen, manche Ortsschilder zeigten nur ein einziges Haus an, und die Wege wurden immer abweisender, überall Schilder, dass sich hier eh keiner kümmert, und im Winter erst Recht nicht. Man hatte das Gefühl, man kehre besser um und fahre schnell nach Hause.
„Lass uns umkehren und schnell nach Hause fahren“ sagte M. genau in diesem Moment und auf der Suche nach dem Rückweg sagte er auch, es sähe so aus, als wenn die gar keine Gäste wollen würden, man sähe keine ausgezeichneten Wanderwege, keine Informationstafeln mit Umgebungskarte, man kann kaum legal parken und kommt einem jemand entgegen, wird man durchdringend angestarrt.

Setze ich all das für mich als Erklärung um, sollte ich also ungastlicher werden, keine Parkmöglichkeiten für Durchreisende und Picknicker bieten? Ausserdem scheint Kaffee und warme Waffeln auch eine zentrale Rolle zu spielen, die ich noch eine Weile unentschlüsselt drehen und wenden muss, bis ich diese gültig entschlüsselt habe.

Den Salat aßen wir übrigens in der Sonne am heimischen Rheinufer, den Stau im Kopf halte ich mir weiterhin vor Augen, und das nächste Opferobst schenke ich den Göttern der Einsicht und der Durchführung, auf dass ich mein Dorf vor der totalen Überflutung retten kann, und auch die Frau mit dem Brot endlich mal das Schild sieht und versteht, auf dem die Ente mit den Füssen zum Himmel zeigt und zwei Kreuze statt Augen besitzt.