Samstag, 24. Dezember 2005

ein abgesang.

drei anläufe, diesen letzten eintrag unter 2005 zu beginnen, alle mist weil völlig depremierend.
aber so bin ich heute - depremiert bis an die haarwurzeln. depremiert, weil völlig zerstresst, depremiert, weil der komplette druck der letzten sieben monate hoch kommt, depremiert, weil ich nicht da sein kann, wo ich will :
in den tiefen meines bettes.

( ich sitze im auto und denke, vor einem jahr hat er mich abgeholt, am bahnhof in bingen.
"schön das du da bist, spatz. mutti hat magen-darm."
nachmittags gingen wir im wald spazieren, wie wir an heilig abend immer gemeinsam der wohnung verwiesen wurden, um spazieren zu gehen, während meine mutter zwischen baumschmuck und küche hin und her rannte. den obligatorischen krach gab es meist am frühen nachmittag, passend zur frühen dämmerung, danach war ruhe. und spaziergangszeit.
letztes jahr sprachen wir über das jahr davor, wo heilig abend ein paar tage vor seiner ersten operation lag. er hätte angst gehabt, sagte er. sehr große angst. aber jetzt, jetzt wäre ja alles gut, es ginge ihm phantastisch.
heute, wieder ein jahr später, reicht ihm ein 80x80 cm stück erde. in der küche liegen auf einem haufen drei eingepackte geschenke, und eine kerze. meiner mutter was zum auspacken,
für den den kleinen haufen asche, zu dem sie immer noch
"ich geh jetzt zu deinem vater" sagt, gibt es eine kerze vom drogeriemarkt, und einen keks. )

im bett würde ich verwahrlosen. ich würde alles lesen, was die letzten monate daneben liegen blieb. ich würde selber liegen bleiben und staub ansetzen. vollbäder, alte filme, keksdosen leer essen, ein glas milch ans bett holen und mit den fellchen teilen. musik, schlaf, wald. warme socken, schwimmbad mit beheiztem aussenbecken, herrenschokolade im kino.

gestern abend mit lieben freunden und 1,5 liter rotwein. ich weiß jetzt, wie jägermeister mit baileys schmeckt, und an die
andere mischung kann ich mich leider nicht mehr erinnern. auf dem nachhauseweg gemerkt, dass ich meinen normal-zustand, also gelassen, mittig und fröhlich, aktuell nur mit extremer körperlicher anstrengung und darauf folgender enstpannung hinbekomme, oder eben mit alkohol. ob ich mir da jetzt einen gedanken zu machen muss ? nein. der ist-zustand gezeichnet wäre ein teekessel mit schrillender pfeife. mache ich die augen zu, falle ich gefühlt ins bodenlose. ich hoffe, der druck läßt nach, mit den tagen, die das jahr beenden.

noch ein paar stunden weiter, und wir sind auf der autobahn. prag, über neujahr, kafka in frosterklima, m. hat heimweh, und das schon seit monaten. mir fehlt die energie, mich -wie normal- zu freuen und die tage verbringend zu sehen. ich kann stundenlangen ausflügen nichts entgegenhalten, heute jedenfalls noch nicht. vielleicht haben wir schnee, vielleicht auch ruhe.

gerupft aus 2005 in 2006. ich wünsche mir nicht viel, nur das es etwas ruhiger wird. bitte keine toten, bitte etwas mehr zeit zum reisen, und gesundheit für alle, wie pathetisch das auch klingt. das letzte jahr war wenig zuckerbrot und viel peitsche. aber die schönen stunden unter freunden, jede einzelne begegnung, ob mit bekannten oder unbekannten menschen, jede geschichte und jedes lachen, jeder tratsch und jedes geteilte glas wein, das kann einem keiner nehmen, und ich hab alles genossen.

ich wünsche euch allen eine schöne zeit, egal wie ihr sie verbringt.
habt euch lieb, denkt auch an die, an die jetzt vielleicht wenige denken, bringt euren überfluss unters volk und rutscht gut und flüssig rüber nach 2006.

danke für eure zeit mit mir, hier wie dort,













Lu.


Donnerstag, 22. Dezember 2005


manchmal ist es wie eine abreise, wenn man ein buch zuklappt und diese welt verlässt. bei guten geschichten geht es nie ohne mindestens einen tiefen seufzer.
machs gut, cal.


Mittwoch, 21. Dezember 2005

von eben bis jetzt

letzte nacht im traum sag ich zu m. "komm lass losgehn. nach hamburg."
er: "nagut."

beim aufwachen ein lied aus dem mai im kopf gehabt. an menschen wie urlaub gedacht, und den kopfwurm den ganzen tag wie einen warmen kuchen mit mir herum getragen. den ganzen tag.

wintersonnenwende. einer meiner drei lieblingstage im jahr. der andere der anderen beiden ist die sommersonnenwende, weil ich da oft am meer saß, und dachte, das es echt wundervoll ist, am meer die sommersonnenwende zu erleben. der zweite der beiden anderen ist mein geburtstag, weil das für mich anlass zum einzigen und wirklichen prinzessinnentag im jahr ist. und heute also wintersonnenwende. da bin ich meist zu hause, und das meer weit weg. die längste nacht ist rum, und ich habe sie tief verschlafen. so tage würde ich gerne anfangs in einer warmen grotte verbringen, mit feuchter luft, milchkaffee und wenig besuchern in der therme. den rest des tages abwechselnd kino und essen. wintersonnenwende liebe ich doll, weihnachten weniger doll. für samstag habe ich eben erfolgreich telefonisch fisch bestellt. viktoriabarsch. den isst sogar meine mutter. ich werde ihn mit cherrytomaten, rosmarinkartoffeln, salat und viel wein auf den tisch bringen.
ich hoffe, wir sind schnell drüber, und der abend schnell vorbei. im anschluss koffer packen. stadtflucht, silvesterfluch.
alles noch weit weg, aber schon tatsächlich in drei und vier tagen. elend, du hast engelsflügel und kekskrümel auf dem leibchen.

dinge, über die ich mich richtig auslassen wollte, positiv, und es bis jetzt nicht schaffte : jamie oliver's school dinners, wo zumindest ein satz mit "einen orden an mister oliver" beginnen würde, und über douglas tompkins, der sich mindestens einen kompletten satz flügel inkl. winterflügel verdient hat. aber und leider : nicht heute.

das leaderfellchen hatte heute wieder ausflusgtag mit auto. laut maunzend reist der katz am liebsten, da fühlt sich selbst das radio überflüssig. nach fünfzehn minuten über die autobahn war er weder heiser noch müde, und ich ein fall für sedierenden tee. akkupunktur, eigenblut, riesige hunde durch gläserne türen gucken und ein rasiertes bein später ein kleines loch in der kasse und sehr viele fellhaare auf dem pullover. jetzt schnuuft er leiser und hat demonstrativ gute laune, die anlage hat sich also wieder gelohnt.

später ein kaufrausch im bioladen. m. sackte fleisch ein, ich kümmelkäse. es wäre mein erstes fleisch seit monaten. bin noch argwöhnisch, ob ich wirklich reinbeisse.

ausserdem, wo ich grad bei tier, reinbeissen und ethik bin: da wollte ich noch verschweigen, dass ich neulich abends am fernseher einen sturzbach an tränen in ein tempo drückte, als ich auf einem peinlichen sender einen bericht über gut aiderbichl sah, und durch das tempo schniefte, dass ich das auch machen würde, wenn ich geld hätte. einen platz für alle, die keiner mehr will, tier und kind.

jetzt feierabend, dusel und einen wirklich heissen wein, der in der flasche hockt und wartet. gestern abend geöffnet und im wechsel mit m. die verschiedenen geschmacksnuancen versucht zu erschmecken. m. suhlte sich nach einem glas in erstaunten und nun echt höchsten tönen, schmeckte tatsächlich lakritz, holz und kaffeenote heraus, während ich schon mit dem zweiten glas durch war und immer noch mit ach und krach auf der lakritze herumschnaltzte. so müssen sich männer angesichts weiblicher, multipler orgasmen fühlen. ich sass ihm gegenüber, hegte bei jedem neuen "aaah, jetzt, JA!" langsam argwohn und nuancen-neid, wo ich doch nur eine note schmeckte.
der ausgleich der geschlechter findet halt am abendbrottisch statt, wer hätte das gedacht ...


Samstag, 17. Dezember 2005

liebes tagebuch.

abfahrt 9:23. nach einer nacht wie in einem iglou, dank ausgefallener heizung ( fehlermeldung 133 in rot, digital und hektisch blinkend, mehr kryptik brauche ich morgens um 6:55 nicht ), einem kargen frühstück und mit ratlosen geichtern, wie dieser tag, übertitelt mit
"und heute erst nach hause, wenn alle weihnachtsgeschenke an bord, der wagen gewaschen und fürs internet fotografiert, UND der kühschrank voll ist", kurz gausamstag bewältigt werden soll, ohne persönliche verluste und tote.

petrus, der kleine scheisserlingel, drehte prompt die regler auf "volle kanone", so das wir aus dem haus gingen und mitten in einem schneeschauer standen. nach 50 sekunden war ich durchgefroren.

auf den strassen dann seltsames. puderzucker von oben, leere unten. die erwarteten blechschlangen richtung innenstadt, saturn und kö ... fehlanzeige. deswegen langsam angehen lassen, stern-verlag, bücher gucken. nach einer halben stunde einen berg bücher gen kasse schleppen, diesen als fetisch bezeichnen und zufrieden und gewärmt aus dem parka gucken. frisur sass noch. zu fuss zur , saturn als ziel. mutter will heizkissen zum fest, lu will DVD zum abend, wir gucken kameras. alles zu bewältigen, die strassen voll gröhlender holländer, selbst die fifty-fifty-verkäufer sind noch motiviert. der schrecken aber, der lauerte eine ecke weiter. in der altstadt ( lu will zu LUSH, essen und so rumgucken halt ) ist krieg. schirme against kinderwagen, mensch gegen mensch. die niederlande scheinen heute leer zu sein, ganz holland auf düsseldorfer weihnachtsmarkt glühwein trinken, mützen mit elchgeweihen tragend.
an dieser stelle überspringe ich ermattet, irgendwann nach endlosen, eiskalten momenten spuckte uns die stadt wieder aus, und mir war so wenig nach nähe, dass ich in der autowaschanlage meinen persönlichen thrill ausliess, und nicht mit durchfuhr. auto bekam vorwäsche, vollschaumbad, unterboden-schutz, heisswachs, alles alles alles. ich stand draussen, verzitterte gefühlt eine sacher-torte an energie und dachte an die ballistik-badekugeln bei LUSH, die, einmal in die volle wanne geworfen, um die 15 minuten sprudelspass mit aroma bedeuten. mitgenommen habe ich leider keine, so dass ich jetzt neidisch auf das eingeschäumte auto gucke und wie ein flummi neben der waschstrasse hin-und herhüpfe.
gegen die stadt war aldi wie urlaub, das sagt wohl alles.
zu hause als es dämmert.
kaffee.
17:51.
blog voll.
müde.
tschö.

( ps: lieber weihnachtsmann,
wenn du das hier liest : ich wünsch mir zu weihnachten eine flasche doppelherz schnaps für die nerven. den rest findest du links auf meinem amazon-wunschzettel, von dem soeben harald schmidts "mulatten in gelben sesseln" und harry rowohlts "der kampf geht weiter" lächelnd gestrichen wurden, weil in sicheren tüchern, hurra!

danke!
deine lu, menschenkind. )


Donnerstag, 15. Dezember 2005

vier stunden.

einer der düsseldorfer kragensittiche sassen laut tschiepend auf der trennwand zweier balkone. von innen zwitscherte es zurück, etwas höher, und ich blieb stehen um zu sehen, was der freie sittich als nächstes tun würde. er legte den kopf schief, öffnete den schnabel, gähnte herzhaft und tschiepte als antwort gleich doppelt so laut. der eine die freiheit, der andere das futter. wer fühlte sich mehr vom leben betrogen ?

sie taucht wie ein hai als umriss in ihrem fenster im erdgeschoss auf, ruft glasklar hallo-hallo, immer gleich, immer zweifach. sie ruft leute zu sich, winkt dabei knapp mit den händen das „komm her“. manche kennen sie, meist aus der unmittelbaren nachbarschaft. viele meiden sie, ebenfalls aus ihrer unmittelbaren nähe. andere sind verwundert, denken sie doch, sie würden einer lieben alten frau vielleicht helfen können, dieses hallo-hallo könnte eine art hilferuf sein, wer weiß das schon.
man müßte eine kamera installieren, denke ich während mein schritt langsamer wird, welche die flut der empörten gesichter einfängt, wenn sie erneut einen an der angel hat, und ihre standard-erzählung bringt. als ich vorbeigehe, extra langsam, das steht ein herr mit hut und wachturm-blättern in der hand vor ihrem fenster und sie fragt ihn, ob er ihr nicht grad mal eben eine flasche bier kaufen könnte, weil der peter, der wär mit dem ganzen portemonnaie weg, und den schlüsseln, und sie käme nicht hinaus. eine flasche bier nur, sie würde auch am fenster warten. sie lebt allein und ist dement, ich kenne das schon, aber der mann mit hut, der guckt empört und ich sehe gerade noch, dass er ihr den wachturm durchs fenster reicht, als ich um die ecke gehe.

in der bahn neben mit zwei teenie-mädchen, identische ausführung. hüftjeans eine nummer zu klein, moonboots mit bömmeln, weiße steppjacke und zopf. jede jeweils einen stöpsel des mp3-players im ohr, die mir gegenüber sitzende singt jeden dritten satz mit, sie hören bushido.

ey, singt der arsch „deine mutter ist so viel wert wie ein pfund pfirsiche“, ey. voll geil der typ.
versteh ich nich, wie kann ne mutter … isch mein, ey, wie teuer sind so pfirsische ?

(stille)

ey, weißte, wer mir gestern abend sms geschickt hat, ey? der ahmed. Schreibt der …warte, ich geb dir mein handy.
(die andere liest laut vor: ) „ey, du bist süß. ich find dich voll geil.“
ist DAS der hammer ? schreibt der mir so sms, ey. ich meine, süß geht ja noch, aber voll geil ? hat der se noch alle? ich bin 14, und der is 26. so ein penner.
(die andere liest in der zwischenzeit alle sms) geht ja gar nicht. zehn jahre, okay, hab ich ja auch manchmal, aber zwölf jahre
älter, geht gar nich.
ne.

in der stadt laufen innerhalb einer stunde um die sieben frauen und ein mann voll in mich hinein, starren blickes, irgendeinen stand mit dingen im blick. ich bin weder unsichtbar noch klein, aber mein groll verteilt sich wie schlacke auf den gedanken an menschen, an weihnachten, an die stadt und an den kaufwahn. erschöpft komme ich aus einem kaufhaus, nach erfolgloser suche nach einem heizkissen, meine mutter wünscht sich ein heizkissen zu weihnachten. ich wünsche mir nicht mehr als ein erdloch zum reinspringen und drin wohnen, gebe aber offiziell ein buch in auftrag, überrascht wird man ja heute eh kaum noch. als ich durch die pustlüfter nach draussen gehe atme ich tief ein, nur um mitten in einen ehestreit zu geraten. beide mitte fünzig, gut gekleidet, jeweils eine tasche in der hand. sie ist gerade dabei, wie ein karpfen nach luft zu schnappen, während er die pause nutzt und ihr paroli bietet. sie solle nicht immer jeden scheiss auf ihn übertragen, er würde sein leben so leben, wie er es für sich für richtig hält. ihre routine, jedes jahr das selbe, er wüsste schon jetzt, wie die kommenden jahr wann wie werden würden, und es kotzt ihn an, das könne doch nicht alles sein. sie, wieder bei luft, keift, was daran falsch wäre, die kinder fänden es schließlich auch schön. die kinder, die kinder, äfft er sie nach, die kinder seien erwachsen mit eigenen kindern, das würde sie bloss verdrängen. und überhaupt, immer ihr plump kumpeliges gehabe vor den kindern. er, der böse vater, der ja immer was neues bräuchte, sie solle ihn doch einfach in ruhe lassen, es wäre sein leben, nicht ihres.
ich stand zwei meter neben ihnen, fummelte an meinem handy und wollte wissen, was als nächstes geschah, konfliktlösung, streitkultur oder trennung kurz vor weihnachten, direkt am kaufhof ? sie waren so aggressiv, so bitter, es lag so viel verletztes um sie herum und ich dachte, wenn sie noch weiter macht, mit dieser verzickten stimme auf ihn einschreit, dann vergisst er sich und haut sie um.
das tat er dann nicht, aber er drehte sich wortlos um, und ging. er ging einfach weg, und liess sie stehen. sie rief noch hinter ihm her, was denn jetzt mit den einkäufen sei, und ich dachte, die merkt es echt nicht, aber man sitzt nicht drin. vielleicht machen sie dieses spiel jedes jahr mitte dezember, vielleicht sehen sie sich auch nie wieder.

als ich nach knappen vier stunden wieder zu hause bin, fühle ich mich leer und müde. ich habe keine lust auf weihnachten, der stress widert mich an.


Dienstag, 13. Dezember 2005

invisible.

er sagte, er könne nur an europa denken, die ganze zeit. wenn er sitzt, raucht und einen kaffee trinkt, dann kreise sein ganzes denken nur um europa. er sitzt in einem halben haus am meer in ceuta, und bindet zwei kanister zusammen, mit denen er übers meer schwamm. er hat sie unter sich gebunden, sie gaben ihm sicherheit im offenen meer. und ja, es wäre kalt gewesen, es war ja im dezember. man müsse was riskieren. wer nichts riskiert, der gewinnt nichts, sagt er. sein name ist oumar und sein europa ist nur fünfundzwanzig kilometer über das wasser von ihm entfernt. einmal übers meer, das müsse er noch schaffen. er möchte in einem café sitzen, mit seiner familie telefonieren und sagen, das es ihm gut ginge, dort in europa. wenn sie fragen, wo er wäre, würde er sagen, hier, ich bin hier.

an editas wand hängen photos, alt und vergilbt. hier, das bin ich, sagt edita, mit meinen beiden schwestern und meiner mutter. und das in meinem frisörladen in ecuador. edita ist transexuell, singt beim wäsche waschen laute lieder aus ihrer heimat, und spannt eine plane im wald auf, wo sie anschaffen geht. sie sagt, sie hätte schon viele arbeiten gemacht, in ihrem leben, und die vier jahre im bergwerk, die wären gut gewesen, es hätte viel geld gegeben. sie hat grübchen beim lachen, trinkt viel bier, und liebt paris. wird sie ausgewiesen, dann bleibt sie eine oder zwei wochen in ecuador, und fliegt zurück, zum nächsten versuch nach paris.

prince kommt aus nigeria, und wartet in dem abschiebegefängnis in tilburg auf seine ausweisung. er zeigt photos von seiner frau hier in deutschland. sie seien nicht verheiratet, aber gelebt hätten sie wie mann und frau. auf dem nächsten bild ist er mit ihrer mutter zu sehen, sie stehen in einer küche und umarmen sich. lucky days, sagt prince und wird zum flughafen gebracht. dort weigert er sich einzusteigen, und wird in die unit x gesteckt, ein gefängis im gefängnis für menschen wie ihn, die nicht nach hause wollen. er hat eine wunde an der stirn und blaue flecken an den handgelenken, die polizisten waren nicht unbedingt nett zu ihm. prince spricht nur gut über europa, es gäbe hier keine gewalt, sagt er. seit dem er in europa ist, hätte er keine gewalt auf den strassen erlebt, wie bei ihm zu hause. er sagt, es wäre ein guter platz um zu leben, zu arbeiten, und frau und kinder zu haben. und er wäre kein krimineller, auch wenn er illegal hier sei.
als er zurück in lagos ist, wird er in der folgenden nacht von bewaffneten männern ausgeraubt. er sagt, er ist nicht mal drei tage zurück in seiner angeblichen heimat, und könnte schon tot sein. geld für einen rückflug, einen neuen versuch, das hätte er nicht mehr.

einzelgeschichten, fünf stück. menschen, die gott danken, jeden tag, für ein leben das unsicherer kaum sein könnte. illegal in fremden ländern, immer die hoffnung, es könnte gehen, man hätte einen neuen platz zum leben. sie schlagen sich durch, sie sind fleissig, halten zusammen und hängen photos aus der heimat auf. malika sagt, sie hätten ein normales leben geführt, ganz alltäglich, und nie daran gedacht, das es anders werden könnte. anders heißt, das ein krieg ausbrach und sie als familie zu illegalen flüchtlingen in polen wurden. sie sehen grau und müde aus, die erwachsene tochter spricht nicht, und alle zusammen möchten sie ein restaurant eröffnen.

ich denke oft, wer zieht die grenzen ? gerichte urteilen über menschen, die freiwillig in einem loch leben, fast mittellos und ihr ganzes leben in einem land ließen, das sie bedroht, weil sie gegen den strom dachten, nicht mit in den krieg wollten oder mitten drin sassen und dank krieg alles verloren. sie haben menschen dort, die sie vermissen, sie sind einsam und danken trotzdem gott, allah, dem himmel oder dem meer für das, was sie am tag haben.

eine nachdenkliche doku, einblicke in leben, die man nicht täglich trifft, weil sie nicht öffentlich sind.

oumar übrigens, den sah man später auf ein paar bildern in einem café sitzen. oumar mit einer tassee kaffee, oumar mit einem mobiltelefon, oumar in europa.
man konnte ein bißchen lächeln, am schluss.


Freitag, 9. Dezember 2005

kulissentausch.

ein traum, in dem ich selber nicht ich selber war. ich sah anders aus ( leider ), und ich hatte echt bescheuerte freunde (leider2 ), mit denen ich im traum durch die nacht zog. drei männer, drei frauen, eine kneipe. wir nahmen drogen, und auf die gehe ich kurz näher ein. die lagen rum wie mini dvd's oder kleine reclam-heftchen, und hatten themen. nahm man diese, veränderte sich die kulisse komplett. als beispiel : hätte man herr der ringe eingeworfen, sähe dementsprechend die umgebung aus. zurück in die zukunft, und man sass in einem amerikanischen wohnzimmer in zeiten, als männer noch brisk benutzten und man sich auf einen shake traf. was die zweite wirkung der droge anging weiß ich nicht, ob es an der droge oder an den protagonisten meines traumes lag, die sehr starke stullen-anteile inne hatten. jedenfalls war alles etwas, sagen wir mal, abgestumpfter und enthemmter.
soweit recht große zeitverschwendung, aber der wecker rasselte mit mitten in der nacht mitten aus diesem traum, ich war desorientiert und im wachen zustand etwas verblüfft. das ist das erste mal, dass ich mich daran erinnern kann, mich nicht selber geträumt zu haben. die thematik passte null, die leute ebenfalls nicht, und abgesehen davon, dass die drogenidee eine ganz interessante ist, passt das eben auch nicht.
normalerweise bestehe ich meine träume, suche mir passend zum thema die mitspieler aus und ab dafür. da werden knoten gelöst, da wird sich amüsiert, wege gefunden und dinge verarbeitet, und am ende geht man noch auf einen absacker, wie mein ur-oppa malte jetzt sagen würde. diesmal aber nicht.
ein teil von mir machte diesen traum durch, ein wenig erstaunt, und noch ein teil erkannte teile des traums, das kennen ja manchen, das man im traum denkt " hey, das kenn ich, und gleich kommt der drache und dann...".
ist es möglich, aus versehen in fremde träume zu rutschen ? hab ich mich in der tür vertan, und jemand anderes hatte dafür letzte nacht meinen traum ?


Dienstag, 6. Dezember 2005


die letzte nacht alles andere bekommen ( wein, nüsse, 2 milliarden kalorien in lustigen staniolpapierchen, mandarinen ) ausser schlaf. den gestrigen tag hauptsächlich mit sperrangelweitem mund verbracht, unterbrochen von heftigen schluckaufattacken ( meine mutter mit dauer-an-mich-denken wars nicht, die hab ich nach dem zweiten anfall direkt angerufen, mit drohender stimme ) ( bleibt nur das bio-sauerkraut aus dem fass als verursacher, und das konnte ich nicht anrufen. ) und "tschulldigungs", wegen dem gähnen und dem dazugehörenden, ausufernden streckens, was gegen nachmittag schon fast als grobmotorisch bis komatös umfallend bezeichnet werden könnte.
naja.
jedenfalls lief mein rechenchip letzte nacht auf hochtouren, ich plante mein halbes leben nicht, dafür andere dinge komplett, ohne einen zettel zur hand zu haben, und die wichtigsten eckdaten zu notieren. hätte ich zu zettel/kladde/notebook greifen wollen, hätte ich als erste hürde m. überbrücken müssen, der tief schlafend mit einem wirklich vollmondähnlichem klammerreflex ausgestattet war, letzte nacht, und da ich alleine exakt eine dreiviertelstunde brauchte, um mich aus der einschlafklammerschraube zu lösen, wollte ich einen erneuten anschlag auf meine leicht zu greifenden körperteile ersparen und lag flach atmend in der dunkelheit, eine wand getrennt von den werzeugen, die ich benötigt hätte. hürde zwei wäre die bretterbarriere zwischen küche und diele gewesen, die aus drei nicht zusammengehörenden elementen, also brettern, besteht, und diese haben nur einen zweck : laut prollende frühaufsteherfellchen auf der einen seite, und tief schlafende futterspender auf der anderen strikt voneinander getrennt zu halten, so spannend kann es ohne türen sein. hätte ich hürde eins und zwei genommen, stünde ich vor hürde drei, einer sehr erfreuten fellwand, die sich in der dunkelheit in vier teile spaltet und gleichzeitig losschnurrt, weil menschen in der nacht sehr beliebt sind, als nackenkrauler und ganzkörperliege.
so lag ich flach atmend in der dunkelheit meines plümos, dachte an alle drei hürden und kam zu dem ergebnis, dass ich, sollte ich jetzt einen fuss auch nur ansatzweise bewegen, in einer knappen halben stunde aus diesem raum käme, um dann in genau 32 minuten von einem laut brummenden fellberg, der je nach grad der erregung auch noch das einspeicheln treffsicher beherrscht, auf der couch mit dem bauch nach untern fixiert würde. ob ich dabei auch nur in die nähe von kladde, laptop oder stift kommen könnte, das stand in den sternen.
der letzte blick auf den wecker, den untermalte ich mit einem lauten hrmpf ( aber bewegungslos ) um genau 3:34, danach lief ich mit weißen kaninchen um die wette, sass mit bohlen und burnster in einer jury, die metalbands mit deutschem gesang castete ( ganz ganz traumtaisch ), und am ende, es war kurz vor morgengrauen, da hatte ich die erkenntnis, das ich dieses blog einzig und allein für kleine, braune erdmännchen führte. und es hat mich noch nicht einmal gestört.

wie soll ein tag werden, dem so eine nacht vorausging ? anderland ist ein scheissdreck dagegen. in einem schwachen moment, es ist ja nikolaus, dachte ich, ich schenk mir jetzt mal selber was, verließ müde die sichere couchdelle und war innerhalb der nächsten zwei stunden wieder aktives mitglied einen düsseldorfer fitnesstempels. in einen stiefel hätte das jetzt nicht gepasst, aber ich habs meinen lendenwirbeln geschenkt, und die tragen keine schuhe.


Montag, 5. Dezember 2005

zyklen.

nordfernweh. füsse im nebligen hafen baumeln lassen will ich.
ein bier trinken und den schiffen hinterherwinken. ein haus im friesenland für einen monat. kamin, drei decken, schal. essen, laufen, schlafen, meer, meer und meer. warmes essen in dicken pullovern, tee und muschelduft. einmal im leben nackig auf einem fell ( imitiat natürlich ) vorm kaminfeuer lümmeln und marshmellows rösten. abends kochen, gäste, geschichten. schreiben. schlafen. laufen. auf der rückfahrt einen stein in der tasche finden, und den ort wissen, wo er einen gefunden hat.
diesen an einen menschen verschenken, der fernweh hat, nordfernweh.


schritte.

ach, ein würstchen jetzt gebraten und mit braunen grillstreifen. ein würstchen mit senf, fettig und auf heisser platte gewendet, ein gefühl wie schwimmbad im sommer, kinderfüsse und delphine auf rotem badeanzuggrund. chlorwasser, hungerbauch und mama, mama geht mit meinen zwei kinderfüssen über heisse bodenplatten, richtung wurstbude, kartoffelsalat aus eimern, senf aus drücktuben, das toastbrot immer aufregend in dreiecke geschnitten. dreiecksbrot, tubensenf, kinderworte.
dreissig jahre später gibt es die demark nicht mehr, der fünfer früher ein schatz, ein schatz aus kindertagen, den man in der hand halten konnte, drehen und wägen. es gibt aber die füsse noch, und diese schauen jetzt sehr erwachsen aus der decke heraus, lackiert, beringt, nach kokus duftend. der rest, der an
diesen füssen liegt hat hunger, wie damals im schwimmbad. der magen brummt, die magenbesitzerin aber ach, sie isst kein fleisch, dazu es ist auch noch winter, nicht sommer, mogeln geht nicht, und doch dieser gedanke nach der süßen last des aases, mit tubensenf und dreiecksbrot.

kind geht in gedanken über heisse bodenplatten zur wurstbude, es riecht nach chlor, und auf der höhe des sprungbretts bekommt sie arschbombenwasser ab, gerade so viel, dass es dampft am boden. kind hat ein zweimarkstück in der hand und die ermahnung, sich den liegeplatz einzuprägen im ohr. es dreht es zwischen den fingern, das geldstück, ist verlegen in der reihe der großen menschen, die alle wurst wollen.
wurst ist grad alle, der herr der koch-und bratwürste geht mit verschwitztem nacken nach hinten, öffnet eine tür, hinter der es kalt erscheint und entnimmt diesem raum einen plastiksack mit grauem, glitschig wirkenden inhalt. koch schultert den sack, streicht sich den schweiß von der stirn und nimmt ein messer mit grauem, abgegrabbelten griff zur hand, schneidet den sack auf und läßt den gesamten inhalt auf sein bratrost rutschen. es macht ein komisches geräusch, kind kann es förmlich fassen, und dannn begreift kind, dass die köstliche wurst, die dort immer vom grill auf das pappschälchen kommt, dass diese ein vorleben hat, und dieses noch eins. vom tier zur wurst im raum hinter dem mann mit verschwitztem nacken, zur leckeren wurst, gegen magenbrummen. mit tubensenf und dreiecksbrot.

und du, engelchen ? eis oder ne wurscht ? sprach er kind an, die reihe vor ihm war längst bedient und zu sämtlichen schirmen des schwimmbads verschwunden. kind blieb die spucke weg. kurzes hadern, lust gegen erkenntnis, wie später im leben noch so oft, die bodenplatten hatten senfkleckse, das konnte kind beim abwägen sehen, der klassische füsseblick aus verlegenheit.
gibt es eis was schmeckt wie wurst mit tubensenf ?
er schwitzte und lachte, wischte sich erneut mit dem lappen über die stirn, und sagte, nein, das gäbe es nicht. wer würde das auch wollen ?
ich, sagte ich.
erdbeer oder nuss, beides im hörnchen, oder du musst ne wurscht kaufen, die schmeckt dann auch nach wurscht.
er wurde ungeduldig, engelchen hin oder her, die schlange hinter dem lockenkind mit ersten ansätzen von weltverbesserung wurde länger und brachte geld.
erdbeer oder nuss, du musst dich jetzt entscheiden, oder neu anstellen, kleine.
erdbeer, sagte kind, etwas erschrocken, mit sich ringend, ob nuss auch okay wäre.
das zweimarkstück glänzte in der sonne, als es von kind zu koch ging.

frau sitzt auf der couch, von appetit befallen. schuld ein bericht im fernsehen, kurz und unbedacht, die neue in-gastronomie in den städten. auf dem weg in die küche, mit unklarem ausgang, fällt ihr das fach im froster hinten links ein. ein erbeereis im hörnchen, dort verharrend für solche momente, die immer wieder einen weg finden, von früher ins hier zu kommen.
heisse bodenplatten, tubensenf, geldstücke und der gelb-braune schirm, der zu hause bedeutete.

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