Mittwoch, 11. Mai 2005

sex mit walter.

Heute Mittag hatte ich Sex. Der war schnell, feucht und unfreiwillig, aber aus solch lapidaren drei Punkten werden auch erschöpfend Filme gedreht, von daher will ich mich gar nicht beschweren.

Ich stand mit meinem Shuffle verbunden vor Ali Babas Gemüseauslage, war dank eines Koffeingaus etwas wabbelig auf den Beinen, und hielt prüfend eine Melone gegen die Wolkendecke. Mia sang in meine Ohrknöpfe, die Sonne kam raus, und genau in dieser friedlichen Sekunde wurde ich von hinten gepackt und hart gegen eine Weisskohlkiste gedrückt.

“Walter, lass das !" rief irgendwo ausserhalb meines Blickfeldes jemand, weil das, was wohl Walter war, sich gerade ganz schlimm mit mir und meinen Kabeln verhedderte und dabei mächtig ins Schnaufen kam.

"Walter !"

Ich konnte mich plötzlich nicht mehr von der Stelle bewegen und wurde massiv im Nacken beleckt. Das wiederum fühlte sich Dank Walters heißem Atem so suspekt an, dass ich spontan einen Kicheranfall bekam, während wir langsam zusammen in die Knie gingen.

"Walter! Jetzt machen sie den doch nicht so bekloppt …"

"Ich mache WAS?" brachte ich durch ein Pfund dunkelbrauner Haare hinaus, weil Walter war mittlerweile gefühlt einmal um mich herum und klammerte sich fester, als mich jemals ein Mann gehalten hatte.

"Walter!" sagte auch ich jetzt empört, und das war auch das letzte was ich sagen konnte, dann nämlich gab mein Körper unter diesem Kalb hingebungsvoll nach und wir fielen engumschlungen in Babas Obstauslage. Das wiederum verursachte so viel Lärm, dass jetzt auch die sechs Söhne des Hauses zu uns nach Draussen eilten.

Mia sang unbeeindruckt ihr „wie weit willst Du gehen?“, ich nahms als Ironie des Augenblicks, beschloss aber, diesen nicht zu geniessen, sondern mich aus dieser fragwürdigen Lage zu befreien, also weg mit Walter.
Wer es schon einmal mit einem Grizzly zu tun hatte, der das Gemüt eines rolligen Hamsters besitzt, der kann in etwa nachvollziehen, was ich in diesen Minuten an Walter hatte, und ich betete zu Gott, nein, zu Allah (ich lag ja bei Ali Baba im Salat ) dass ich mich jetzt nicht noch irgendwie blöd drehe und dann quasi aus Hundesicht genau richtig hocke, auf dass dieser Verwirrte Köter mich rein Naturgemäss und Doggystyle … aber da dachte ich dann lieber nicht weiter, beglückwünschte mich noch rasch zu meiner Wahl „Jeans statt Rock“ und kniff Walter beherzt aber link in die rechte Flanke.

Das heizte ihn erst richtig an. Er leckte mir quer über Hals und Wange, und rammte weiter an meiner Hüfte herum. Die sechs Söhne Babas lachten, und Walters Mensch sagte so was wie "Ocheywalter, jetzt is aba mal gut."
"Genau!", rief ich aus dem Fell.
Nach einer gefühlten Ewigkeit und ein paar gezielten Kneifern kam ich wieder auf beide Beine und Walter auf seine vier. Die Söhne Babas hatten ihn versammelt von mir heruntergeholt, Walters Mensch guckte verzweifelt und murmelte was wie, dass er gar nicht wüßte, was in Walter, und was ich denn für ein Parfüm benutzen würde …
"Frühling, iste Früüühling, merkte großa Hund auch, eh?" unkte ein alter Kunde, alle lachten, Walter putzte sich den Hintern.

Ich richtete derweil meine Klamotten, glühte Dank der Anstrengung zartrosa im Gesicht und überlegte, ob Walter jetzt eigentlich gekommen war.
"Ist der eigentlich kastriert ?" fragte ich den Menschen von Walter, und der guckte sauer und meinte, "Natürlich nicht", und das sei ja echt ne doofe Frage.

Walter drehte sich noch einmal kurz zu mir um, bellte, und zottelte von dannen. Ich blieb allein beim Obst zurück, fühlte mich ein wenig benutzt und legte die Orangen wieder in ihre Kiste, während um mich herum alle den Frühling und seine Vorteile priesen.


durchbrennerbuch.

(...) Um die Zeit war das Haus- und Wohnungsdrama ungefähr auf dem Höhepunkt angelangt, und wahrscheinlich, so dachte ich in der Nacht da draußen, waren wir überhaupt nur durchgebrannt und dann hier gestrandet, um es irgendwie zu ende zu bringen, was weder in Nadans Haus noch in meiner Wohnung zu schaffen war, weil Nadan meine Wohnung nicht betreten konnte, ohne auf der Stelle von Migräne überfallen zu werden, während ich, sobald ich in Nadans Haus neben Nadan lag nichts tun konnte, als auf eine Pause im Husten zu warten um mich dann sofort nach Hause zu fahren. Im Auto sagte ich manchmal : Gib zu, du hast jede Menge Holzschutzmittel in dein Haus eingebaut, und Nadan sagte : Keinen einzigen Tropfen, ich schwöre, auch wenn du mir nicht glaubst; und ich glaubte es nicht, obwohl ich natürlich wußte, daß ich mich mein Leben lang in holzschutzmittelgetränkten Gebäuden aufhielt, ohne auch nur ein bißchen husten zu müssen, und daß es also ganz sicher nicht daran lag.
Wenn ich an Nadans Haus dachte, fiel mir immer der weiße Papagei ein.
Wenn Nadan meine Wohnung betrat, sagte er meistens: Ich verstehe nicht, wie du so leben kannst, und immer konnten wir über das „Wie“ und das „So“ nicht sprechen, weil Nadan von dieser Wohnung oder dem PVC-Fußbodenbelag darin oder von meinem Rotwein Migräne bekam, und in dieser Nacht war mir, als würden wir morgen über das „Wie“ und „So“ sprechen und natürlich von vornherein wissen, daß es kein gemeinsames „Wie“ und „So“ geben konnte, wo schon Nadans Elefanten-Krawatte und mein Wintermantel sich nicht ausstehen konnten, und mir war bang, weil ich Nadan liebte und der Tag morgen wahrscheinlich zermürbend würde.
Ich beschloß, ein bißchen zu schlafen, aber vor Bangigkeit und Liebe und auf dem unbequemen Stuhl wurde dann nichts daraus.
Als ich wieder ins Zimmer ging, weil gegen Morgen der Flieder nicht mehr gegen die kriechende Feuchtigkeit ankam, schlief Nadan. Er schlief auch noch, als ich mich leise ins andere Bett legte und jetzt erst merkte, wie kalt meine Füße geworden waren und wie müde so eine Nacht mit Flieder auf dem Balkon einen machen kann. Ich schloß die Augen, und genau in dem Moment wurde Nadan wach, setzte sich im Bett auf, starrte im Dunklen in meine Richtung und sagte: Mizzebill, bitte.
Er sagte das so aus der Tiefe seiner Seele und so herzerschütternd, daß ich sofort alles Streiten und meine kalten Füße vergaß. Ich sagte zärtlich: Aber ja, was ist denn; ich hätte ihm jede Bitte morgens um fünf erfüllt, wie er so flehentlich sprach, und er sagte in einem ganz weichen Nadan-Ton, den ich lebenslang liebe: Bitte fang jetzt nicht an zu husten.

( Birgit Vanderbeke, Alberta empfängt einen Liebhaber )

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