Dienstag, 24. Juni 2008

fundstück.

20juni08

(ohne Worte)

fischmarkt | © Lu um 18:06h | keine meldung | meldung machen?

gegen sich und den rest der welt.(inkl. nabel)

Am Fluss sitzen und es fast schmecken können, dass alle Menschen glücklicher, gefüllter, inspirierter, gewollter, satter, brauner, blasser, dünner, dicker, totaler, ähm, sind. Und ich bin die Einzige, die komplett in schwarz ist, wenn auch in wenig.
Aber schwarz. Die Sonnenbrille groß wie eine Leinwand, und, ähm, schwarz. Herrlich, man kann hinter den aktuellen Sonnenbrillen wohnen, muss sich kaum anziehen, nicht tuschen, kann heulen und lachen, mit sich selbst flirten und Eisauslagen anschauen. Keiner bekommt was mit, wenn man nur seine Sonnenbrille aufgesetzt hat.

Die Woche werde ich mich mittig gegen Mittag erklären müssen, mein Verhalten erst darlegen, dann untermauern und dann kläglich zugeben, dass es unsozial und auch schlecht für den Teint ist. Gerade im Gesicht, unter der Sonnenbrille. Sind ja alles EM-braun jetzt, vom Public Viewen (mein Unwort 2006 bis x) und Sommer abhalten.
Ich gehe nur raus weil ich es sollte, in die Stadt. Zu Hause/während der Arbeit starre ich wahlweise das Display oder meine Wand an. In der Stadt kaufe ich einen Kaffee im Becher und suche mir schnell eine Wand die ich dann anstarren kann. Aber draußen und unter Menschen.
Ich arbeite an 100 Dingen, nur nicht an denen, die dringend bearbeitet werden wollen und auch sollen.

Das Schlimme an so was ist ja, dass man immer empfindlicher statt ruhiger wird. Man ist ja so schnell raus aus diesem Großstadtding und irgendwann, wenn es alles zu viel wird, der besagte Tropfen, dann zieht man plötzlich im Stadtteil-REWE mit einem nicht guten Gesichtsausdruck den Schirm, lädt durch und wird fünfzehn Minuten später vom Filialleiter (Leiter des Monats!) und der Fleischfachkraft an die Sanitäter übergeben. Zur Abrundung der Gestik hat man Schaum vor dem Mund und eine Scheibe Kinderwurst in der Faust.

Und warum das alles? Weil man mal einfach ein bisschen drin bleiben wollte. Rückzug, sich selbst finden, oder einfach nur einmal eine komplette Staffel Dingens gucken.

Werden sie Deutscher.
Auch dazu fehlt mir der Ansporn, fühle ich mich nur sporadisch mal komplett deutsch, den Rest der Zeit über mehr so geht so und nie türkisch.
Das – liebe türkische Mitleser – ist kein Angriff auf die komplette Türkei, sondern eine Ausgeburt, nein, fast ein Aussetzer aus aktuellem Anlass, weil Mittwoch hat sich das, was sich seit Jahrzehnten Millimeter für Millimeter durch Migrationsprogramme, Döner-Buden und Bolzplätze aufeinander zu bewegte eventuell ganz schnell wieder. Allein heute sah ich mehrmals Kinder sich über die Strasse anpöbeln, "scheiß Deutscher/Türke", und Mittwoch würde man schon sehen.
Irgendwie fühlt sich das anders an, als wenn wir uns mit unseren direkten Nachbarn, den Niederländern die Brodjes und die Krönung von Jacobs und Rumstaffjes an die Köpfe hauen würden.

Naja.

Ich für meinen Teil habe meine eigene Flagge gestern Abend nach dem Spiel wieder weggetuppert, und heute auf meinem Lüftungslauf durchs Viertel überjovial meinen Pizzabäckern zurückgewunken, die alle in der Sonne saßen, und genau DAS Thema völlig ausgespart.

Hätte eh nichts gehört, hatte zur Abgrenzung nämlich die Knöpfe im Ohr, und das Stammhirn wackelte im Metal-Rauschen der jungen Crew zu Mötley.
Auch so eine Sache für Mittwoch. Ich befürchte, ich hab Midlife, und ich untermauere das damit:
Als ich am Samstag bei einer kleinen Aufräumaktion meiner Schmuckschatulle (Familien-Granaten, Urlaubsbändchen –Farbe nur noch ratbar-, Ledergedöns und ein Pfund Indianerschmuck, dazu viel schwarzem Stein) mein letztes Jahr herausgenommenes Nabelpiercing in der Hand hielt, wurden ich und mein leerer Nabel plötzlich sehr depressiv.
14 Jahre, der geneigte Leser kann jetzt gern zurückrechnen, 14 Jahre zierte es meinen Bauch. ‚Damals’ war das ja noch nicht so hip, und ich erinnere mich an unser erstes Treffen.
Ohne Narkose, mein Gewebe im Schockzustand schnürte sich um Zange wie Nadel, so dass der Ring an sich noch einmal genau so heftig in den Körper gebrasselt werden musste. Das große Bier vorab machte die Sache nicht lustiger, mich aber latent witzig, und so lagen die Piercerin und ich am Ende etwas verschwitzt und nervös lachend nebeneinander auf der Stechliege. Am nächsten Tag wurde es Sommer, ich hatte damals noch die Angewohnheit, in jeder Pfütze im Umkreis zu baden, und somit war der Heilprozess meines Nabels eine eher unlustige wie langfristige Sommerbeschäftigung, die auch mit Bier nicht aufzulockern war.
Das und noch ganz viele andere Geschichten lagen plötzlich mit dem Ring in meiner Hand. Ich also im Stechschritt ins Bad und den Alkohol geholt, Shirt hoch und ein paar Minuten später fand mich M. nach Desinfektionsmittel riechend im Bett vor, im Abstand von 5 Sekunden immer AUA! rufend, mit nichts in der Hand als dem Chirurgenstahl und einem entschlossenen Gesichtsausdruck.
Ich nehme mal die unglaubliche Spannung an dieser Stelle raus:
Nein, ich habe es nicht geschafft!
Was soll man auch erwarten von einem Körper, der schon am nächsten Tag nach der Entnahme (für besseren Energiefluss, Chi und Dingens) alle Pforten dicht gemacht hat (Ja, ich wurde schwach, schiss aufs Chi und wollte meinen Schmuck wieder reinhaben, nur einen Tag nach der Kapitulation vor meiner Lage und dem Chi ) als wären 14 Jahre nichts gewesen.
Ich sagte dann so was wie 'Arschlochkörper', ich erinnere mich noch.

Wie dem auch sei, heute ist wieder Sommer, die Fellchen liegen wie selbstgrillende Garnelen in den Sonnenflecken in meinem Arbeitszimmer und eines weiß noch nichts von seinem Pech und seinem Ausflug zur netten Frau Doktor heute Nachmittag. Da gibt’s wieder Hunde und Kopfküsse, während die Fellomi Vollzeit unter meiner linken Achsel hockt und in etwa nur noch 1/8 ihrer Körpergröße besitzt.

Morgen dann Deutschland, und dann sehen wir weiter. Werde heute noch einmal beim Türken meine Melone einkaufen, mir dazu erzählen lassen, wie ‚man rischtisch Fussball schapielt’ und ansonsten alle Götter gute Männer sein lassen und mich eine Stunde Welt und Sonne am Fluss aussetzen.
1:0 pour moi.
Selbstdiagnose: Sportentzugsdepression
Lieblingslied Dienstag: Home sweet home