Mittwoch, 5. Mai 2004

rheinischer klüngel

in tiefdruckgebieten wie diesen, welche uns hier in nrw seit einer woche gewitter um schauer bringen, kann man die mentalität der düsseldorfer, oder allgemein des rheinländers von seiner schonungslosesten und ungeniertesten seite kennenlernen.

man nehme folgende situation :

eine belebte strasse mit uBahn, bus- und autoverkehr, nach 18:oo MESZ, es donnert, es dröppelt vereinzelt, alles rennt in das nächstliegene haltestellenhäus-chen, welches mit überdachter gemütlichkeit frohlockt.
nun trug es sich die tage exakt so zu, und auch ich schlüpfte in ein solches haltestellenhäuschen unter, nicht zuletzt weil es gewitterte, als wolle zeus ganz düsseldorf ersäufen, nein, ich wollte auch mit dem bus nach hause fahren, um die zwei haltestellen bis zu meiner basis nicht schwimmend zu nehmen.
ich war die dritte besetzerin, und nach zwei minuten und einem weiteren blitz mit krachlederndem donner war die hütte gerammelt voll.
nun bin ich zwar gebürtige düsseldorferin ( hier gemacht, hier geboren ... ihr wißt schon ), aber trotzdem fehlt mir das verbrüderungs-gen, welches mich dazu kitzelt, wildfremden menschen in haltestellenhäuschen mein leben mitzuteilen, meine urlaubsvorlieben, mein abendbrot, welches im heimischen kühlschrank auf mich wartet, krankheiten und deren verläufe etc.pp.
ich steh lieber stumm in der ecke und warte auf den bus, schaue dem prasselnden regen zu, denke über den weltfrieden und schmutzige stellungen nach.
da hatte ich die tage in oben genannter situation aber die rechnung ohne den typus gemeiner düsseldorfer gemacht.
mit im haltestellenhäuschen- ensemble waren eine dame mittleren alters, typus geschwätzige vorzimmerdame, geschieden, mit perserkatze "romeo" zusammen lebend, einer türkischen kopftuchfrau, knappe 20 mit kind und gemüsetüten, ein berber vom büdchen gegenüber mit jägermeister-liter-flasche, zwei sitzplätze belegend, zwei arg adipöse schwestern um die 45, drei schülerinnen im bemühten spears-strassen-schwalben-look.
und ich. mitte dreißig, evangelisch, urlaubsreif, hungrig.

ein blitz zerriss die szene, ein donner krachte auf uns hernieder, der bus kam nicht. die fruchtbare basis für eine gesprächstherapie a la haltestelle, wo nur noch ein glas altbier fehlte.

schwestern 1+2 : der bus kütt nich *gucken unheilschwanger in die runde*
vorzimmerdame : stimmt, der kütt nich.
berber: müßte aba jleich... *hustet lunge ab*
lu: ...*starrt hungrig auf die gemüsetüten der netten türkin*
schwestern : ein wetterchen is dat ...
vorzimmerdame: ... und dann kütt der bus nit ...
schwestern: ...neee, ich kannen nit sehn...
berber: müßte aba ...*huuust*
lu: ... *überlegt, wie noch mal köfte ging*
schwestern: ... jaja, so is dat...
vorzimmerdame: ... un nich anders...
lu: ... *verkrampft sich, weil alle sie anstarren*
türk.mutter: ... is 24er schon wech?
schwestern: ... nä, der kütt wida nich ...
türk.mutter: ... imma dat gleiche, so ein kack ...
berber: ...kack...jaja, da sachste wat...*huuuust*
vorzimmerdame:... un ich han so wat leckeres im ofen, ich han nen hunger, sach ich ihnen, booohh...
schwestern: ... wat jibbet denn schönes, dann kommen wa mit ? ...

*alle lachen laut, hauen sich auf die schenkel, ich ziehe nach hause schwimmen in erwägung*

vorzimmerdame: ... ach, dat hab ich die tage in der zeitung, ein gaaanz einfaches rezept mit spargel ...

*alle : hmmmmmmmmmspargel*

vorzimmerdame: *erzählt nun ellenlang das rezept, der berber heult fast vor glück*
schwestern: ... DA! DA! der bus!
lu: ... *sieht keinen bus nix*
vorzimmerdame: ... wo denn ?
schwestern: ... da hinten! DA!
türk.mutter: dat ist die fuffzehn, die bahn, nix bus!
*das kind fängt an zu wimmern*
spears1-3: ey, machsu ma lauta?*hängen weiter am mp3 player wie an beatmungsmaschine*
türk.kind: hungaaaaaaaaaaa!
berber: ... ich och jezz ...
speras1-3: *singen*
schwestern: ... DA, der bus !

so, ich gehe mal leise aus dem dialog heraus, weil er sich genau so wie ein chorus noch drei mal wiederholte, nur dass die kochrezepte variierten, die strasse geflutet wurde und die schwestern ihre augen überprüfen lassen wollten.
ich habe übrigens die ganze zeit geschwiegen, das rezept für köfte fiel mir auch nicht mehr ein, die türkische mutter habe ich nicht danach gefragt, und der berber hatte bock auf spargel.
und als im bus dann ein schwarzer ( ist das aktuell politisch die korrekte ausdrucksweise, oder sagt man schwarz-düsseldorfer ? afro-rheinländer ? ) kontrolleur die fahrscheine sehen wollte, konnte der gemeine rheinische klüngel nicht umhin, einen schwarzfahrerwitz in die runde zu werfen. agnnn.

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Nee, wat han isch jelacht!

Hier regnet es auch. Aber bei den Hanseaten geht das ja nur
"Och, Regen."
"Jojo."
"Jo, Regen."
"Kommt der Bus nicht."
"Jojo."
"Jo. Der kommt nicht."

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hach, so schön diskret.

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Hmmm, mit dem Thema...
"schmutzige Stellungen" wären Sie aber die Heldin der Runde gewesen. ;-)

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Gawahhh!! Da, echte Lachtränen.
Vielen Dank fürs Chronifizieren (arbeiten Sie für Kempowski?)! Ich bin allerdings echt erstaunt über den konstruktiven Gehalt des Austauschs. In meinem Bayerisch-Schwaben hier wäre das Grüppchen nicht übers reine Schimpfen hinaus gekommen, in die Länge gezogen durch den Austausch ähnlicher Nahverkehr-Leidensgeschichten seit Anbeginn der Zeit.

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der rheinländer an sich hat sein herz auf der zunge, der hält nix zurück.
vielleicht wars auch nur glück ?!

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Und - zack! - wurde mein Kommentar gestern Lügen gestraft. Im Warthäuschen saß hinter mir eine dicke, übel hustende Frau, die mich gleich beim ersten Blick (merken: NIE direkt in die Augen schauen) mit dem gesamten Hintergrund ihrer Straßenbahnfahrt überfiel (Bügeleisen runtergefallen, Neuanschaffung umgehend erforderlich, weil Sohn am Samstag Schulabschlussfahrt antritt und sich doch furchtbar schämen würde, wenn er mit ungebügelten T-Shits ankäme...).

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an guten tagen schaue ich solche distanz-losen immer nett an, erfinde eine sprache und frage in dieser mein gegenüber irgednetwas. dann sind sie meist ruhig. an weniger guten tagen reicht französisch, an ganz schlechten tagen sag ich "danke" und geh ich einfach weg.

es gibt aber auch tage, da komm ich zu spät zur arbeit, weil ich klönschnack mit der supermarktkassiererin gehalten habe, oder mit der bäckersfrau.
ach.

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Müssense...
nach Nürnberg, da wird in solchen Situationen kein Wort gesprochen.

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