Montag, 13. Februar 2006


Ein Hauch von Frühling, der lag heut über allem.

( Und wer den Mond hat aufschnellen sehn', der ist wie ich jetzt gründlichst verhext. Gi/gan/tisch! Aber wem sag ichs.)


m. wie männer

12:45 p.m. - Tauschgeschäfte am Telefon

er so: "Wenn du nen Ring bekommst, krieg ich n Kind."

20:03 p.m. - Körbe wie Fehlermeldungen

er auf leicht angesäuselten balzspruch meinerseits :

"Dafür hab ich jetzt keinen Verwendungszweck."

( Rubrik: Sprüche, die mein PC als Fehlermeldung nützen könnt'. )

latrinen-talk | © Lu um 21:06h | keine meldung | meldung machen?

lektionen in u & j

Zwei Jungs zwischen zehn und elf Jahren sitzen im Bus in der letzten Reihe. Der eine, ich nenne ihn mal den Prahler, hämmert permanent mit der rechten Faust gegen die Scheibe zu seiner linken.Während er das tut prahlt er in einem durch, nur zwischendurch schnappt er nach Luft. Die ganze Schule, bis auf ein paar Fraggles, sagt er, sei mit ihm befreundet, alle fänden ihn total geil, und neulich, da in Wersten, da hätte er mit der Faust eine ganze Scheibe eingeschlagen, so Bamm!, so Baff! und Bamm!, weißte ? rief er dem zweiten, ich nenne ihn mal den Anhänger, so laut zu, dass es der ganze Bus hören konnte. Ich vor allem, ich sass nämlich genau vor den beiden, und genau vor dem Anhänger, der statt mit der Faust gegen die Scheibe zu schlagen mit dem Fuss vor den Sitzrücken trat, rhythmisch und stumpf.
Ich dachte an die neue TAG-Tat der zwei Allergeilsten, und das so eine kurze Busfahrt zum Marktplatz sogar Potential enthalten könnte, als der Bus eine Haltestelle anfuhr und genau neben dem Berber zu stehen kam, der da immer sitzt und trübselig guckt. Ich finde, er hat da jeglichen Grund zu, ich würde ebenso trübselig gucken, müsste ich den ganzen kalten Tag neben der Filiale einer Commerzbank sitzen, aber das war in der Sekunde egal, weil die beiden Monster in Label-Wear hatten den Berber entdeckt und kläfften direkt los.
„Ey, da sitzt Dein Vatter, Alter.“ der Prahler.
„Neee, Dein Vatter, ey.“ kommt es direkt vom Anhänger.
usw.
Die beiden johlen, toben, hämmern gegen die Scheibe, und der Berber guckte noch etwas trübseliger und in alle anderen Richtungen, nur um Ruhe zu haben. Die beiden gaben noch mehr Gas, riefen was von „geh arbeiten“ und als ich mir gerade überlegte, ob ich Bock auf Kleinkrieg mit Pubertätsmonstern hätte, rief der Prahler „bei Hitler wär der …“
Weiter kam der dann nicht, weil ich mich umdrehte und ihn mit einem „Sag mal, bringen eure Eltern euch eigentlich nur noch Scheiße bei?“ aus dem Konzept brachte, was er sicherlich auch ein bißchen von seinem Vater kopiert hatte, aber auf so Feinheiten konnte ich jetzt keine Rücksicht nehmen, ich musste die nächste raus und hatte jetzt Ärger am Hintern.
„Ey …“ kams vom Anhänger, der heischend zum Prahler rübersah.
„Ey, was wills DU denn?“
Du, Du, wenn ich das schön höre. Ich hab in dem Alter noch jeden gesiezt, der ab zwei Centimeter größer war als ich, immerhin. Oder wenigstens.
Ich hatte schlimmeres erwartet, so die klassische Schimpftirade mit allen knackigen Buzzwords, welche die Lütten dank intakter Familienzwiste so drauf haben. Statt dessen mangelhafter Satzbau und Türken-Deutsch, also 3er-BMW-Türken-Deutsch mit HipHop-Singsang, mit einem kleinen Haken, und das fand ich das Delikate :
die beiden waren klein, blond und blauäugig. Soll heißen, die sprechen jetzt auch so, das setzt sich als Trend durch, das ist Bushido-Sprech.
Egal, wir pflaumten uns noch ein bißchen an, der Prahler musste zu seinem Leidwesen an der selben Haltestelle raus wie ich, und was stand dort ? Sein Papa. Mit Listenhund, Knastträne und der kleinen Schwester, die trotz höchstens vier Lebensjahre schon einen echt prolligen Nasenhochzieher drauf hatte. Ich tat noch so, als ginge ich Richtung Papa, damit der Prahler ein paar Sekunden in Ungewissheit strauchelte, und drehte dann ab Richtung Post-Filiale.

Vor mir in der Schlange ein Junger Mann mit DJ-Ötzi Look. Kaum stand ich hinter ihm, roch er irgendeine Art von Lunte und sog ganz viel Luft ein, so dass er sein Volumen quasi verdoppelte. Aus DJ-Ötzi wurde Superötzi, und ich biss mir auf die Zunge.
„Ey, dauert lange, nä?“ sprach es mich an.
„Kommt drauf an, wie lange man noch so hat.“ ich zurück. Dabei kniff ich die Augen etwas komisch zusammen, zwei mal
um genau zu sein, und danach hatte ich Ruhe und er wieder seinen normalen Umfang. Die Einfachen sind einfach in die Flucht zu schlagen.
Als ich und mein DIN-A-4 Umschlag endlich dran waren, meinte die Postfachangestellte „Viereurofuffzich“ und dippte schon die Briefmarke in Wasser. Ich so „Wie Bitte? Das ist doch kein Paket, das ist eine Zeitung, und die geht nach Frankreich.“ Sie, erhaben und angriffslustig „Eben. Un nach Frankreisch is eben teua.“
„Da kann ich ja fast selber zum Atlantik und das persönlich …“ denke ich eher laut, und sie, noch während ich raus gehe „Dat will ich dann aba sehn, Sie, für viereurofuzzich nach Frankreich.“

Zwei Minuten später, meine Viereurofuffzich landeten sicher grad im Container bei den anderen Eurogräbern, die von hier ins wirklich weit weit ferne Frankreich reisen, stehe ich am Geflügelstand des Elleraner Marktplatzes.
Ich hatte noch genau sechs Minuten, bis der Bus zurück kam. Sechs. Und dem Leaderfellchen das Versprechen und die Aussicht auf eine frische Putenunterkeule ins fellige Ohr gehaucht, neulich beim Tierarzt ( was ich an anderer Stelle unter „Kastrationsrache“ noch einmal festhalten möchte ), und so ein Katzenhirn vergisst nichts, was mit Futter zu tun hat. Fünf Minuten. Der knpp 120-jährige nette Herr neben mir empört sich über die komischen Preise, die Verkäuferin starrt es stoisch aus, die Hände in die mit einer blutverschmieren Plastikschürze umhüllten Hüfte gestemmt.
„Dann nehm se halt die Flügel!“ blafft sie ihn an, und mir tut er leid, die Portemonnaies sind nun mal leer, und ganz sicher hat bis neulich noch seine Frau für ihn Entscheidung und Kochen abgenommen. Ich rücke näher und lächel ihn frisch an. „Hmmm“ sag ich, „mit so Flügelchen, da hat man ja auch viel mehr zu knabbern, die werden doch immer so schön knusprig.“
Kurze Stille, sein Kopf dreht sich zu mir und dann sagt er „Wie komm sie mir denn jetz?“
Ich dezent fassungslos. Ich kann immer gut mit den älteren und grad was Opis angeht, aber er scheint die Ausnahme zu
sein und er funkelt mich an. „Ich mein ja nur“ schwächel ich nach. Noch vier Minuten. Die Verkäuferin lacht.
Als ich gerade den Mund öffne um meinen Wunsch vorsichtig - das hier schien ja Kriegsland zu sein - und präzise zu äussern, da huscht von rechts der nächste Greis heran und ruft laut und deutlich „Sechs, sechs!“
Die Verkäuferin läßt mich mit einem „Momentchen“ stehen und zählt ihm sechs Eier ab, worauf er selig lächelt ihr vertraut ein paar Münzen in die Hand drückt.
Ich spiele derweil mit meiner geplatzten Hutschnur und schmolle.
Zwei Minuten und ein paar zerquetschte. „Was darfs denn sein?“ Ich schaue mich um, ob nicht noch irgendein Rentner mit gezückter Gehhilfe hinter mir steht, um mir eins überzubraten, aber es herrscht gähnende Leere.
„Ich hätt gern die Putenunterkeule für n Euro, bitte.“
„Eine?“
„Ja, bitte.“
„Wir ham auch Oberkeule.“
„Nein, ich möchte nur die Unterkeule, die reicht, ich koch die für meine Katzen aus.“
Könnte man messen, wie plötzlich Stimmung umschlagen kann, dann wäre das gefühlt von Herbst auf Eiszeit gewesen. Degradiere ich ihr Super-Landgeflügel zu Katzenfutter ab, na hörnsemal. Den Blick an mir vorbei gerichtet legt sie mir die Keule hin, ich schob verdutzt den Euro rüber, nahm meine Tüte und rannte los, weg von diesem Ort, der nach ganz anderen Gesetzen funktioniert als meine normale Welt.

Später am Abend dann, ich sitze wieder im Bus, wir kommen in mein Viertel. Zur Erklärung-
Hier in Düsseldorf funktioniert das mit dem Busfahren so: Man hat vorne beim Fahrer einzusteigen und sein Ticket zu zeigen, sonst geht nichts. Oft sieht man junge Mütter hinten ihren Kinderwagen reinbrasseln um dann rasant und hektisch nach vorne zu laufen, das Ticket schon zwischen den Zähnen, nur um nicht vom Fahrer via Lautsprecher durch den ganzen Bus angeblafft zu werden, wo bitte die Mitfahrerlaubnis sei. Das am Rande.
Der Bus hält also hier am Dreh-und Angelpunkt unseres kleinen, sozialen Brennpunktes. Ich sehe, wie der Fahrer kurz mit einem Jungen diskutiert, dieser dann rausgeht und beim Abfahren des Busses tobt und gegen die Haltestelle tritt.
Kurz darauf muss ich aussteigen, und gehe nach vorne zum Fahrer, irgendwie wurmte mich das mit dem Jungen.
Ich sage leicht scheinheilig „Was war denn mit dem Bengel eben los? Der war ja ganz schön sauer.“
„Der hatte zehn Cent zu wenig. Der musste draussen bleiben.“
„Wegen zehn Cent?“ Jetzt wurde ICH sauer.
„Ja, wir sind doch hier nicht bei Wünsch-Dir-Was. Da könnte ja jeder einfach so mitfahren und sich nen Preis ausdenken.“
„Guter Mann, da draussen ist es stockenfinster, wir haben halb acht am Abend und das ist nicht grad ne Gegend, wo man kleine Jungs stehen läßt, oder?“
„Was mischen Sie sich da eigentlich ein? Ich tu hier nur meinen Job.“

Das war ein würdiger Abschluss für diesen verqueren Tag, und ich dachte an die neue TAG-Tat der zwei Allergeilsten, und das so eine kurze Busfahrt sogar Potential enthalten könnte ...