Donnerstag, 14. Dezember 2006
fünf sekunden vorwärts.
In den Schächten der Untergrundbahnen geht die Zeit, passt man nicht auf, um ein paar Sekunden vor. Heute war ich wieder Teil einer kleinen Verschiebung die zu meinen Ungunsten ausfiel, war ich am blass und still.
Ich wurde kontrolliert, als die Schulklasse in den hinteren Wagen stieg, in dem auch ich gerade mit dem Kontrolleur Phrasen tauschte. Die Kinder setzten sich, trugen Namen wie Nele, Marie, Max und Paul. Kein Kevin, keine Charlotte, und alle durch die Reihen hinweg hübsch, sauber, vielversprechend. Ich legte mein Buch auf die Knie ab und besah mir jedes einzelnze Geischt aufmerksam, sie waren so rein, stupsmasig und man sah die Eltern, Erbgut, Laufbahnen. Die Mädchen trugen alt-rosa, die Jungs Braun, alle hatten aufgeregt rote Wangen.
Den Blick wieder ins Buch versenkt, sprangen plötzlich zwei der drei Kinder um mich herum auf und schrieen Frau Korsmeier, Frau Korsmeier und hämmerten an die Scheiben. Im Untergrund von Düsseldorf gibt es Parallelbahnen, wo die U-Bahnen streckenweise nebeneinander her fahren. Für die Kinder war es ein Rennen, mir gefror im ersten Moment das Blut. Zwei, drei Sekunden der Erkenntnis, des Wiedererkennens, dann konnte ich weiterlesen. Natürlich, die Parallelstrecken, alles normal, bitte atmen sie weiter.
An der nächsten Haltestelle stieg eine hochschwangere Frau ein, mit ihr ein alter Mann mit adeliger Nase und betagtem Jagdhund. Alle suchten sich Platz, die Kinder kratzen mit den Schuhen an den Sitzen, die Bahn fuhr wieder an.
Der erste schrie auf. Da, DAAA! und plötzlich viele, kleine Beine in alt-rosa Strumpfhosen um mich herum, und ein Junge schrie immer lauter die Namen von denen, die er erneut in der Parallelbahn erkannte. Es ging von neuem los, der Wettlauf der U-Bahnen, der Hund legte sich mit großen Augen in eine Ecke.
Alles war wie immer, und doch konnte ich mich nicht mehr auf mein Buch konzentrieren. Die Kinderstimmen zu laut, die Bahnen zu nah, wohin ist plötzlich die ganze Luft entwichen? Ich zog den Reissverschluss meiner Jacke auf, mir wurde heiss.
Neben mir rutsche ein Kind ab, fiel hin und stieß sich das Becken an den Kanten der Sitze. Erst war es still, nur einen kleinen Moment, dann schrie es los und die Zeit nahm ihren Lauf.
Die Parallel-Bahn zu nah, die Kinder zu laut, die Schwangere fächelte sich Luft zu und plötzlich, mit ein paar Atemzügen war ich der Realität voraus.
Die Züge prallen zusammen, Kinder schreien, der alte Mann läßt die Leine des Hundes los, als es die Luft zerreisst. Und nur einen Moment weiter ist da das Blut, überall Blut, der Hund liegt in der Ecke und seine Luftröhre wirft Blasen, während er versucht zu Atem zu kommen und einen Laut zu geben. Sein Herrchen liegt bewußtlos zwischen alt-rosa Kinderbeinen, die Schreie sind erst verstummt, nur um dann doppelt so laut und schrill anzuschwellen. Nicht alle, nur ein paar. Die schwangere Frau ist bewußtlos, nur ihr Bauch bewegt sich, und dann die Gerüche. Verschmortes Kabel, heisses Metall, Blut, überall dieser Geruch nach Blut, es ist ein grauenvolles Szenario.
Ich lese verschwommen die Schilder der Haltestelle -
Heinrich-Heine-Allee. Meine Knöchel sind weiß, als ich meine um die Stange geschlossene Hand ansehe, wieder wahrnehme. Raus, nur raus aus dieser Bahn, diesem Einblick, gleich geht die Tür auf.
Der Hund des alten Mannes hat den Schwanz eingeklemmt, als sie nach mir aussteigen, und ich wundere mich nicht.
Welten verrutscht, wieder einmal.
Ich wurde kontrolliert, als die Schulklasse in den hinteren Wagen stieg, in dem auch ich gerade mit dem Kontrolleur Phrasen tauschte. Die Kinder setzten sich, trugen Namen wie Nele, Marie, Max und Paul. Kein Kevin, keine Charlotte, und alle durch die Reihen hinweg hübsch, sauber, vielversprechend. Ich legte mein Buch auf die Knie ab und besah mir jedes einzelnze Geischt aufmerksam, sie waren so rein, stupsmasig und man sah die Eltern, Erbgut, Laufbahnen. Die Mädchen trugen alt-rosa, die Jungs Braun, alle hatten aufgeregt rote Wangen.
Den Blick wieder ins Buch versenkt, sprangen plötzlich zwei der drei Kinder um mich herum auf und schrieen Frau Korsmeier, Frau Korsmeier und hämmerten an die Scheiben. Im Untergrund von Düsseldorf gibt es Parallelbahnen, wo die U-Bahnen streckenweise nebeneinander her fahren. Für die Kinder war es ein Rennen, mir gefror im ersten Moment das Blut. Zwei, drei Sekunden der Erkenntnis, des Wiedererkennens, dann konnte ich weiterlesen. Natürlich, die Parallelstrecken, alles normal, bitte atmen sie weiter.
An der nächsten Haltestelle stieg eine hochschwangere Frau ein, mit ihr ein alter Mann mit adeliger Nase und betagtem Jagdhund. Alle suchten sich Platz, die Kinder kratzen mit den Schuhen an den Sitzen, die Bahn fuhr wieder an.
Der erste schrie auf. Da, DAAA! und plötzlich viele, kleine Beine in alt-rosa Strumpfhosen um mich herum, und ein Junge schrie immer lauter die Namen von denen, die er erneut in der Parallelbahn erkannte. Es ging von neuem los, der Wettlauf der U-Bahnen, der Hund legte sich mit großen Augen in eine Ecke.
Alles war wie immer, und doch konnte ich mich nicht mehr auf mein Buch konzentrieren. Die Kinderstimmen zu laut, die Bahnen zu nah, wohin ist plötzlich die ganze Luft entwichen? Ich zog den Reissverschluss meiner Jacke auf, mir wurde heiss.
Neben mir rutsche ein Kind ab, fiel hin und stieß sich das Becken an den Kanten der Sitze. Erst war es still, nur einen kleinen Moment, dann schrie es los und die Zeit nahm ihren Lauf.
Die Parallel-Bahn zu nah, die Kinder zu laut, die Schwangere fächelte sich Luft zu und plötzlich, mit ein paar Atemzügen war ich der Realität voraus.
Die Züge prallen zusammen, Kinder schreien, der alte Mann läßt die Leine des Hundes los, als es die Luft zerreisst. Und nur einen Moment weiter ist da das Blut, überall Blut, der Hund liegt in der Ecke und seine Luftröhre wirft Blasen, während er versucht zu Atem zu kommen und einen Laut zu geben. Sein Herrchen liegt bewußtlos zwischen alt-rosa Kinderbeinen, die Schreie sind erst verstummt, nur um dann doppelt so laut und schrill anzuschwellen. Nicht alle, nur ein paar. Die schwangere Frau ist bewußtlos, nur ihr Bauch bewegt sich, und dann die Gerüche. Verschmortes Kabel, heisses Metall, Blut, überall dieser Geruch nach Blut, es ist ein grauenvolles Szenario.
Ich lese verschwommen die Schilder der Haltestelle -
Heinrich-Heine-Allee. Meine Knöchel sind weiß, als ich meine um die Stange geschlossene Hand ansehe, wieder wahrnehme. Raus, nur raus aus dieser Bahn, diesem Einblick, gleich geht die Tür auf.
Der Hund des alten Mannes hat den Schwanz eingeklemmt, als sie nach mir aussteigen, und ich wundere mich nicht.
Welten verrutscht, wieder einmal.
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tibits,
Freitag, 15. Dezember 2006, 00:41
Nebenwelten
Und warum finden in diesen Nebenwelten immer so unangenehme Dinge statt? Warum stehst du nicht mal in einer Anderswelt die dir besser gefällt als diese hier?
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c17h19no3,
Freitag, 15. Dezember 2006, 01:18
kinder find ich ja allgemein sonajaso, aber in u-bahnen und vielzahl und mit stimmbändern in aktion heckseln sie mir glatt die nerven. auch ohne parallelbahn ziehen sich stunden um stunden von haltestelle zu haltestelle und nachher fauche ich gereizt meinen chef an, weil mir der drucker zu laut druckt, dabei ist das ratschende quietschen immer noch das über die zeit im trommelfell klebengebliebene kinderstimmengewirr en forte.
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Lu,
Freitag, 15. Dezember 2006, 09:24
tibits, ich denke die angenehmen nebenwelten durchlaufen wir wattig und lächelnd und haken sie unter tagtraum ab :)
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