Montag, 27. Dezember 2004

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"reporter's log" der BBC.

via blogbar

netz-welt | © Lu um 13:15h | keine meldung | meldung machen?

weihnachten, oder lu against the feiertage.

was tut man nicht alles für die liebe familie ? genau. alles.
und ich hätte nicht am 24.12. in einem prall gefüllten IC gen allgäu-oberstdorf gesessen, hätte ich nicht eltern, die vor jahren zu stadtflüchtigen wurden und sich samt couchecke am arsch der welt niedergelassen hätten. mit garten am waldrand.

ich sass entgegen der fahrtrichung im zug, konnte noch nicht einmal den düsseldorfer adventskalender sehen, dafür aber viele norwegerpullover und moonboots in rosa. die welt fährt in skiurlaub und ich stecke mittendrin auf platz 52 fest.
zugfahrten finde ich in der regel ja immer toll, weil sie ein wenig nach melancholie schmecken mit einer gewaltigen würze aus freude und reiselust. und da ich das knallrote herz einer vagabundin habe, kann ich selbst dem oberstdorfbomber noch einen centiliter abgewinnen.

das klanggerüst in zügen setzt sich immer neu zusammen. nehme ich meinen abreisepunkt a, nämlich düsseldorf und fahre zB mit dem ICE morgens richtung süden, über frankfurt nach stuttgart, dann ist der soundtrack dazu immer eine business-mischung aus windows.wavs und klingeltönen aus dem diskret-bereich, oder old-phone für den verspielten im hugo boss format.
fahre ich von punkt a hoch in den norden, dann sind weitaus mehr studenten, die noch die alte nokia-kollektion besitzen und ebenso die alten mono-klingeltöne. auch das e+ düddeltüt ende 90er hört man auf dieser strecke noch ab und an leise aus speckigen ledertaschen rufen. hohe studentenrate, keine thinkpads, dafür kant und comics.
und fahre ich von punkt a in den hunsrück, dann setzt sich das klanggewitter aus sämtlichen klingeltönen zusammen, die gegeneinander antreten, wie auch statisch knisternde polyesterpollunder und butterbrottüten. es werden zügig bild-zeitungen auseinandergeklappt und dabei mandarinen geschält, und ich sehe harald schmidts haariges outfit säurespritzer abbekommen. neben mir sitzt -wie immer- eine frau um die 65, die einen knallharten wie verläßlichen reiseablauf hat und dafür für alle ihres schlages steht.
erst schmeissen sie sich mit einem erleichterten „naendlichkannichsitzenichdachteschonichbekämegleicheineninfarktwennichnicht…“
in ihren reservierten sitz, und das nicht, ohne fünf mal ihren blick von der platzreservierung und dem RES-schild hin und her springen zu lassen. Kaum sitzen sie sicher, haben sie alle menschen in ihrem direkten radius über ihre momentane verfassung sowie über ihren gesundheitsstand in kenntnis gesetzt, kündigen dann lächelnd ein nickerchen an, welches nun aber auch wirklich nötig wäre, weil reisen ist ja so anstrengend und wenn der zug sich dann in bewegung setzt, machen sie zeitgleich die augen zu.
für ungefähr vier minuten, dann reissen sie behende ihre tasche, die sicherheitshalber zwischen den füssen geparkt wurde, auf und ein ganz eigenes spiel nimmt seinen lauf. man hat also gerade um die fünfzehn km zurückgelegt, der zugführer gibt noch gummi, da wird im abteil zuerst einmal der reisproviant gecheckt. umständlich werden butterbrottüten geöffnet, prüfende blicke auf den zustand der wurst geworfen, dann wird das obst nach kitschen untersucht, ein schluck wasser in das reisetässchen geschüttet und dann geht alles retour in die dunklen weiten der tasche.prüfender blick auf die mitreisenden, dann wird die tasche erneut in die mangel genommen. die zeitung und ein mandarinchen kommen zum vorschein, und während die zeitung über die sitznachbarin ( in dem fall hatte ich das vergnügen ) drapiert wird, liest man laut die überschriften, wird auf feedback gewartet und das mandarinchen geschält. und so kam harald schmidt einen tag nach seinem autritt nach seiner jahrespause zu säuregarnierungen auf seinem neuen rowohlt-outfit.

aber auch diese zugfahrt nimmt ein ende, und damit beginnt etwas neues. In meinem fall : familienbesuch.
ich lasse an dieser stelle fast alles aus, weil es nichts neues ist und fast allen ähnlich ergangen sein wird. vielleicht sollte ich erwähnen, dem gesamtbild zur liebe, dass ich an heiligabend keine einzige sekunde fernsehen konnte ( nein, auch nicht sissi ), da ich meinen eltern den PC ( hat eigentlich noch irgendwer windows 95 am rennen ?) bis nachts um eins internettauglich gemacht habe, dass ich am ersten feiertag den üblichen polit-streit mit vattern austauschte, der in etwa so geht :
(…)
Lu: „DAS SIND FASCHOSPRÜCHE, weißt du das eigentlich ?“
Pa: „quatsch, da würd ich ne BOMBE würd ich da.mit mir täten die das nicht, ich würd eine bombe aufs ganze …“
Ma: „schluss jetzt, streitet euch doch nicht an weihnachten, will noch jemand saft ?“
Lu: „das glaub ich nicht, das ist hirnrissig, das kannst du doch nicht als lösung …“
Pa: „eine BOMBE würd ich, da würden die aber dumm gucken, würden die ! so.“
Lu: „dann wärst du ja auch TERRORIST ! so.“
Ma: „ich geh mal den saft holen.“
Lu: >> -- <<
Pa: >> -- <<

- und dieses kaff sicherlich der einzige ort auf dieser erde ist, wo ich kein netz habe.
„nur notruf möglich“ blinkt mich meine handy-zicke an, und ich höre den schwefelkerl lachen, während ich alle ecken der wohnung bis auf dem balkon nach sendebalken abchecke.

nachts liege ich in fremden laken, die sonst warm gefüllte seite ist leer, und ich träume wirr in dieser vor-vollmondnacht. ich laufe mit einem 28.8 modem durch prag, kann mich an keine haltestelle und deren namen erinnern, bin plötzlich einen traum weiter und habe einen bürtzel und soll geschlachtet werden, und mit äpfeln und backpflaumen gefüllt pro kilo eine stunde in den bräter.
eine weihnachtsgeschichte, in diesem fall meine eigene.