Samstag, 10. März 2007


Ein sonniger Samstag. Der Flohmarkt streckt sich lautlos zur Seite aus, die Verkäufer schenken Kaffee nach, die Frau vom Tierbedarf läßt sich die Hand pendeln, lacht laut auf, schlägt sich beide Hände vor das Gesicht. Vielleicht wurden ihr Zwillinge zugesichert, in diesem Frühling, während im Toilettenwagen feucht gefeudelt wird.

Tand und Tinnef, zwei mal die Mutter Gottes, einmal mit Kind, einmal mit Lippenstift. Dan der ganze Kellergeruch und vor allem eins, die Jazz-Combo. Sie baut auf, isst Brötchen, baut auf, trinkt Tee. Alles Herren, die meisten in Cord, viel grau in den Bärten, viel Toskana gesehen, unter Umständen gemeinsam, dann trugen die Frauen sicher viel Wickelkleid und Leinen. Sie sehen nett und zufrieden aus, auf eine angenehm alte Weise souverän, wie sie ihre Brötchen essen und durch den Teedampf einfach so still sind.

Überall wird es unruhig, die Menschen schieben, die Plastiktüten knistern dazwischen, Hunde husten und der Dönerstand flutet die umliegenden Quadratmeter mit Grillaromen. Die Combo hält ganz kurz inne, atmet Aroma ein, baut weiter auf, atmet Aroma aus, fängt an. Pfeiffen im Aschenbecher. Zwischen all den Menschen, der frühtäglichen Betriebsamkeit, der Gier auf die günstige Gelegenheit, der Lust am Objekt, zwischen all dem sitze ich ganz betriebslos, halte gänzlich inne, und denke an die Zeiten davor.
Ich habe Lust, den ganz Stillen einen Besuch abzustatten, wüßte ich, wo ich allesamt finde. Einen Apfel möchte ich in den harten Boden drücken, einen süßen, saftigen in blendendem Grün.
Trotz all dem, kein Leben würde zurück kehren, kein Bein sich rühren, da kann keine Frucht eine Abhilfe sein, oder ein Bote des Frühlings. Hier der Trubel, ein paar Meter weiter unten die ewige Ruhe, möchte man daran glauben.
Die Äpfel kosten drei Euro die große Tüte, so viele Tote kenne ich nun auch wieder nicht.

Die Herren tauchen ein in ihre vergangenen Jahre, machen vielleicht genau die Gesichter, die sie früher bei anderen Herren so passend fanden. Vielleicht sind es auch ihre eigenen, in der Toskana erprobt, von Frauen in Leinen für gut befunden,
alles beibehalten, und jetzt das Saxophon.

Ein Baby wippt mit dem Fuss, mehr sieht man nicht im Wagen, und da schließt sich in meinem Kopf ein Kreis.
Ich lasse die Äpfel links liegen, zwinkere der Madonna mit dem Kinde zu und mache im Toilettenhaus genau die Türe auf, hinter der eine Frau laut ‚Tür zu doo’ rufen kann. Natürlich.

Später beim Bauern. Frische Buttermilch mit Beeren, frische Dinkelbrötchen mit einer Wurst, überhaupt ist alles frisch, selbst der Mist dampft produktionsfrisch der Sonne entgegen.
Mein abschließender Gedanke bei der Neige der Buttermilch:
Alles ist so vergänglich, besser schnell austrinken.
Mehr Tiefsinn ist an einem der ersten Frühlingstage echt nicht gefragt.

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