Dienstag, 1. August 2006

reisenotizen, 2. seite.

Samstag, 10. Juni 06

Paris – Ile d’Oleron

Sonne, 28 °C


„Wir nehmen die Gurke!“

Morgens, beim aufwachen, die Nacht gefühlt in einem luftleeren Raum verbracht. Ein Blick aus dem winzigen Fenster neben der Treppe zeigte Paris von einer vertrauten Seite: Es wacht auf.
Man erkennt es an den Menschen, die links den Hund, recht das Brot und im Mund die Zigarette haben, hier in Paris hat wirklich alles seinen festen Platz. Als Kinski damals wetterte, Paris würde an seiner Hundescheiße noch einmal ersticken, da hat er die Kippen und die Brotkrumen vergessen.

Leider waren wir im Haus -bis auf die Katze, die scheinbar nie schlief- die einzigen, die aktiv waren. Leise die exakte Pariser Anzahl4fach-Küsse auf verschlafene Gesichter verteilt, noch 100 mal betont wie toll, nett und überhaupt alles war, und dann standen wir schon draußen, und der schlafende Teil der Familie lag wieder sicher verstaut im Plümmö. Bis auf die Katze natürlich. Die saß am Fenster und sah zu, wie ich mich auf offener Strasse umzog und die Kühltasche auf Frühstück prüfte.
Frühstück in Paris: der Rest aus der Thermoskanne von gestern und ein Müsliriegel mit Milchteil in der Mitte = ausgewildertes Gefühl, schon seit Wochen unterwegs zu sein. Hätte mir später sogar bedenkenlos auf dem Tankstellenklo die Beine rasiert, wenn es denn nötig gewesen wäre.

Die Fahrt über Richtung Insel eine ganze große Flasche Evian getrunken, und eine ganze große wieder ausgeschwitzt. Das Shirt hatte ich seit gestern Morgen (Düsseldorf) an, darin um die 1000 km gelebt und eine Nacht geschlafen. Ab einem bestimmten Punkt ist einem scheinbar alles egal.





Auf der Insel (ab der Brücke hinüber nur noch gegrinst, weil Wellen und Salzgeruch, Austernfarmen und Weinfässer stark nach Urlaub aussahen) ein Mobil-Home ( Mobielomm, wie der Franzose sagt) gemietet, vorsichtig erst einmal für zwei Tage.
Wir hatten die wilde Auswahl zwischen Zeltplätzen, einem alten Mobil-Home und zwei neuen. Wir nahmen das alte, die "Gurke", noch nichts ahnend, was der Blick des Vermieters kombiniert mit dem Satz „das ist aber nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand“ wirklich bedeutete. Wir wollten die Gurke, weil sie Schatten und Charakter hatte, und durch eine träge im Wind baumelnde Wäscheleine morbide Gemütlichkeit ausstrahlte.
Als später sämtliche Wasserhähne explodierten, das warme Wasser in der Dusche eiskalt blieb und die Gasflamme am Herd schwächer war, als unser Campingkocher, da ahnten wir dann, was das "nicht mehr auf dem neuesten Stand" im Detail bedeuten kann.

Wir haben unsere Gurke trotzdem lieb, nicht zuletzt, weil wir gerade in absoluter Ruhe auf der Holzterrasse sitzen, die Nachbarn um uns herum ein Fest an leisen, fröhlichen Menschen sind, und der Wein kombiniert mit der Seeluft stark sedierend wirkt und alles sehr töfte aussehen läßt.



Neben mir stehen die Reste des Abendessens. Im Supermarkt Fischpreise unter aller Kanone. Die Fischfachverkäuferin in Gummistiefeln fragte netterweise nicht, für wie viele Personen wir kaufen. Eben dann ein gefühltes Weltmeer gebraten und vertilgt. Mein Karmakonto ist am 2. Tag schon wieder im Dispobereich, was Sea-Food angeht. Gerechterweise werde ich im nächsten Leben wohl als Dorade oder Schrimp inkarnieren müssen.

Uh, wir sind scheinbar eigenständig aufgetischtes Abendbrot für die Inselmücken. Die Nachbarn rennen sehr leise in ihre Trailer und verrammeln alles. Machen wir denen jetzt nach, die sehen nämlich aus, als würden sie wissen, was sie tun.

PS: Mein gedachter Dank geht heute nach Deutschland an den geschätzten SvenK., der mir seine Lieblingsinsel, die Ile de Re, als Reisepunkt ans Herz legte. Und da ich erst mit dem Finger auf der Karte ein paar Centimeter verrutscht bin (was auch im Meer folgen haben kann, wie man sieht) und dieses Eiland hier als etwas "rustikaler" beschrieben wurde, liegen wir nun hier und sind auch sehr zufrieden. Und haben noch eine Insel übrig, was ja auch nicht zu verachten ist. Man sollte im Leben immer noch eine Insel zum angucken und beleben übrig haben.


Montag, 31. Juli 2006

reisenotizen, 1. seite.

Freitag, 9.Juni 06

Düsseldorf - Paris

Sonne, 30°C


„In Paris kommt das Sushi zu Fuss“

Kurz bevor in München die WM mit einem Knall eröffnet wurde, standen wir in der äußeren Peripherique von Paris, und hatten einen randvollen Rindertransporter neben uns. 200 Rinderaugen, ein stark behaarter Fahrerarm, ich mit dem Kopf zwischen den Knien (nix hören, nix sehen) und Paris macht einen auf Feierabendverkehr, so fängt man seinen ersten Urlaubstag gern an.



Beim ersten Tor der Deutschen fühle ich mich ähnlich wie bei der WM vor vier Jahren. Ich sitze stumm auf einem Küchenstuhl in Frankreich, verstehe den Moderator nur, wenn er laut mit starkem französischen Akzent die deutschen Spieler beim Namen brüllt. Sniiidööör. Schwöinssteigääär. Balacköh.
Dazu ein lauwarmes Kronenbourg und das Gefühl, Deutschland mal wieder im letzten richtigen Moment den Rücken gekehrt zu haben.
Auf einer kleinen, heißen Stufe sitze ich vor der Tür, schreibe mit Bleistift eine Seite im Moleskine voll, und nehme mir im lauten Getöse von Bagnolet vor, jeden Tag eine Seite mit Urlaub zu füllen.
In Paris sind die Afrikaner übrigens weit aus mehr Afrika als bei uns in Deutschland, wo Kultur wie prächtige Wickelstoffkleider eher versteckt werden, man will nicht so auffallen. Hier in Bagnolet sind eh fast alle schwarz, wozu also integrierter Aufwand in Form von farblosen Klamotten.

Wir haben Sushi bestellt, M.’s Cousin Pavel meint, es dauert um die 90 Minuten, bis es geliefert wird. Vor 60 Minuten dachte ich noch, ich hätte ihn sprachlich falsch verstanden, mittlerweile denke ich, es ist bitterer Ernst.
Morgen geht es weiter, wenn wir bis dahin nicht verhungert sind.


PS am nächsten Morgen: Letzte Nacht ging ich das erste Mal in meinem Leben innerhalb einer Wohnung auf ein Chemie-Klo. Alles schlief, bis auf die Katze, und als ich den Spüler drückte, wurde mir klar, warum das vor mir wohl kein anderer getan hat, wie man im Klo selber am gelben Wasser sah: Das Teil war so laut, dass ich mit zusammengekniffenen Augen und wedelnder Hand das „Wuooosch“ abwartete, danach sicher sein konnte, nicht nur alle im Haus, sondern auch das ganze Viertel geweckt zu haben, und als ich aus dem Klo kam, saß die Katze mit schlechter Laune und dickem Schwanz neben der Haustür und sah aus, als wollte sie jetzt gerne gehen.


Donnerstag, 8. Juni 2006

en vacances.





Jonathan?

Maam?

Einmal die Küste runter bitte.

Avec plaisir Madame.


Montag, 15. Mai 2006

hamburg, mal wieder.



(alle weiteren bilder in den kommentaren...)


Montag, 20. März 2006

kiel in worten.

Freitags nach der Arbeit mal eben hoch in den Norden zu fahren könnte auch ein neues Hobby von mir werden. Um neun Uhr dabei an Hamburg vorbei zu müssen, nicht. Mein Launenknick von "alles töfte" zu "mürrisch und wortkarg" ging einmal ganz durch den Elbtunnel. Geht aber alles schnell vorbei, wenn man sich gegen 23 Uhr totmüde in einem sehr niedlichen Kieler Hostel in sein Doppelbett fallen läßt, nur um den Rest der Nacht einem Raum-Tinnitus in Form eines lauten Brummens zu lauschen und darüber zu vergessen, die Heizung runter zu drehen.

Totmüde, und mit der Wüste Gobi im Körper macht man sich dann im Morgengrauen mit den letzten 20 ml Flüssigkeit im Körper auf die Suche nach einem Ort, wo man diese auch noch loswerden kann. Nach fünf Minuten im dunkeln tapern sass ich auf einem Klo im Treppenhaus und machte einen Eiswürfel, während es gemütlich durchs Klofenster hineinschneite.

Ausflug zu Kindheitserinnerungen, Sonne tanken, Paps einen Stein einsammeln, um später in einem Glasbunker viel zu viel Ravioli mit Steinpilzen zu essen, und sehr tief in den Hauswein zu schauen. Eine SMS vom MC, ob ich die Kieler Nachrichten schon gelesen hätte ? Seite 28.
Die Pilze liegen plötzlich schwer im Magen, dafür wird der Kopf leicht und rot. Mit Kaffee bringe ich mich dann völlig aus dem Tritt. Kurz darauf im Hostel bemerke ich, dass ich nichts zum anziehen habe, zumindest nicht dabei, möchte das gerade mit M. in Ruhe ausdiskutieren, als ich sehe, dass wir schon eine halbe Stunde über der Zeit sind. Also bleibt alles so, wie es ist.

Wein. Zwei Flaschen Chianti hat der MC für mich besorgt, und sogleich fühle ich mich wie der weibliche Bukowski zu Hause, muss dann aber doch teilen. In Kiel trinkt man guten Wein übrigens aus Plastikbechern, und das Holsten aus der Flasche. Ich trank am Ende alles was auf dem Tisch stand.

Die Lesung hat sehr viel Spass gemacht, sowohl vorher, als auch dabei, wie auch danach. Ich habe sehr nette Leute kennen gelernt, habe um Mitternacht einen gigantischen "Dürüm" in die Hand bekommen, der laut Anwesenden über die Kieler Grenzen bekannt sei, und in einer Hotel-Bar besagtes Kiel von sehr weit oben sehen können. Das hat auch Spass gemacht.
Müde und zufrieden irgenwann gegen drei eingeschlafen und Dank benachbarter Mitschlafender wie bei den Waltons gefühlt.

Am Sonntag nach ausgiebigem Frühstück noch einmal zur Ostsee, inklusive der Mitschläfer. Steine, Luft und Kaffee.
Nachmittags seufzend durch Hamburg und durchgehend A1 nach Düsseldorf.

Heute nicht die passenden Worte, aber gute Laune und viele Steine in der Tasche gefunden. Die nächsten Tage gibts einen Film und ein paar Bilder. (Meine sind alle verwackelt, mal wieder. )

Mit einem ♥lichen Dank an den MC fürs organisieren und mich zwingen, mit einem Winken zu Jan und seiner netten Frau, welche Laden wie auch Nerven zur Verfügung stellten und einem Zwinkern an alle, die den Weg durch die Kälte fanden.

( Eigentlich wollte ich nur ein Photo und ein "Schön wars" posten. Hat ja super geklappt. )


Sonntag, 26. Februar 2006

drei länder zwischen zehn und sechs.

Ich sagte, hier wäre ein kleines Café nett, ein Bio-Café, mit Kuchen und hellem Milchschaum, der ein langes Gespräch überlebt.
Wir standen in einer Gasse mitten in Maastricht, die einzig ruhige, wie es schien. Sie war zwei Meter breit, und auch gar nicht mal so lang, aber mitten in ihr, in einer passenden Reihe, da stand ein Knusperhaus ans andere gelehnt, und das, vor dem wir standen, das war frei, to verhuur, wie der Niederländer sagt. In einem anderen kleinen Laden, ein Trödelladen, musste man eine kleine abgetretene Stufe hinunter gehen, um in diesen winzigen Schlauch von Raum zu gelangen, geduckt unter hängenden Bettpfannen, und Luft anhaltend durch diesen gnadenlos vollgestopften Ladenschlauch hindurch, bis ich in einer freien Ecke ein Bild hängen sah. Schwarz-weiß, vergilbt und sehr alt, seitlich klebte ein 20 € Preisschild. Die ist tot, staune ich, und nehme Geistesabwesend die daneben stehende, rote Pfeffermühle in die Hand. Auf dem gerahmten Photo liegt ein Mädchen in einem weißen Kleid, und auf ihr Blumen. Ihre Augen sind geschlossen und eingefallen. Keine Geschichte dahinter, nur dieses Bild was sicher über Jahre in einem Zimmer hing, als Erinnerung.
20 €-

Ein und eine halbe Stunde Autobahn im Sonnenschein, weg vom rheinischen Karneval, rein in eine Q-Park-Hölle, Auto parken, rauskommen um dann mitten im niederländischen Karneval zu stehen.
Notiz ans Notizbuch: die Niederlande in Gut & Böse katholisch und sehrsehr-katholisch einteilen, dann passiert so etwas kein drittes mal.

Alle Impressionen aus Maastricht hier, und wenn einer laut "DAS ist aber nicht alles nur Maastricht" rufen möchte, dann hat er vielleicht sogar Recht, weil gestern die ganze Zeit und so oft zwischen den Niederlanden und Belgien geswitcht wurde, das wir am Ende des Tages vor einem Supermarkt standen, und beide keine Ahnung hatten, ob wir nun in Vlandern oder in Limburg weilen.
Beute : ein 6pack Duvel Bier, frische Erfrierungen, ein Potpurri an holländischen Karnevalskrachern und ein Pfund gesalzene Butter in Wachspapier.

seefahrt | © Lu um 10:37h | keine meldung | meldung machen?

Freitag, 17. Februar 2006

niederlande.



Montag, 9. Januar 2006

reisebilder prag 2.

dieses jahr, wie es scheint, mehr ein fang aus augenblicken, weniger die suche nach dem schönen motiv fürs album. man behält was man spürt, in diesem einen moment.
und die verwackelten : ich meine hey, es war sauig kalt und meine kamera ist auch nur aus metall.

[ weiter ausnahmsweise in meinem flickr-karton ... ]


Freitag, 6. Januar 2006

reisebilder prag 1.



[ weiter in den kommentaren ... ]


Mittwoch, 4. Januar 2006

reisenotizen.

Tag 1. Autobahn und Daunen.

Deutsche Tristesse mit Trennstreifen. Nach 100 Kilometern gibt es fürs Auge Hügel und Schnee. Bayern, ein Stück weiter, sieht tatsächlich aus
wie auf den 2000ern von Ravensburger. Alle Kirchtürme beleuchtet, der Bayer an sich erleuchtet, Grüß Gott, huch. Und Schnee hat’s auch, überall.
Wir stranden in letzter Sekunde in einem Kaff namens Schwanendorf, es schneit aus Kübeln, Sicht gleich Null. Gasthaus Baier empfängt uns mit leuchtenden Fenstern und Fettgeruch aus dem Abzug der Küche. Alternativ hätten wir auf der Landstrasse unsere letzte Neige Benzin verprassen können, um dann irgendwo liegen zu bleiben und zufrieden mit knurrendem Magen zu erfrieren. Gefunden hätte uns dort keiner vor Ostern, so viel ist sicher.
Zwanzig Minuten dann später in „den gutn Stubn“ …Während draußen Tonnen von Schnee fallen, suche ich die Speisekarte nach fleischlosem ab, und das richtig erfolglos.
Als wir zwei Stunden später durch den Kern Schwanendorfs schwanken, hatte M. ein Schnitzel in Originalgröße eines Schweins intus, und ich einen Teller Spätzle mit Sauce und einen nachgeorderten Teller Pommes mit Ketchup, inkl. 2 Wein und 3 Humpen Bier. Glückselig randvoll mit nassen Haaren und roten Nasen ging es dann schnurstracks in gesteifte Bettwäsche ins bemalte Doppelbett.
Einen Schluckauf später hoffe ich gerade, dass ich das Gekrakel hier auf meiner Kladde hier nächste Woche noch entziffern kann und Prag morgen noch da steht, wo vermutet, so Gott will. Im TV läuft "Notting Hill".
Pfüati.

Tag 2. Kratzen und keine Katzen.

Ich bin allergisch gegen Daunen. Zumindest glaube ich das seit letzter Nacht.
Bis auf 2einhalb Stunden machte ich die ganze Nacht kein Auge zu, und in der Zwischenzeit hielt ich mir die Decke vom juckenden Leib oder seufzte in die bavarische Nacht, tief und schwer.
Am Morgen gibt es wieder Fleisch. Ich löffle Konfitüre pur, trinke grauenvollen Maschinenkaffee und denke an zu Hause.
Als wir Auto von sechzig Kilo Eis und ein paar Pfund Schnee befreit hatten ging es weiter gen Prag. Noch 270 Kilometer.
Autobahnen im Winter sind gut, weil einem keine Tiere vor den Kühler springen. Autobahnen im Winter sind aber auch schlecht, weil es schneit, und das an diesem Ort wohl durchgehend, zumindest immer, wenn wir dort lang fahren. Schlingernde LKWs mit Stickstoff im Tank, ausscherende Sprinter mit Malern im Innern, alles da, alles kämpft.
Irgendwann kommen wir dann doch an, und am Krämerladen begrüßt uns heute ein kopfüber hängender Fasan, wo letztes Jahr noch der Hase zum aushängen hing.
Im Mittelteil des Tages bringen wir Auto in Sicherheit, welches ohne Lenkradkralle und zig Mafiazetteln schnell und unfreiwillig den Besitzer wechseln würde.
Bei -5 °C in einem Vorbezirk erleide ich relativ still unter meiner Wollmütze unterzuckert einen Auslandsanfall und einen Liter Bier später, verabreicht und verzehrt in einem italienischen Edelrestaurant umme Ecke, bekomme ich wieder Farbe im Gesicht und sitze eingepfercht zwischen viel Holz, bestelle beschwingt die leckere Karte einmal rauf und einmal runter, alles fleischlos, hurra.
Es ist kurz vor 17 Uhr, draußen stockfinster und bitter kalt, als ich nach leckerster Tomatensuppe mit Sahnegitter obenauf und einem Rucola-Parmesan-Salat ohne Sauce die schlimmsten Nudeln meines Lebens, ach was sag ich, meiner letzten drei Leben bekomme. „Fusili con Pomodoro fresco“ stand auf der Karte, und es sah auch so aus. Was ich bis zum ersten Bissen nicht wusste, und geruchtstechnisch auf den Nachbartisch schob war, dass über meine Nudeln um die drei frische Knoblauchzehen gepresst wurden, aus einer Knolle letzten Sommers. Kann dem Koch bitte mal jemand sagen, dass das mitgekocht gehört? Ich brachte drei, vielleicht vier Bissen hinunter, dachte, ich stelle mich vielleicht an, aber es ging nichts mehr. Fischig und penetrant, und mir war schlecht bis zum Haaransatz. Das Bier verlor sofort seine Wirkung, ich trinke das nächste in einem Zug, winsel noch etwas von einem 3fachen Espresso, und Danke Neee, ich möchte den Rest nicht eingepackt haben.
Später, in der Metro, sitze ich vor mich hinstinkend unter drei Lagen Klamotten, fühle mich einigermaßen geborgen und denke, das mir Prag in diesem Winter zu hart sein könnte, weil ich zu weich. Noch vier Tage, Showtime.

Jetzt grad, die Kommunistenbauten sind ja hellhörig wie nix Gutes, schreien sich die Nachbarn an. Frau, schwer betrunken und Stimme wie ein Seefahrer brüllt im 5Sekundentakt „Dooobrii, Dooobrriii“ was, ich schlage nach, so viel wie „guuuut“ bedeutet. Gut, ich revidiere, Nachbarn haben scheinbar Sex. Wird mir heute nicht passieren, so wie ich stinke. Gute Nacht.

Tag 3. Prag- die Frostversion.

In Prag ist tatsächlich die Hölle zugefroren.

Man stelle sich vor, man wäre auf die Größe von sagen wir mal 1 mm geschrumpft und nun auf Expedition durch seine Gefriertruhe, wo an jeder Biegung eine Kneipe ist, in der man ein großes Bier trinkt, dann hat man in etwa Tag 3 begriffen. Von 10 Uhr am Morgen bis 21 Uhr am Abend per Pedes durch den Stadtkern, und das alles unter dem Einfluss von … wie hieß das Tief noch gleich? Holger ? – das alles unter dem weiß-kalten Einfluss von Holger, dem Ur-Enkel von der Holle.
Prag ist Randvoll, vor allem mit Italienern. Mindestens die Hälfte hat sich heute den Tod geholt, beim Versuch echt tolle Photos auf der Karlsbrücke im Schneesturm zu machen. Da wurden hochsensible Optiken mitten rein gehalten, ins eisige Nass, alles grinst, nur sieht man nix in den Bergen von Kapuzen und Mengen von Schnee.
Wir hatten auch Touri-Tag, wir sind nämlich sowohl auf eine Wechselstube wie auch auf ein schlechtes Restaurant reingefallen, alles aus der Not heraus (Hunger, Pipi, Durst), alles am Ende des langen, eisigen Tages.
Sollten wir jemals wieder hier weg kommen ( wegen Holger ), dann werde ich eine Woche eine heiße Wanne besetzen, das schwöre ich mir gerade inbrünstig.
Es ist nach 22 Uhr, nebenan wird wieder „Dooobrriiii“ gespielt. Ich friere, klappere unsexy mit den Zähnen, und nur Block und eine Hand mit Stift guckt beim schreiben aus der Decke.
Nix Dobri, doo.

Tag 4. Geiz ist ungeil, und Jan hat einen Komplex.

Der Tag ist beschwerlich, weil die vorigen viel Energie gekostet haben. Leerer Kühlschrank, keine Bademöglichkeit nach eisigen und laufstarken Tagen, noch mehr Schnee über Nacht.
Vermummte Gestalten in Trainingshosen und Freizeitballonseide, lachende Kinder auf Schlitten, geschwollene rote Augen, Atemwolken, all das prägt das Straßenbild.
Im Supermarkt sieht es aus wie bei ALDI in den Anfangszeiten. Der Eingangsbereich steht unter Wasser, kümmert keinen. Es gibt wenig frisches, viel Totes und Büchsen. Die Leute sehen ungesund aus, und die Preise sind erstaunlich hoch. Wir sind in einem NORMA-Markt und fragen uns, wie sich die Menschen auf Dauer überhaupt ihre Einkäufe leisten sollen? Die Preise sind hoch wie nie, und das Hauptthema in den Kneipen zum Bier. Lebensmittel, Gas, Kleidung.

Es ist beschwerlich, sowohl der Einkauf mit Schneemarsch, wie auch die Tagesgestaltung. Prag ist nicht nur schöner Stadtkern, draußen ist viel Lärm, die Nachbarn haben Pause, und die Krankenwagen einen ähnlichen Sound wie in den Staaten. Ich liege etwas mau auf dem Ehebett der Urgesteine von M., ohne deren Tun auf diesem Bette weder M. auf Erden, noch dessen Macher, noch ich mit ihm in Prag wäre. Die Heizung bollert, dass man bei lebendigem Leibe dehydriert. Macht man sie aus, wird es sofort eiskalt hier oben im 4. Stock des Kommunisten-Klotzes. 4. Stock heißt hier übrigens umgerechnet 6. Stock, die Treppen ziehen sich ins ewige.

Nachmittags wieder in unsere ausgesuchte Lieblingskneipe „XXX“. Tagessuppe, Gulasch mit Knödel, Bier. Ich schiebe M. die Fleischstücke rüber, und stopfe abwechselnd Kloß und Bier, köstlich, ein Kloßparadies. Danach „The best of Jan Saudek“. Mit Vorfreude auf eine schöne Ausstellung (und Wärme) stellen wir uns an. Ich kannte von ihm nur eine Photostrecke über eine Großstadt, welche hab ich vergessen. Was mich, bzw. uns erwartete waren Nackte, Ärsche, Titten und Fett. Nach zwei Räumen verdrehe ich die Augen, der dicken Hintern überdrüssig und wundere mich über Jan sein schräges Frauenbild. Die tollen Schönen sind schwanger, haben auf den Photos sogar Engelsflügel. Dann sind da die Mädchen, und an denen stoße ich mich richtig. In einem Raum vier Bilder von Frauen, völlig bekleidet, mit ihren gerade erblühenden Töchtern, splitternackt und mit Augenaufschlag. Ich denke, dass Jan Saudek eine Sau ein Mann mit seltsamem Frauenblick ist, gehe in den nächsten Raum und sehe die anderen beiden Kategorien. Wir haben also entweder schwanger und perfekt, das mit Flügeln, dann haben wir Mädchen mit Lolita-Blick und splitternackt, teilweise etwas moppelig und so in Position gebracht, dass Speckfalten an Busen erinnern, und dann haben wir ganz ganz dicke Frauen, die bloßgestellt wirken, weil sie auf dem oberen Bild angezogen, und auf dem unteren Splitternackt sind, und wir haben die Kategorie Dirne, die ebenfalls sehr füllig ist, und die Sparte nackt & behindert. Appes Bein und struppiger Bär, den man so seit Ende der 80er nicht mehr zu sehen bekam. Ich kann ja nur von mir sprechen, aber ich war mächtig genervt. Nicht von den Frauen, nicht von füllig bis fett, nicht von Bär oder Rubens-Hintern, sondern von deren Einteilung und vor allem von den Mädchen! Das war keine gewollte Provokation, das war mit Liebe zum Detail, Punkt.

Ich besitze bei Bildern eine schnelle Auffassungsgabe, so dass ich recht schnell durch einen Raum durch bin, und immer Zeit habe, mir die anderen Besucher und deren Reaktionen anzusehen, und ich sah verwirrte Männer ( die Büsche waren es, ich schwörs ) und genervte Frauen, die sicher in etlichen Sprachen „nicht schon wieder ein Raum voller Titten“ dachten.
Falls wer in der nächsten Zeit dort in Prag in eben diese Ausstellung will, der sollte vorher aufs Klo gehen. Die Örtlichkeiten dort spotten jeder Beschreibung, und kaum hatte ich die Klotür zu, packte ich meine Randvolle Blase am Schlafittchen und machte auf dem Fuße kehrt ins Freie. Unglaublich.
M. und ich hatten anschließend Streit über Sinn und Unsinn von Kunst, über das „Was will er denn nun?“, und überhaupt.
Kafkas Café, frische Pralinen zum Kaffee und lakonische Bemerkungen über Titten und Hinterteile brachten wieder Ruhe und Eintracht, wir klauten einträchtig Zuckertütchen mit Franz drauf und ich knipste Möbel und Klotreppen.
Friede, Freude, Schnapspralinen. Hach.

Tag 5. Ein Tag in der Mall.

Der Tscheche an sich steht auf zwei Dinge: essen und telefonieren.
Womit er sich sehr gut mit den Italienern verstehen müsste. Womit erklärt wäre, warum halb Italien in Prag zu weilen scheint.
Der 5. Tag ist Einkaufstag. Zu Hause wurde hier ein Zettel zugesteckt, dort eine SMS mit Wünschen gefüllt und wir, ohne Auto, da Auto in Sicherheit und im trockenen bei Opa 2 urlaubte, per Metro in die Einkaufsmall zu GLOBUS. Mittags verschluckt, abends wieder ausgespuckt, dazwischen die Hölle mit Einkaufswagen. Es war einen Tag vor Silvester, und gnadenlos.
Der Globus Markt ist auf zwei Etagen und größer als real,- und Konsorten, nur als Vergleich. Drumherum sind andere Läden angesiedelt, Drogerien und Imbisse, also dm und Mc Donalds. Nebenan Multiplex Kino, Möbelgeschäfte, ein IKEA, ein MakroMarkt, und H&M hat auch noch einen Platz abbekommen. Globalisierung, ick hör dir trapsen.

Im Globus selber ist frisch Krieg ausgebrochen, und ein alter Hauch von Kommunismus liegt in der Luft (vielleicht gibt’s morgen ja nüscht mehr.).
Hörnchen liegen auf dem Boden, die gute Salami ist aus, und es gibt Türme auf Rädern, so hoch und kunstvoll bepackt sind die großen Einkaufswagen.
Ich und der Wagen stehen abseits geparkt beim Senfregal, 6 Töpfe verschwinden im eigenen Gefährt, M. bekommt Stressmigräne.
Nebenan in der Brotabteilung wird fast jemand mit einem Einkaufswagen überfahren. Der Grund für die Unachtsamkeit der Menschen: gnadenlos überfüllte Einkaufskarrem ( Bier, Fleisch, Hörnchen ) und das obligatorische Mobiltelefon am Ohr.
An der Kasse geht es zügig, wir lachen über unseren wirren Einkauf, und schleppen die schweren Tüten ( Bier, Senf, Hörnchen, Schnaps, Schokoriegel, Kümmelbrot, noch mehr Senf ) durch den Schnee über den Hügel zur Metro. Zu Hause, die Tüten stehen unausgepackt in der Diele, schlafen wir nach ein paar Minuten bei den sechs-uhr-Nachrichten auf der Couch ein.

Tag 6. Kurz davor ist früh genug. Prost Neujahr.

Hörnchen, letzter schlechter Kaffee, Opas Bude in den alten Zustand bringen, Photos machen, Einkäufe umpacken, ein Photo von den Einkäufen machen, zur Metro stapfen. Es schneit schon wieder. -7 grad, Auto holen, zurück, alles von oben nach unten schleppen. Ich bekomme von dem blauen Plastiksack, in dem mein Bettzeug verschwinden soll so dermaßen einen elektrischen Schlag, dass mein oberer Zeigefinger erst mal taub und beleidigt ist.
Rückfahrt. Kälte, Schnee, Nebel. Erster Stopp nach einer Stunde, Restaurant mit Wikingerausstattung und deftiges Essen, wir machen usn Sorgen um Auto, welches allein auf dem Parkplatz steht, Essen diesmal ohne Bier. Die Bedienung vergisst unsere Vorsuppe, dafür fallen ihr fast die Titten aus dem Burgfräuleinkleid. Bekommen Krach wegen Bedienung. Restaurantchef beleidigt, weil ich weder seine Ausführungen über das tolle Lendenstück in Speck verstehe, und das dann auch nicht essen will. Bekomme Brokkoliröschen in Käsesauce, als Strafe.

Noch mehr Nebel, Schnee und Kälte. Auto saugt sich mit Winterschluppen am Asphalt fest. Zwischendurch Schlaglöcher, in denen ein Smart oder ein Rind verschwinden könnte. Autofahrt wie Action-Game auf Fernseher. Ich photographiere und male mir aus, wie sie die Kamera finden, und unsere letzten Stunden anhand meiner Photos rekonstruieren. Freue mich jetzt schon über ratlose Gesichter und mache diese Notizen hier auf dem letzten Blatt im Block.
Nach Nürnberg Plus-Grade, wir beschließen, durch zu fahren, so weit wir kommen. Ich will nach Hause, vermisse die vier Fellchen, habe mir seit einer Woche die Haare nicht mehr gewaschen und will einen anständigen Kaffee.
Um 23 Uhr zu Hause, Schmutzwäsche in die Tonne, auf dem Balkon tatsächlich noch eine alte Flasche Sekt ( Werbegeschenk ) gefunden, ein Glas vorab getrunken und direkt blau gewesen.
Um 0:00 mit Bademantel und flammenden Wunderkerzen auf dem Balkon 2006 begrüßt, und das als gutes Zeichen gewertet.
Home sweet home, Sekt sweet Sekt. Traumlose Nacht im eigenen Bett, unbezahlbar.

( photos gibts morgen)