Sonntag, 28. Oktober 2007

prag in bildern, der wirkliche rest zum text.



(Bitte sachte auf eine der drei Damen drücken, dann gelangen sie in das gesamte Album der Momenteindrücke. Die Photos mit höherer Pixelanzahl werden in Kürze in lapidaren Abständen an dieser Stelle vorgelegt.)

seefahrt | © Lu um 12:53h | keine meldung | meldung machen?

reisenotizen prag, 21.-26.10.2007, das sammelalbum.

reisenotizen, tag 1. / ddf-berlin-prag

Heute den vier Fellchen eiskalt zuvor gekommen. Um 5:32 lagen die noch im totalitären Tiefschlaf, als ich –auf der falschen Seite des Bettes schlafend- zum letzten Dreher ausholte (Wecker und Hirn waren auf 6:00 gestellt) und prompt ins Leere fiel, sprich: Fußboden, kalt.
Bin dann direkt aufgestanden, wo ich schon mal bäuchlings auf dem kalten Boden lag.
Dafür die Fellchen alle warm und erstaunt.
Ha!
Noch im Dunkeln zur Haltestelle, mit Trolli. Danach die ganze Strasse vom lauten Gerumpel wach.
Im Zug ‚Ruhezone’ gebucht. Sehr drauf gefreut, wegen weiterschlafen.
Im Abteil ein Rentner-Team (Mann und Gattin) mit Enkeln (Junge und Mädchen), und mit
ihnen Gameboy, Hörspielkassetten und Geschwisterhass, wie er nur unter Vorschulkindern vorkommt. Kinder (manche!) sind Monster in niedlichen Klamotten.
Hinter uns Betrunkener mit Kopfhörern, der das ‚Bord-Programm’ lautstark hörte.
Mein Mantra gegen all das: Im Morgengrauen sind alle Hasen grau.
Brachte nichts, stimmte aber. Währendessen Notiz ins Moleskine:
‚ICE wie eine Stahlwurst durchs westfälische Grün. Herbstessen-Grünkohl mit Mettwurst.’
Was bitte soll ich jetzt damit anfangen?
Nächste Notiz:
-Menschen stinken.
-Menschen sind unappetitlich.

Und dann:

- Der Mensch an sich macht in Zügen Fressgeräusche.

Passt noch nicht mal als Titel.
Tonne.
Aber wahr.

Danach ein Tal von ‚Windbirken’. Neue Wortkreation. Bedeutet Birken, die immer in gleicher Brise stehen und somit abschüssig wachsen, diese standen aus Fahrtrichtung gesehen komplett linkslastig.
In, bzw. bei Pirna hingen spektakuläre Wolken in der Luft. Muss man ja auch mal sagen, wenn man schon Reisenotizen notiert.
In Pirna Wolken, Spektakel, sagt Moleskine.

Nach gefühlten Jahren kommen wir abends an. M. ist schon im Zug wieder zum richtigen Tschechen mutiert, zwei neue, rote Bereiche im Gesicht, auf Bäckchen-Höhe, macht den Ost-Teint. Und einen Bierdurst, den jede Düsseldorfer Brauerei feiern würde.

Highlight: mal wieder auf Hospoda-Suche durch so richtig miese Gegenden gekommen, zu Fuß natürlich, im Restaurant das salzigsten Essen seit ewig, dazu ein Liter Gambrinus, der nun wirklich so spektakulär nass schmeckt, wie die Wolken über Pirna.
Muss dank Salz bis cirka Weihnachten nicht mehr auf Toilette.
Jetzt heiße Wanne und Bett. Kein WLAN-Spot weit und breit, draußen riecht es nach Holzkohleöfen und traurigem Hund.
Gute Nacht Prag.

reisenotizen, tag 2. /prag

Nur noch eine kurze, ganz knappe Bilanz geht aus dem zweiten Tag hervor, den Rest fraß Prag, direkt mit den Fingern.
Elf Stunden unterwegs, Meilen mit der Metro, noch mehr Meilen per Pedes, einen Opa sehr glücklich gemacht und zigfach abgeknutscht, vier Scheiben Knedelik in Sauce mit einem Liter Bier zum Mittag, danach alles sehr wattig.
Prag ist kalt. Prag ist so kalt, dass ich gegen Nachmittag alle Waffen gestreckt habe, und M. mich zu einem Schal mit einem Volumen von sagenwirmal 3 Meter (laufend!) Wolle einladen musste, danach ward ich nur noch in schwarz gewickelt und flappernd im Prager Wind gesehen, von hinten mit Fransen, von vorn mit zwei Augen (Natur).

Kafka liegt noch an Ort und Stelle, jedenfalls laut Touristenschlangen, die Preise von allem sind gefühlt seit letzten Jahr wieder um 300% gestiegen, die Prager sehen noch unglücklicher aus und – ja, nichts und, so ist das grad.
Krimineller Montag ansonsten. Wir sind, aus einer Not heraus, drei Haltestellen mit dem Bus ohne Ticket gefahren, und haben aus einer Unnot heraus eine Speisekarte geklaut (sehr umständlich, dafür haben wir in diesem Café schon so manche fünf gerade sein lassen, jedes Mal.).
M. meine im wirklich prunkvollen Gemeindehaus (randvoll Jugendstil) mit Blick auf die nackigen Stuckskulpturen (dieses Wort möchte ich bitte nie lesen!) ‚Hach Jugendstil! Alle jung und nackig!’. Ein Blick von mir aus der Wollwurst heraus, und er versuchte super, das Ruder rumzureissen. Ich erlöste ihn mit ‚SO jung waren die Damen an der Decke nicht mehr … und einen BMI von 30+ hatten die auch.’
Kurz darauf gingen wir an einer herrlichen Kirche vorbei, in der am heutigen Abend ein Konzert stattfinden sollte. Vivaldis vier Jahreszeiten und Mozart irgendwas.
M.:“ Also in D-Dur geht das ja mal gar nicht.“
Schön, wenn einen der eigene Mann nach Jahrhunderten noch so tief überraschen kann.

Frische Idee nach einem wirklich wirklich miesem Essen für ein Heidengeld im Innenstadtbereich (was uns regelmäßig ein Mal pro Besuch passiert):
Ein Blog für Restaurants, die man besser auslassen sollte inkl. Grund und Rechnungskopie. Sozusagen das Gegending zum wirklich geschätzten restaur.antville.
Was mir dabei noch einfällt: Heute Morgen sehr einmaligen Ausschlag in Form von hysterischer Haut im Gesicht um die Mundgegend herum gehabt. Werde den Koch aus der Hospoda gestern Abend verprügeln müssen, und ihm dann sämtliche Eimer Fondor und Salz wegnehmen!

reisenotizen, tag 3. /prag

Tschechien ist ein Land Prag ist eine Stadt, wo ich meine ganzen Allergien (eine!) mal so richtig leben kann. Gestern Abend (inkl. der ersten Hälfte Nacht) waren also meine Beine ab Knie abwärts dran. Juckend wie Bolle lag ich im Bett, laut lamentierend, wo wohl in diesem wirklich miesen Abendessen noch Platz für ein Pfund Fondor gewesen sein mag. Ich meine, Hühnchen und Gemüse, nicht chinesisch, da fragt man sich doch auch gleich: Warum?
Warum hatte der Koch Angst vor laffem Geschmack, wo er doch schon im Hauptgericht einen Napf Salz, rund 12 Strünke Petersilie mit Grün, Sojasauce und Aioli versteckt hatte, quasi Essen Surprise. Und dann immer der sehr bemühte Ober, der noch irgendetwas retten wollte und mir diesen Fusel (gibt es eigentlich Wein in Dosen? Falls ja, dann hatte ich den.) eifrig nachgoss.
Schwamm drüber, im Hotel war ich dann halt mit Wadenkratzen beschäftigt und hatte eine super Idee. Falls mal wer Bauchweh hat und seine Wärmflasche rund 900 km zu Hause weiß, der hält sich einfach den Föhn Stufe 1 auf die entsprechende Stelle und gut ist.
Bitte machen sie das nicht im Bett/Badewanne nach!

Dann habe ich seit Sonntag wieder diesen inneren Hahn, der mich täglich zur gleichen Zeit weckt, aber den Grund nicht rausrückt. Seit Sonntag schnelle ich exakt um 5:30 hoch, weiß es schon, bevor ich in dunkelster Nacht den Wecker zu mir drehe, dass mich in rot die fünf, die drei und die null anlacht. Alles schläft, nur ich starre verdutzt in den Wecker.

Auch Schwamm drüber, irgendwann ist das wieder weg, vielleicht bin ich vorübergehend besetzt, besessen, von einem Zechenarbeitergeist, oder einem Jogger mit Bürojob, oder es ist meine Todeszeit aus dem letzten Leben, quasi statt stehen gebliebener Wanduhr, so was hat ja heute auch keiner mehr.

Dann, passend zum Ost-Tief, welches laut Nachrichten auch Deutschland schon schwer auf die Pelle rückt, meine Prag-Depression.
Die hat es in sich und lässt mich bei stechendem Ost-Wind schimpfend durch die Strassen laufen. Gott sei Dank bin ich ja jetzt frisch gefangene in meinem 3-meter (laufend!) Schal, so sieht man nur eine schwarze Wollwurst aus der gedämpfte deutsche Schimpfe kommt.
Busfahrer, Mütter, Nutten, Kneipenbesitzer, Passanten, Architekten, Gebäudebewacher, Kafka, alle bekommen ihr Fett weg, wenn ich meine Prag-Depression pflege.
Wenn ich das immer höre, hach, diese tol_le Stadt.
Toll ist der Innenstadtkern, toll sind die Dächer, die Museen, die Häuser, Gräber, Tauben, Knödel und Bier, alles wow, aber hör mir mit den Leuten auf. Im Restaurant wird man entweder abgezogen (nette Bedienung, alles kostet Extra, Essen katastrophal, Innenstadt) oder ignoriert trotz Muttersprachler und allem drum und dran (Essen sehr gut, Preise absolut in Ordnung, Menschlich unter aller Kanone, Randbezirke, kommt kein Touri nie hin.).
Stunden könnte ich abwägen, schweres Leben, billiger Schnaps und die neusten Handys (in Prag gibt es PRADA Handys von LG!), aber man kann nicht alles entschuldigen, anderen Ländern geht es auch mäßig, und die haben weder PRADA Handys, noch so unfreundliche Insassen. So.

Längst liege ich, warm und farbig gebadet (alles was vorhin aus der Wollwurst von mir herauskam war erfroren, nass und sehr grimmig gestimmt nach einer Stunde Metro und Bus) im Bett, gleich kommt Dr. House (in Prag hab ich mal wieder Zeit für Privatfernsehen und Herrn Laurie) und ich vertraue fest darauf, meinen 5:30 Termin morgen früh einfach mal zu verschlafen, schließlich ist das Urlaub hier, Sommer-Urlaub, ha!

reisenotizen, tag 4. /prag

Zuerst, für die Statistik: Ich habe den 5:30-Termin verschlafen und bin sehr zufrieden.
So.
Dafür gegen sieben aufgewacht, weil, und das ist eine Sache, die man unter ‚Ungerechtigkeiten’ verbuchen sollte, weil auch schlechter Kaffee das Haus durcharomatisiert. Ab sieben ist hier im Hotel Frühstückszeit, es riecht nach Kaffee und Speck. Das riechen alle, nur nicht der immer noch verschnupfte M., der neben mir den friedlichen Schlaf des Männerschnupfens schläft. Diese Anekdote hat kein rühmliches Ende, deswegen lasse ich sie hier einfach mal im Blatt versickern und mache an der Stelle nach dem Frühstück weiter. Sightseeing, heute man in bequemen, dafür zu kalten Schuhen. Man steckt auch immer das Falsche in die Tasche. Jkjk (Autorin ist gerade abgelenkt durch tschechisches Fernsehprogramm, in dem Vietnamesen verarscht werden.)
Sightseeing, Visegrád und sein wirklich phantastischer Friedhof, was für ein Platz!
(Für die Werber unter den Lesern: die BBDO hat direkt am Friedhof ein Büro, das nenne ich mal Arbeitsatmosphäre.)
Waren wir nicht gestern in der Jiri Sopko Ausstellung in der Galerie Rudolfinum? Habe ich da auch nur ein Foto gemacht (abgesehen davon, dass das ja eh mit Todesstrafe bezettelt ist, das Fotografieren in Museen, aber mein Mobiles macht das ja Tourette-mäßig und aus der Hüfte, quasi in Eigenregie und autark.)? Ja, gut, eins. Aber die tief pennende Zimmerwächterin musste einfach für die Welt festgehalten werden. Aber die Ausbeute und der WoW-Effekt ist bei weitem nicht so arg gewesen, wie auf dem Friedhof. Was für Grüfte, Engel, Jesusse (tschuldigung, aber da es ja nur einen gab, gibt es sicher auch keine korrekte Mehrzahl für Jesus), und dann die Büsten auf den Steinen! Mitten drauf auf dem Friedhof atmete ich tief durch und rief, wie phantastisch, HIER liegen Menschen, Geschichten, die haben (hatten) ein Leben und ein Gesicht, Persönlichkeiten, nicht Asche unter genormten Steinen mit einheitlicher Typographie wie bei uns in Deutschland. Gut, es ist ein alter Friedhof, der hier um die Ecke vom Hotel geht furchtbarer kaum, aber auch auf dem alten werden noch Leute begraben, wenn sie nur berühmt genug waren und vorsorgend dachten noch zu Lebzeiten. Auf dem Friedhofsklo dann die Eingebung, dass abends, nach Toresschluss und Dämmerung sich dann alle an der Hauptgruft treffen und ein bisschen plänkeln und den Tag reflektieren. Wer wurde heute am meisten von den Touristen fotografiert, wem haben sie das Blumengesteck stibitzt, so in etwa.
Danach, sehr lebendig hungrig, einem Schild gefolgt, auf dem sich ein Restaurant als super und mit original Cz-Küche bewarb. Wir gingen durch einen kleinen, nassen Tunnel und kamen auf der Strasse heraus, prallten quasi direkt auf die Restauranttür. Ein Blick auf die Karte, Ortung ist NICHT Innenstadt, also alles bestens. Das Beste Essen seit Sonntag, Danke Himmel, so wird man belohnt, wenn man Friedhöfe lobpreist.
Freue mich schon auf die Waage am Wochenende. Jeden Tag drei Hauptmahlzeiten (warm) und zwischendurch diese Küchlein mit Puddingquark, Mohn und Pflaumenmus, wo die Tschechen sagen, dass sei doch kein Essen, und ich durch fehlendes Fachvokabular nicht rufen kann ‚ABER sehr Energiereich!’, und dann zu jeder Mahlzeit (außer Frühstück, aber wenn man wollte…) einen Liter Bier aus Kübeln, das gibt einen lauten Aufschrei (und einen bauch, wo keiner hingehört).
Um ein Uhr (!) mit einem Bauch wie Obelix aus dem Restaurant in die nächste Tram und zur nächsten Ausstellung karren lassen. Direkt an der Moldau, über Etagen und laut schnaufend (das Bier!) Otto Gutfreund und Frantisek Kupka, ganz neu, vorher war Warhol. Das alles kann man sehen im Museum Kampa, die eine der wohl schnaftesten Lagen in Prag inne haben. War jetzt nicht so meins, aber kann man mal machen. Danach weiter zum nächsten Kaffee gewandert, diesmal ein Touriplatz, das Cafe Slavia. Schöne, laute Kaffehausatmosphäre mit leckerem Kaffee und Kuchen (schwimmt auch in Bier) und freiem Blick auf das frierende Gewusel draußen.
Ein wenig Innenstadt gucken (falls mal wer Kloplätze in der Prager Innenstadt braucht, bitte schreiben sie mich an, ich kenne alle Möglichkeiten, um Bier und Kaffee wieder loszuwerden), danach die nächste Stunde Weg zum Restaurant Schwejk, altes Viertel, wo wir sonst immer bei Opachen gewohnt haben. Wieder Essen, der nächste Liter Bier. Ich träume von Salat, Käse und ganz tiefroten und schweren Rotwein in lauer Luft, ich sitze in einem zugequalmten Restaurace, in der ‚Salat’ aus drei Schnitzern Rotkohl und einer Scheibe Gurke besteht, und es ansonsten nur Fleisch und Bier gibt. Gut, ich übertreibe. Aber nur ein ganz klein wenig.
Den Rest des Abends in stabiler Seitenlage mit RTL und der Supernanny verbracht, in jeder Werbepause ein Bäuerchen.

reisenotizen, tag 5. /prag

‚Auf einem Baum ein Kuckuck (Simsalabimbambasaladuusaladim)’.
Das ist doch mal ein Einstieg in einen Text und in einen Tag, weil: dieses Lied hatte ich direkt nach dem aufwachen im Kopf, und das wollte da auch nicht mehr weg. Was an sich gar nicht mal so unüblich wie doof ist. Nur wenn es, wie dieses Lied, mehrstimmig ist, dann wird es anstrengend in der Hirn-Disco. Am Ende setzte ich aus Personalmangel Comicfiguren ein, und so sang ich mit den Peanuts und der halben Futurama-Besetzung im Kanon und dann war auch gut.
Man sollte im Leben alles zu Ende bringen, auch die Ohrwürmer.

Gestern habe ich mich übrigens wieder mit Prag ausgesöhnt, aber nicht komplett.
Eine der wirklich guten Seiten ist, das man sein eigenes Leben zu Hause noch ein wenig mehr zu schätzen weiß. Ich jammere nicht oft, ich maule eher manchmal, aber wenn ich hier nur die paar Haltestellen vom Hotel zur nächsten Metrostation hinter mir habe, die, wo der Bus zwar mit einem Platten fährt, aber keinen Hund mitnehmen würde (Hunde, Pommes und nochwas ist strengstens untersagt im Bus). Wo der Busfahrer vorne einen Eimer zum flotten aufwischen Einsatzbereit stehen hat und sich beim fahren eine Busfahrerstulle schmiert, aber keinerlei Rücksicht auf die durch den Bus kugelnden Alten nimmt, die sich bei der rabiaten Fahrweise kaum auf den Beinen, geschweige denn an den Haltegriffen festklammern können.
Und bloß keine Hunde!
Hat man die Fahrt einigermaßen ohne Rippenbrüche und ausgekugelte Rentner hinter sich gebracht, sieht man einst pastellfarbene Plattenbausiedlungen, Garagensupermärkte und spätgebärende Tauben, die sich genau so durchbeißen, wie jedes andere Lebewesen hier.
Die Zeitungen in der Metrostation sind umsonst. Jeder, der einen Stift halten kann, löst während der zugigen Metrofahrt Sudoku und liest, dass heute Abend um zehn (wenn alle von ihrer 12-Stunden-Schicht kommen) das neue H&M eröffnet. Hurra.
In der Metro Schweiß und Alkoholgeruch, noch vor zehn am Morgen, und das ist Oktober, im Dezember ist das alles noch einmal um ein paar Gramm schlimmer.
Wenn ich sage, dass Prag mich nach ein paar Tagen mental erschlägt, meine ich genau das, und nicht die tollen goldenen Dächer, die man von der Burg von oben sieht. Ich meine die Gesichter der Menschen, ich meine den Opa, der kaum aus dem Bus, geschweige denn schnell genug in die Metro kommt, zittrig und langsam. Die Zeit und das Umfeld ist ohne ihn immer schneller geworden, M. hilft ihm in die Metro hinein. Ich meine die Billig-Läden die an allen Ecken reinen Ramsch anpreisen. Was bei uns in Deutschland die 1-Euro-Läden, sind hier normal, getoppt von dieser Kette namens ‚Bankrott’. Man guckt sich blind an Ramsch, Tinnef und Mist, für die Touristen und die Bestverdiener die normalen Ketten von Zara bis New Yorker. Dazwischen Würstchenbuden und Bohemia Crystal.

Heute wieder eine Ausstellung, die größte in der Woche, in der Prager Nationalgalerie. Fünf Etagen, angefangen von Schinken in Oil bis hin zur Multimedia-Installation im zweiten.
Ansonsten gefühlt acht Mahlzeiten, davon fünf warm, der Rest süß. Ich möchte bitte die nächsten Jahre kein Fleisch mehr essen müssen, und muss mir ab morgen erst einmal wieder abgewöhnen, zu jeder Mahlzeit einen Liter Bier zu trinken. Eben hat der Hotelchef den Kochlöffel geschwungen, es gab richtige Czech Cuisin, Chefe schwitzte und ich bekam Rind auf dem eine Scheibe Zitrone, ein Klacks Preiselbeersauce und (!) ein Pfund Sahne in steifer Lebensform trohnte, dazu die üblichen fünf Scheiben Knödel und Bier. Jetzt kann ich nicht mehr sprechen, liege in stabiler Rückenlage auf dem Bett und tippe quasi mit Nasenspitze und Füssen und freue mich wie Bolle auf die Fellchen morgen Abend. Und auf da Gino, seinen Billig-Wein und die wirklich herzliche Bedienung dort. Und auf die Fellchen!
Vermissen werde ich Opachen, den wir täglich besucht haben, den wir übernächste Woche in Paris wieder treffen werden, und der mich mit seinen 85 Jahren wieder mitten auf die zwölf geknutscht hat, Schlawiner der.

Gute Nacht Prag.

reisenotizen, tag 6. /prag-schwandorf-nürnberg-düsseldorf

Ganz knapp, weil eine scheiss Laune drauf.
Halb sieben dröhnt mein Mobiles mit ‚Nordisch by nature’ los, frühstücken und um acht zum Bahnhof. Dort in einem zugigen Zugabteil Stunden lang im Durchzug auf die Landschaft gestarrt, Zugfahren ist für mich wie Zeitung blättern. Bis nach der Grenze gestarrt, ab dann war Deutschland, ab dann war Streikland, Hurra. Irgendein Astrologe oder Menschenkenner muss mir irgendwann einmal erklären, warum wir in Sachen Prag IMMER in Schwandorf landen. Jedenfalls standen wir dort, die Wagen, welche uns nach Nürnberg bringen sollten, wurden abgekoppelt, Nürnberg hieß, in knapp zwei Stunden zwei schöne Sitzplätze im ICE, der uns flott nach Hause, aber so weit waren wir noch lange nicht.
In Schwandorf auf dem Koffer in der Sonne gesessen und gemault. Mit uns zig Schulklassen, Sportvereine und Bundeswehrsoldaten, die alle, war ja schließlich Freitag, die alle nach Hause wollten. Und wir. Irgendwann die Durchsage, der Regionalexpress fahre nach Nürnberg, kommt um 14:01, und ein Blick auf die Fahrtpläne zeigt, das dieses Teil tatsächlich 1,5 Stunden für das bisschen Strecke braucht, und unsere Reservierungen somit für die Tonne waren, weil Regionalexpress und ICE sich um 20 Minuten verpassen. Darauf folgten zwei Stunden eingepferchtes Regionalbahnbummeln mit allen, wer auf Klo musste, hat Pech gehabt, kein Platz zum durchgehen. Schön war auch unser Platz, immerhin, der direkt an der automatischen Tür war, in der zwei Leute campten, und die somit alle 10 Sekunden nervige Geräusche machte, diese sehr laut, weil sie ja so nicht arbeiten konnte.
Hatten wir alle Spaß. Kurz vor Nürnberg dann die Durchsage, das dieser Zug jetzt doch nicht nach Nürnberg fahren würde, sondern eine Haltestelle vorher, Punkt.
Hatten wir alle Spaß.
An dieser Haltestelle ging dann ein Ruck durch die Leiber, alles schnappte nach seinem Gepäck, als die nächste Durchsage kam, man solle bitte den Zug doch nicht verlassen. Stocksteifes harren der Dinge, Kragen platzten, etcetera. Fünf Minuten später fuhr der Zug dann doch weiter, alles klatschte und freute sich.
Hatten wir alle Spaß.
In Nürnberg dann den nächsten ICE gen Düsseldorf ausfindig gemacht, immerhin, und dann das nächste große Hallo: schon bei Ankunft überfüllt. Ein bisschen rhetorische Dreistigkeit, und wir quetschten uns an einen Stehtisch im Bordbistro, immerhin Quelle von Getränken und Stullen, immerhin etwas, zum anlehnen, Party-Stimmung allerorts.
Ein Weizen nach dem anderen wurde ausgeschenkt, im Bistrowaggon eine Hitze wie im Urlaub, ich freute mich, dass es meine favorisierte Bionade-Sorte gab.
Hatten wir alle Spaß. Und das noch über vier Stunden, herrlich.
Irgendwann stieg ein Pulk stark überschwänglich getrunkener Eintracht Fans ein. Auch schön, hat man ja sonst wenig Gelegenheit zum aktiven Austausch. Ratet, wer das Alpha-Wölfchen der ganzen Bagage direkt an der Schokoladenseite sitzen hatte? Genau.
Handzahm bekommen nach nur drei Minuten, ich bin eine Frau aus dem Pott, ich kann mit so Jungs umgehen. Jedenfalls ließ er mich am Ende in Ruhe meinen Kehlmann weiter lesen, empfahl trotzdem nachdrücklich den Harry Potter, der sei so echt, und ab zu der Bierquelle.
Hatten wir alle Spaß.
Ich lasse jetzt aus Platzgründen aus, die Sache mit der kaputten Lok, dem Reset aller Systeme (…wird gleich das Licht ausgehen für einige Minuten), dem warten und stehen und dem schlechten Essen, was über solch eine Bordbistro-Theke geht.
Dreizehn Stunden nach Abfahrt schlossen wir unsere Wohnung auf, fielen uns mit den Fellchen in die zig Arme und beendeten den Abend beim Stamm-Italiener im Viertel, der wusste, wie er uns gezielt satt und blau bekommt. Zwischen dem letzten Bissen Tiramisu und einschlafen lagen gute zehn Minuten.

Hatten wir Spaß!

Doch nicht knapp, dafür Thema Rückfahrt dank Text austherapiert. Das war Prag 2007, 2008 haben wir nur noch eine Reisemöglichkeit offen, und zwar übers Wasser.
Und ich bin jetzt schon gespannt, wie und warum wir dann in Schwandorf landen werden!


Freitag, 13. Oktober 2006

Prag ist im Set.

Dieses Mal rein mit Mobiltelefonkamera geknipst,
weil sämtliche Technik streikt.



(Bitte Bild pressen, Danke.)


Donnerstag, 28. September 2006

seefahrt.



(Bild klicken, aktuell sein, Prag gucken.)


Noch einmal arbeiten, noch ein paar mal Husten, heute Nacht in Bayern stranden und bis nächste Woche fern von Meer und Häfen tingeln.
Mittlerweile habe ich Lieblingsplätze dort, und ich werde bei den Toten sitzen. Goldene Dächer, Knödel und Bier, Dichtervolle Friedhöfe und

George Samsa wakes one morning to find he has become a giant insect.

Mehr braucht es nicht, dieses Prag.


Dienstag, 12. September 2006


Liège an einem einzelnen Samstag Mittag.

seefahrt | © Lu um 10:16h | keine meldung | meldung machen?

Donnerstag, 31. August 2006

reisenotizen, 16. seite.

Sonntag, 25. Juni 06

Paris - Düsseldorf

Sintflut, 17°C Paris (29° in Dedorf)


„Von Ghetto zu Ghetto.“

Es gibt Städte, in denen wache ich absolut gerne auf, und Paris liegt da komischerweise weit vorn. Diese Stadt, die genau genommen nur an einem langen Strang mit Nebengassen so richtig schön ist, der Rest Schmuddel und Moloch, sich ausweitend wie eine Flechte. Aber trotzdem! (sowieso eine absolut tolle Antwort auf vieles, „Trotzdem“.)
Heute morgen also auf Tantchens Couch mit einem satten Grinsen wach geworden, und da gestern Abend ein schlauer Mensch einen Riegel vor Sightseeing geschoben hatte, und wir statt dessen ein wenig per Pedes durch Bagnolet und seine neuen, künstlichen Parkanlagen liefen, die entfernte Gewitterfront anhimmelnd, schoben wir also heute früh los und einen weiteren Riegel zwischen Eiffelturm und frühe Abfahrt. Wir wollten nicht weg.

Wie viele Küßchen zum Abschied nun gewechselt wurden, ich weiß es nicht mehr, in Paris knutscht man ja vier mal zu jedem Anlass, also zwei mal pro Seite pro Person, und selbst wenn man nur mal etwas länger auf Toilette war, kann es einem Blühen, dass man der sehr herzlichen, wenn auch sehr feuchten und vor allem Zeitaufwendigen Prozedur direkt noch mal unterzogen wird, zur Sicherheit. Da kommt keiner unterknutscht raus, aus der Stadt, so auch wir nicht. Noch die Wangen trocken rubbelnd fielen wir in den nächsten Supermarkt ein, der, wie die anderen hier auch, Sonntags geöffnet hat und von bewaffneter schwarzer Security geschützt wurde. Komisches Gefühl, so am Sonntag Morgen in einem Supermarkt mit Knarre im Augenwinkel. Der nette Wachmann schenkte mir am Ende noch ein Schokoladenbonbon, und die von Tantes Nachbarin in einer Garage eingesperrte Katze wurde auch noch flugs befreit, himmel, sind die allte nett da! Die Nachbarn sind übrigens Jugoslawen, schon seit ewig in Paris lebend, mit einer Katze namens „Tina“. Kann mir das bitte mal wer erklären? All das sind Kleinigkeiten, die den Tag mit Andenken füllten, und nun diese Seite hier.
Kurz darauf mit M. wieder im Pariser Stadtverkehr. Der muss mal als Franzose gelebt haben, so einheimisch wie der die Innenstadt befährt. Ich kenne selbst Franzosen, die in Paris jede Fortbewegung mit dem Auto meiden wie der Teufel das Weihwasser, nicht so M., der mit runtergekurbelten Fenstern fröhlich mitmischt, schimpft und Taxifahrer abhängt. Ich, ganz die gelassene Beifahrerin, kralle mich am Gurt fest und schreie wild gestikulierend wie einhändig Fussgänger an, welche bei rot gehen und uns anmaulen, weil wir bei grün fahren. Herrlich, wenn jeder seine Rolle kann. Die spinnen, die Pariser.

Und so dehnten wir den Vormittag und unsere kaum noch aufschiebbare Rückfahrt Teil 3 um ein weiteres mal Eiffelturm gucken bei strömenden Regen, laut bemeckernd, dass die tatsächlich neue Strassen einmal um den Turm rumgeteert haben, auf das die Amis nur noch aus ihren Reisebussen fallen und ein paar Meter zum Aufzug gehen müssten.
Das es Sinn macht, auf der grünen Meile, auf hellem Kies auf dieses Bauwerk zuzulaufen, darauf kommen die scheinbar nicht mehr.


(Ein Stück Pariser Himmel. Es regnet, deswegen auch ein Stück Schirm.)

Noch einen Café Crema in St.Germain, mit warmer Tarte und einem Eimer voll Viertelflair, und das alles für lasche wie knappe 20 Euro, das ist halt auch Paris.
Die nächsten 500 km bei übelstem Platzregen inklusive einer anfänglichen Ehrenrunde – wie immer ohne Stadtplan – auf der inneren wie äußeren Peripherique vom klitschnassen Paris, die uns eine Extrarunde von 40 Minuten immer links rum einbrachte, all das lasse ich im Detail weg. Am Ende kamen wir in Düsseldorf an, es war drückend, und das Gewitter brachten wir gleich aus Belgien mit.

In der Wohnung Ameisen, mein Balkondschungel halb tot und eine Unlust auf Düsseldorf, die sich in Frankreich aber mal kräftig gewaschen hat. Katzenjammer und Fellchenfreude!
Das sehr dünn wirkende Leaderfellchen freut sich halb blöd, alles schnurrt und wir schweigen entzückt, gucken später zerknittert Fussball, essen trotzig labbriges Baguette, welches die Reise überlebt hat.
Morgen arbeiten, kein Laptop und eine fühlbare Wende vor der Tür, das wird heiter.

-fin-

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Du weißt nich, was hier los ist, und warum Du mitten in Frankreich liest? Hier gehts zum Anfang:

Tag 1
Tag 2
Tag 3
Tag 4
Tag 5
Tag 6
Tag 7
Tag 8
Tag 9
Tag 10
Tag 11
Tag 12
Tag 13
Tag 14
Tag 15


Mittwoch, 30. August 2006

reisenotizen, 15. seite.

Samstag, 24. Juni 06

Couhé – Amboise – Blois- Paris

Gewitter & Sonne, 33 °C


„Von Sightseeing und Flüssigwerdung“

Das morgendliche Aufwachen wird immer besser. Heute morgen ging das so:
Erst ein ohrenzerberstender Donner, so einer von der peitschenden Sorte, und dann im direkten Anschluss ein „Huch“ (ich) und ein „ACHDUSCHEISSE!“ (M.), alles aus einem Zelt, es war zehn vor sieben.
Vor dem Zelt Totenstille (die Kröten, welche mich und meinem Zeltkoller die ganze Nacht wachhielten mit ihrem herzigen Werbungsgegröhle, die hielten eingeschüchtert vom bevorstehenden Weltuntergang endlich mal den Rand!) und netterweise ein paar Angler auf der anderen Uferseite, also so drei Meter Luftlinie entfernt, die mein „ach, morgen früh strull ich einfach ins Dickicht“ direkt im Keim erstickten und zur Toilettenhauswanderung nötigten.
Was macht man zuerst, wenn die Welt untergeht? Genau. Ich rannte mit einer Zahnbürste und einem Handtuch bewaffnet Richtung Klo-und Waschhaus, und M. machte uns noch flott einen Instantkaffee, während er anfing, die Zelte abzubrechen (sorry, der musste sein!). Als ich nach knapp zwei Minuten (mal wieder persönliche Bestzeit geschafft) zurück rannte, konnte ich an den verdutzten Gesichtern aller englischen Camper locker ablesen, dass die mich für völlig verrückt hielten, immerhin rannte ich mit einer Zahnbürste Richtung Wildnis.
Und erst auf dem Rückweg sah ich die ganze bedrohliche Front über uns, und die war mächtig schwarz. Als gute Bloggerin dachte ich natürlich, noch schnell ein Photo, so viel Zeit muss sein, aber das bekam man nicht auf einen Chip, das musste man gesehen haben.


(Leider konnte auch Photoshop die unermessliche Dramatik des Himmels nicht erretten, man muss sich diese denken.)

Der Rest war eher so „Spiele ohne Grenzen“. Blitz wie Donner gaben sich quasi die Klinke in die Hand, wir stopften Auto bis es aus allen Ecken quoll, die Mimose Claude bekam noch eine Dusche ab und wurde als letztes, mit den Body-Boards ins Heck gewuchtet, und mit ein paar nassen Dingen waren wir um Punkt 7h20 fertig.
Abreise erst ab 8h00. Na ja.
Während wir im Waschhaus nasse Zeltböden mit Zewa trocken rubbelten, kam Betriebsamkeit auf. Es wurde gespült, verdaut, gelacht und geduscht. Ich dachte, ein bißchen Stil muss sein, auch auf einem Campingplatz, und holte meine Wimperntusche aus den unendlichen Weiten von Auto. Und während ich so im Rückspiegel gelassen vor mich hintuschte, hörte ich in der einen Sekunde noch direkt neben mir ein fröhliches „Good morning“ und gleich darauf ein lautes, dumpfes Glucksen, und zwar genau so eins, wie es ein Chemie-Klo macht, wenn es hurtig entleert wird. Direkt neben mir! Es folgte ein Marsch von Engländern mit Waschzeug, die noch eben schnell das Chemie-Klo unterm Arm hatten, gefolgt von einer Madame in einem Bademantel auf dem in Kursiv „Hot Dog“ stand. Die Kamera war leider unerreichbar, dafür hatte ich jetzt getunte Wimpern, die Nacht mit Zeltkoller sah man mir heute erst mal nicht mehr an.

Für den heutigen Rückreisetag nahmen wir uns die Schnellstrassen und die Loire vor. HERRLICH, sag ich da. Mit ein paar Tagen mehr Zeit sollte man da durch und in jede Höhle mit Tür sollte man da rein, Wein probieren der dort allerorts gepriesen wird. Bei einer Strassenanzeige von 41°kann man sich selber phantastisch in jeder dieser Höhlen vorstellen, an edlen Tropfen nippend und „Hmmmm, c’est bon!“ jubilierend.
Es sah so verdammt toll aus, und wir hatten keine Zeit mehr übrig. Na ja, dran vorbei ist besser als nie gesehen, gerechtigkeitshalber besichtigten wir dann gegen Mittag Amboise, assen wie mindestens ein ganzer Trupp Götter in einem oberschnuckelsuperhinterhof (tschulldigung) köstlichste Kreationen in vier Gängen, und eierten danach in Roségeneigter Haltung durch die schmalen wie heissen Gassen an den Herrensitzen vorbei. In einem Schloss war ich auf einer öffentlichen Toilette und dachte, dass die hier in Amboise entweder eine Menge Stil oder zu wenig Platz haben.


(Amboise. Was aß und strullte ich fürstlich in Dir!)

Nach einer kleinen Ewigkeit an Loire flatterten wir lecker schwitzig und auf Abenteuer eingestellt in die Pariser Peripherique ein. Und mir bleibt nur eins zu sagen: Wie wir das immer schaffen, Tante tatsächlich zu finden, ohne Stadtplan, nur mit dem ausgestrecktem Finger im Wind, das bleibt mir ein ewiges Rätsel, aber Glück scheint auch da eine gewichtige Rolle zu spielen.

Jetzt sitze ich wieder in dieser kleinen Strasse in diesem urbanen Viertel, auf der kleinen Treppe, wie schon vor etwas über zwei Wochen und kritzel Seite für Seite des Moleskine voll. Gleich soll es weiter gehen, rein ins Paris, St. Germain, vielleicht noch ein Friedhof oben drauf, gibts ja genug hier, und ich fühle mich bleiern. Aber warum aufhören, wenn man morgen schon wieder im doofen wie gewohnten Umfeld sitzt?
Die Fellchen, auf die freu ich mich, der Rest ließe sich mitnehmen, woanders lieb haben oder einladen.

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Dienstag, 29. August 2006

reisenotizen, 14. seite.

Freitag, 23. Juni 06

Aureilhan - Couhé

Sonne, 37 °C


„Adieu.“

Wacht man morgens auf, weil einem ein weiblicher Nashornkäfer quer über das Gesicht tapert und in unmittelbarer Nähe eine Horde Pferde laut schnaubend gallopieren, das alles noch in der feuchten Morgendämmerung, spätestens dann weiß realisiert man wieder, wo man die letzte Nacht verbacht hat: mitten auf dem Land.
Während ich Claude um seinen Kaffee brachte, und geschlagene 20 Minuten unter der Dusche brauchte, bis ich diesen Kater von gestern weggeduscht hatte, schlief M. unglaublicherweise bis elf am Vormittag. Ich ging zwischendurch jede halbe Stunde in unserem Zimmer mit einem kleinen Spiegel in die Knie (er musste auf dem Boden schlafen) an die Matratze, und sah nach, ob er wirklich noch atmete. (Bei dem Atem mit Restalkohol war der Spiegel hinterher blitzeblank, ganz ohne Chlor, aber das nur am Rande.) Landluft und Waldesruh, das haut jeden Städter aus den Socken. Hätte ich nicht wieder meine Antipathie gegen Federbetten schwer wie Wasserleichen entdeckt und dadurch bei der erstbesten Gelegenheit Bettflucht betrieben, inklusive Nashornkäferweibe, ich wäre auch bis Mittags in Tinkerbells Armen geblieben.

Und jetzt? Die Säckle sind wieder verschnürt, im Gepäck befinden sich noch zwei frisch erstandene und gar nicht so frisch miefende Stücke Ziegenkäse und ein von Claude frisch gehobener Mimosenbaum in XS-Format. Ist ja nicht so, als müssten wir die nächsten Stationen mit unkomplizierten Handgepäck reisen, nein. Wir nehmen lieber verderbliche, jetzt schon starken Geruch abgebende Lebsnmittel mit, zerbrechliche Flaschen mit gutem Wein UND eine Mimose, die den Namen nicht umsonst trägt. Claude, wie ich die Mimose nannte, guckt jetzt schon ganz sickig und hat alle Blätter pikiert eingerollt. Na gut.
Wir wir das alles durch drei Tage Hitze (heute 37°, man wird gegrillt, kaum setzt man einen Fuss in die Sonne) bekommen sollen, das erzähl ich dann nächste Woche, fürs erste bin ich jetzt mal gespannt, wo wir die kommende Nacht landen und schlafen werden.
Mo und der Menschen-Claude winken, bis wir die 500 Meter Einfahrt hinter uns gelassen haben, ich habe plötzlich was im Auge und schniefe ein ganzes Tempo voll.


(Couhé. Auf der Suche nach dem Campingplatz sagte die Frau, wir sollten ihrem Wagen folgen. Es war so einsam dort, das ich dachte, ich mache ein letztes Beweisphoto, wo die Profiler am Ende was zu knobeln haben, wenn sie unsere ausgekochten, angenagten Knochen und die Speicherkarte aus der sterilen Plastiktüte holen.)

Jetzt ist „heute Abend“. Ich sitze auf einem Stück Wiese, man könnte auch „Landzunge“ dazu sagen, neben mir zwei Arme stehendes Gewässer, es ist 21h00 und immer noch brütend warm.



Neben mir, im Wasser, zieht eine kleine Schlange ihre Kreise, ein Nutria beisst krachend in Algen und über Auto schweben seit Ankunft ungezählte aber grob geschätzte 500 Fliegen, schwarz und augemergelt. Das könnte eine lustige Nacht werden, denke ich da nur an die Kombination stehendes Gewässer und Stechfliegen. Oh, Kröten hats hier auch, irgendwer stimmt gerade die Meute aufs Konzert ein, und da, im Unterholz direkt hinter mir, da knackt und kracht es sehr laut, ich dreh mich aber jetzt nicht um, ICH NICHT.

Ich weiß nicht warum, aber wir haben uns nach schweisstreibender Fahrt tagsüber endlich auf diesem Campingplatz hier eingefunden, es ist relativ leer, und wir sind an die allerletzte Ecke gefahren, wo uns weder wer sieht, noch hört. Hielt ich vor einer Stunde noch für gemütlich UND logisch, jetzt frage ich mich, wo M. so verdammt lange bleibt, das Toilettenhäuschen ist doch nur knapp einen Kilometer entfernt, und was knackt da hinter mir eigentlich so Gänsehautprodizierend? Das Nudelwasser bröppelt auf dem Campinkocher, und ich denke an die Geschichten zurück, die jeder schon mal gehört hat. Deutsche auf französischen Campingplätzen bedroht, behauen, beschimpft, mit Teer und Würstchen überschüttet etc. und die Gegend durch die wir fuhren war geschichtlich arg belastet, was das angeht.

Egal, ich tue das, was eine Frau tun muss, ich mach jetzt eine phantastische Sauce und hoffe darauf, das M. tatsächlich den Weg in unsere Einöde wieder findet, ich will hier nicht für immer bleiben, ich leide doch unter Zeltkoller.



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Montag, 28. August 2006

reisenotizen, 13. seite.

Donnerstag, 22. Juni 06

Mimizan Plage - Aureilhan

Regen + Sonne, 29 °C


„Fahren, oder nicht fahren … das ist die Frage.“

Heute waren wir vor allem mal eins : Touristen. Erst putzten wir Haus ab sieben Uhr am Morgen, sehr deutsch das alles, propre!, wie der Franzose da immer wieder gerne schwärmt. Als wir gegen Eins dann die Schlüsselübergabe hatten, bekam ich auch wieder normal Luft. Ich falle alle Jahre wieder auf diese Chlor-Reiniger rein, die in Deutschland seit Ewigkeiten aus Gesundheitsgründen für Mensch wie Umwelt längst entschärft oder einfach ganz aus dem Verkehr gezogen wurden. Als ich das Bad damit eingeweicht hatte, konnte ich nur noch die Flucht nach Rückwärts antreten, und den Rest einzig in Etappen mit angehaltenem Atem und sehr gereizten Augen flott wegspülen. Aber das Bad am Ende: wie neu.
Danach, quasi wieder auf der Strasse, kauften wir erst einmal drei Postkarten, einen Schal und vier angeblich handgedrehte, selbstgezimmerte Hartwürste auf dem Markt, wo der sehr französische Wurstmacher zum Abschluss noch einmal Werbeunterstützend jede einzelne Wurst an seiner Nase vorbeizurrte, mit Schnurrivollkontakt, und ihr phantastisches Aroma pries.
Mit Schal, Wurst und keinerlei Heimweh ausgestattet sassen wir dann noch ein bißchen in einem Strandcafé mit dem wirklich hammer-supi Namen „Le Fun“, tranken Au lait und aßen Sanchwiches und fühlten und sehr komisch bei all dem. Da sassen welche, die machen so Sachen jeden Tag, jeden Urlaub, inklusive der Bildzeitung vom Vortag, die es hier an einem Kiosk zu kaufen gibt. Diese ganzen paar Stunden Touritums ließen wir mit Altglas wegbringen enden, inklusive aus Versehen mit Auto die falsche Ausfahrt der gut versteckten Glastonne nehmen und gemütlich auf dem Fahrradweg Richtung Wald fahrend. Erst als der Weg extrem schmal wurde, und eine Frau sich das Kissen auf die Balkonbrüstung warf zum bequemen mitgucken, da ahnten wir, da stimmt was nicht. Schwamm drüber, als Tourist darf man so was, dafür lassen wir keinen Müll liegen.

Jetzt, Stunden später, sitze ich in vollgeblümter Bettwäsche in Mo’s Gästezimmer, in der Küche brodelt Nudelsauce Marke „Allerlei da, alles da drin“, sämtliche Alkoholvorräte werden laut bejubelnd entkorkt und wenn alles seinen normalen Gang geht, dann fallen wir erst heute Nacht ins Bett, von innen desinfiziert wie das Bad heute Morgen.

Für morgen steht die 3-tägige Rückreise an, und ich denk mir grad mal ganz bei mir: mal sehen, ob wir hier tatsächlich wegkommen. Von Wollen kann da eh keine Rede sein.
(Aber die Fellchen, die Fellchen …)


(Abschiedsmoment. Alles nass.)

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Donnerstag, 24. August 2006

reisenotizen, 12. seite.

Mittwoch, 21. Juni 06

Mimizan Plage

Sonne, 28 °C


„Sommersonnenwende, oder Der längste Tag der Welt!“

Teil 1, 18h50: Wenn man den Morgen schon mit einem kellertiefen Seufzen beginnt, trotz Sonne, trotz Brandung als Geräuschkulisse, trotz Urlaub, hoppadi, da merkt man schnell, dass man manche Dinge wohl ungebeten mit in den Urlaub nimmt, als Seelenbeschwerer. Hoppada. So wie Taucher, die gehen ja auch mit Gewichten ins Meer, um besser unterzugehen.
So in etwa.
Der Tag blieb dann so. Völlig Energielos durch den Supermarkt, Bordeauxflaschen schleppend, mit hinterher schleifenden Flügeln, später in Mo’sGarten mit innerlichem Flunsch alles platt gegrübelt, und zu guter letzt noch am Strand den Atlantik zum Rückzug gezwungen, mannmann, war der am Ende weit weg. Nur ich Miesmuschel saß noch da und guckte den Wellen hinterher, mit innerer Brandung und Seegang.
Irgendwann raffte ich mich und mein Frottehandtuch dann doch auf und schleppte alles direkt in die Küche. Ich finde Küchenerleuchtungen persönlich ja viel besser als Kloerleuchtungen, und so kann ich jetzt, eine Stunde später der Welt verkünden: Es ist quasi der letzte Tag hier, also der letzte richtige Urlaubstag, gefühlt. Morgen ist Hausübergabe, morgen wird geschrubbt, morgen ist vieles das letzte Mal, so zum Beispiel das wundertolle Aufwachen hier, mit Brandung und lecker Seeluft. Und danach geht’s wieder rückwärts, drei Tage nehmen wir uns Zeit für die Rückfahrt. Was soll ich sagen? Keine Lust auf Deutschland, nur die Fellchen fehlen mir zu meinem Glück. Wir überlegen, ob wir nächstes Jahr eine ganze Saison hier verbringen sollen, aber es fehlen entscheidende Dinge, es ist am Ende doch nur ein Urlaubsort, und kein Fischerdorf, in dem ich uns sehe, mit Möwen, mürrischen Alten und einer drallen Bäckerin.
Wein! Ich mache jetzt einen Wein auf. Es ist 19h00, der Fisch zieht, der Salat trocknet, die Dusche gurgelt, heute ist Midsommer, einer meiner Lieblingstage im Jahr und ich gebe hier die Miesmuschel in Person. Pöh!

Teil 2, 23h50: Die Vollendung eines schrägen Tages ist ja wohl ein Abend mit einem Anruf, der klassischerweise direkt als Nachtisch zu einem phantastischen letzten Abendmahl kommt. Das Leaderfellchen, 1210 km entfernt, verweigert die Nahrungsaufnahme, sähe aus wie ausgekotzt und hat wohl genau das ausgiebig getan. Er würde in sämtlichen Seilen hängen, kommt es leicht hysterisch aus meinem Mobilen, die Katzensitterin ist aufgeregt. So stehe ich in einer Ecke außerhalb des Hauses, wo ich noch Ansatzweise Empfang habe, beruhige sie, es könne an sich nichts arges sein, wir hätten kein Gift im Haus und nach so einer Umkehrung von Innen nach Außen würde sie auch erst mal nichts aus der Dose wollen. Aufgelegt, losgeheult.
1210 km, und ich ging mit M. sämtliche B-Pläne durch, von Nachts losfahren, sollte er in drei Stunden immer noch nicht fressen, bis hin zu geeigneten Tierarztbegleitern, die uns diese Aufgabe aus der Ferne abnehmen könnten.
Der Spaziergang zum Sonnenuntergang war angespannt, ich innerlich mit meinem Leaderfell verbunden, konzentriert, gut zuredend.
Dann der Anruf, alles wär okay, er hätte den ganzen Napf leer gemacht und verlange gerade lautstark Nachschlag. Entwarnung, und wir fahren also nicht über Nacht zurück nach Deutschland. Vor lauter Freude hab ich direkt eins der Bäder komplett sauber geschrubbt, bis M. mich mit Gewalt von Chlorreiniger und Feudel trennte und mit dem Kopf Richtung Bett
deutete. Letzte Nacht in Haus, Happy Midsommer.


(alte Kirche um die Ecke, Freudenhaus für um die 20 Katzen)





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