Donnerstag, 29. März 2007


"Nur ein Streifen von Bonnies Gesicht war sichtbar, dort, wo die Augen waren, und im silbernen Licht füllten sie sich mit Tränen. Unten im Dunkeln, wo ihr Mund war, stieß Joe Hill mit der Flasche zu. Ihre feuchten Augen weiteten sich. Ihre Wangen füllten sich. "Nicht runterschlucken", befahl Lux. Und dann goss Joe Hill Conley den Inhalt seines Mundes in den Bonnies. Er sahgte, sie habe während des ganzen Kusses die Zähne zusammengebissen und gegrinst wie ein Totenschädel. Der Pfirsichlikör wanderte zwischen seinem Mund und ihrem hin und her, aber dann spürte er, wie sie schluckte und sich entspannte.
Jahre später brüstete sich Joe Hill Conley damit, dass er die seelische Einstellung einer Frau am Geschmack ihres Mundes analysieren könne, und behauptete, diese Erkenntnis habe er ganz zufällig an jenem Abend mit Bonnie unter der Zuschauertribüne gewonnen. Er habe ihr ganzes Wesen in dem Kuss spüren können, sagte er, als sei ihre Seele durch ihre Lippen entflohen, wie in der Renaissance.

Zuerst schmeckte er das fett ihres Lippenstifts, dann das traurige Rosenkohlaroma ihrer letzten Mahlzeit und darunter den Staub verlorener Nachmittage und das Salz ihrer Tränendrüsen. Der Pfirsichlikör verlor an Geschmack, während er von den Säften ihrer inneren Organe kostete, die alle vom Kummer leicht sauer schmeckten. Manchmal wurden ihre Lippen sonderbar kalt, und wenn er dann linste, sah er, dass sie beim Küssen ihre verschreckten Augen weit aufgerissen hatte."

(Jeffrey Eugenides, 'The Virgin Suicides')

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