Mittwoch, 11. Mai 2005

durchbrennerbuch.

(...) Um die Zeit war das Haus- und Wohnungsdrama ungefähr auf dem Höhepunkt angelangt, und wahrscheinlich, so dachte ich in der Nacht da draußen, waren wir überhaupt nur durchgebrannt und dann hier gestrandet, um es irgendwie zu ende zu bringen, was weder in Nadans Haus noch in meiner Wohnung zu schaffen war, weil Nadan meine Wohnung nicht betreten konnte, ohne auf der Stelle von Migräne überfallen zu werden, während ich, sobald ich in Nadans Haus neben Nadan lag nichts tun konnte, als auf eine Pause im Husten zu warten um mich dann sofort nach Hause zu fahren. Im Auto sagte ich manchmal : Gib zu, du hast jede Menge Holzschutzmittel in dein Haus eingebaut, und Nadan sagte : Keinen einzigen Tropfen, ich schwöre, auch wenn du mir nicht glaubst; und ich glaubte es nicht, obwohl ich natürlich wußte, daß ich mich mein Leben lang in holzschutzmittelgetränkten Gebäuden aufhielt, ohne auch nur ein bißchen husten zu müssen, und daß es also ganz sicher nicht daran lag.
Wenn ich an Nadans Haus dachte, fiel mir immer der weiße Papagei ein.
Wenn Nadan meine Wohnung betrat, sagte er meistens: Ich verstehe nicht, wie du so leben kannst, und immer konnten wir über das „Wie“ und das „So“ nicht sprechen, weil Nadan von dieser Wohnung oder dem PVC-Fußbodenbelag darin oder von meinem Rotwein Migräne bekam, und in dieser Nacht war mir, als würden wir morgen über das „Wie“ und „So“ sprechen und natürlich von vornherein wissen, daß es kein gemeinsames „Wie“ und „So“ geben konnte, wo schon Nadans Elefanten-Krawatte und mein Wintermantel sich nicht ausstehen konnten, und mir war bang, weil ich Nadan liebte und der Tag morgen wahrscheinlich zermürbend würde.
Ich beschloß, ein bißchen zu schlafen, aber vor Bangigkeit und Liebe und auf dem unbequemen Stuhl wurde dann nichts daraus.
Als ich wieder ins Zimmer ging, weil gegen Morgen der Flieder nicht mehr gegen die kriechende Feuchtigkeit ankam, schlief Nadan. Er schlief auch noch, als ich mich leise ins andere Bett legte und jetzt erst merkte, wie kalt meine Füße geworden waren und wie müde so eine Nacht mit Flieder auf dem Balkon einen machen kann. Ich schloß die Augen, und genau in dem Moment wurde Nadan wach, setzte sich im Bett auf, starrte im Dunklen in meine Richtung und sagte: Mizzebill, bitte.
Er sagte das so aus der Tiefe seiner Seele und so herzerschütternd, daß ich sofort alles Streiten und meine kalten Füße vergaß. Ich sagte zärtlich: Aber ja, was ist denn; ich hätte ihm jede Bitte morgens um fünf erfüllt, wie er so flehentlich sprach, und er sagte in einem ganz weichen Nadan-Ton, den ich lebenslang liebe: Bitte fang jetzt nicht an zu husten.

( Birgit Vanderbeke, Alberta empfängt einen Liebhaber )

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