Mittwoch, 19. April 2006

Meine Domina heißt Beverly.

(aus aktuellem Anlass und für all die, welche nicht bei der Kieler Lesung waren.)

Manchmal wacht man morgens auf, und noch bevor man auch nur einen prüfenden Blick in den Spiegel werfen konnte, weiß man eines ganz genau: Ab heute geht’s nicht mehr, ich muss zum Friseur, und zwar jetzt.

Ich selber bin da keine Ausnahme, und in ziemlich klaren Abständen, meist Montags oder Freitags, stehe ich totmüde und mit einem halben Liter Kaffee im Pappbecher bewaffnet vor den heiligen und vor allem sehr geschlossenen Toren meines kleinen Friseursalons.
Die „Behandlung“ fängt damit an, dass man keinen Termin bekommt. Möchte man dennoch vermeiden, den kompletten Tag dort zu verbringen, muss man halt genau so früh vor Ort sein wie die Hairstylisten auch, und der Spruch: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ wird hier liebevoll umgesetzt.

Irgendwann, meist so zehn Minuten nach Ladenöffnungszeit, wird die rosa Tür aufgerissen und man selber von einem grell geschminkten und ansonsten recht mürrisch schauenden Stylisten mit einem „Na gut“ reingelassen. Dafür nimmt er auch nicht die Kippe aus dem Mundwinkel, man schläft ja noch und das kann und soll ruhig jeder wissen.

Ab da hat man noch mal so ein, zwei Zigarrettenlängen der Stylisten Zeit, bis sie völlig erwacht und erblüht sind, und in manch schwacher Sekunde fragt man sich dann selber sehr leise, wofür das alles und warum.
Das hört schlagartig auf, wenn der erste der Mannschaft aus dem Kabuff in den Laden rennt und auf direktem Wege die Anlage ansteuert um diese so weit hochzujubeln, dass die Stylingprodukte Wellen schlagen.
Kennt ihr die Miss Kitten Remixe, die nach Jahreszeiten eingeteilt und abgemischt sind? Ich jetzt schon, und einen Unterschied zwischen Frühling 04 und Winter 05 habe ich noch nie raushören können, dachte aber anfangs, es wäre so was wie der weibliche Scooter der Friseurinnung.

Als ich das letzte mal dort sass, alteingesessen, schmerzfrei und an der dort ausliegenden Playstation 2 daddelnd, sitzt neben mir eine völlig eingeschüchterte mittzwanzigerin im Mia-Look. Sie räuspert sich ein paar Mal bis sie mich anspricht und fragt dann „äh …ist das normal, dass hier keiner kommt?“
„Jau“ sag ich wortgewaltig, nicke ihr mütterlich zu und versenke meinen Sportwagen in den Leitplanken. Toll.
„Ich fands damals auch komisch“, raune ich ihr zu, nehme meinen Kaffeebecher hoch und erinnere mich.

Vor ein paar Jahren, mein Stammfriseur war nach einem Urlaub in Paris dann plötzlich Stylist und abtrünnig, und ich saß mit meinen Haaren sozusagen auf der Strasse ohne eine Ahnung, wem als nächstes mein Vertrauen zu schenken wäre. Da ging ich an diesem kleinen Laden vorbei und irgendwas in mir, wahrscheinlich meine Haare, sagten : STOPP, und ich betrat diesen kleinen Laden, welcher ganz in Pink und Gold eingerichtet und besprüht ist. Miss Kitten gröhlte in Clublautstärke, und als mich eine der Friserurinnen mit einem Kopfnicken bat, mein Anliegen zu äußern, brüllte ich ihr „Schneiden+ Strähnen“ entgegen und schickte das Fragezeichen quasi mimisch hinterher.
Sie nickte zweimal. Einmal war für „ja“ und das andere deutete auf die Sitzmöglichkeiten auf der Fensterbank, wobei ich das Wort „Möglichkeit“ noch einmal feste Betonen möchte.
Da sass ich dann zwei Stunden und hörte Techno.
Ich versuchte, trotz 210 Beats pro Minute einen halbwegs rhythmischen coronaren Ablauf einzuhalten, und bekam von dem auf mich übergreifenden Kondenswasser der Schaufensterscheibe einen nassen Rücken und ernsthaft gefährdete Nieren.
Den einzig männlichen Stylist in diesem Laden übermannten irgendwann die Restdrogen vom Wochenende, und so fing er an diesem Montag plötzlich an, sehr glücklich dreinzuschauen und tanzte einmal zur Anlage hin, drehte das Volume auf sehr high, und tanzte zurück zu seiner Kundin, die ebenfalls sehr entrückt in ihrem Stuhl zuckte. Ich dachte damals reflexartig darüber nach, einfach so zu gehen.
Noch während ich mir einen geeigneten Zeitpunkt plus einer vielleicht nötigen Ausrede überlegte, flog die Eingangstür auf, und rein kam eine Frau, so etwas über einen Meter Körpergröße, den Rest mehr so auf die Seiten verteilt und blafft mich an: Bist du für mich ?
Ich: Neee, quatsch.
Sie: Moment, das klär ich eben mal.
Auf dem Weg zum scheinbar heiligen Kabuff dreht sie die Anlage leiser, und ab da mag ich sie irgendwie. Sie hat die Kabufftür nicht geschlossen, und ich kann sehen, wie sie mit drei gezielten Bissen einen Burger mit viel Ketchup erlegt, dann mit zwei Zügen eine Zigarrette inhaliert und als sie rauskommt lese ich auf ihrem Rücken die Tourdaten 2001 einer Metal Band names SODOM.
Meine Zweifel, ob in diesem Laden jemand meine Wünsche versteht raufen sich langsam wieder zusammen und trauen sich nach vorn, an die Front.
Währenddessen reißt meine neue Stylistin ihre Arme nach oben und macht ihren Dutt auf. Sofort fällt knapp ein Meter Haar an ihr herunter, was so viel bedeutet wie: sie hatte eine Frisur, die Bekleidung an sich überflüssig macht.
Einmal in Form schütteln, Shirt und SODOM verschwinden unter dem Dunkel und mit eiserner Miene kommt sie auf mich zu.
„Hi, ich bin Beverly.“
Äh, hi. Lu, sage ich und bin froh, dass mir nicht BETTY SUE rausrutscht.

In knappen Sätzen erkläre ich ihr was ich gerne hätte. Sie sagt gar nichts, hält nur permanent meine Haare in einer Hand, zieht daran und macht so was wie einen Schmollmund.
„Gebongt“ sagt sie dann. „Kein Thema.“

Na dann.
„Erst mal schneiden, dann muss ich nicht so viel Farbe verhunzen“ sagt sie, und schubst mich höflich aber bestimmt in Richtung Waschbecken.
Ich muss dazu sagen, dass mir diese Waschbecken suspekt sind, seitdem ich mal gehört habe, dass der Mensch in diesen ganz gerne einmal -dank abgeklemmter Blutzufuhr- kollabiert. Daran muss ich seitdem immer denken, wenn ich in so einer Schüssel liege, und bin dann natürlich ganz doll entspannt.
Beverly macht währenddessen ganz ihren Job und foltert meine Kopfhaut mit einer Waschmassage unter heißem Wasser. Durch einen Mix, der sich anhört wie Spülmaschine contra Beach Boys, schreit sie mich mich einem „Temperatur okay? “ an, worauf ich nur versuche zu nicken ohne mir meine Hauptschlagader abzudrücken. Ich hatte aufgegeben, und das schon am Anfang.
Der Stylist hatte derweil seine zweite Samstagsrückkopplung und tanzte erneut völlig befreit zur Anlage, drehte auf Anschlag und tanzte ins Kabuff, Kaffee trinken.
Kurze Zeit später saß ich mit einem schwarzen Handtuch auf dem Kopf unter einer Plastikplane, und Beverly hatte sich auch eben schnell zurechtgemacht. Sie trat aus dem Kabuff in einer schwarzen Lackschürze und erinnerte mich an eine Rubber-Maid.
„Blau war richtig ne?“ fragt sie mich toternst.
Wäre ich nicht wie eine Wurst in Folie eingepackt gewesen, ich schwöre, ich wäre losgerannt, aber so sass ich nur da und brüllte „NEIN, BLOND UND ROT“ in den Raum. Genau da war die CD am Ende, und alle hielten kurz inne und starrten mich abschätzend an, ob die Farbwahl denn überhaupt zu mir passen würde. Ich seufzte tief und sank unglücklich tiefer in meine Folie.
„Warn Scherz“ lachte Beverly plötzlich auf, ging zur Anlage, griff dabei in ihre Tasche und nahm eine CD raus.
Auwei, dachte ich, jetzt wird’s hektisch.

Was soll ich sagen ? Die nächste Stunde strähnte sie mir zu Ramones-Klängen alles genau so, wie ich es wollte. Wir klönten über Musik, ich gab mächtig mit meinen vergangenen Konzertbesuchen an, von wegen Guns and Roses vor 50 Leuten und so, sie gab mächtig mit ihrer musikalischen Verwandschaft an, von wegen Guns and Roses am Abendbrottisch und so, wir waren auf dem selben Metallica Konzert und begannen, uns lieb zu haben.
Seit drei Jahren ist Beverly nun schon „meine“ neue Friseurin,
und ich habe immer wieder ungezügelten Spass, wenn ich die Blicke von Neuen beobachten kann die Bev das erste mal sehen und hektischen Blickes den Notausgang suchen.


Dienstag, 18. April 2006

verbinden, das gute und das böse.

einfach bügelwäscheberg mit dem phoenix-programm abstimmen,
und schon geht es. heute :
heisses eisen thomas mann und seine homosexualität UND katia
versus heisses eisen und knüllshirts.

und als reich ranicki über die exzentrik der sexualität des thomas mann lamentierte, hätt ich vor lauter schreck fast einen schlüpper geplättet.


Montag, 17. April 2006

hamburgs eimer 5.



( jetzt sind alle eimer alle, jetzt muss ich wieder hin. )


nach 7:00 a.m. im plümmo,

oder wenn Ohrwürmer zur Pein werden.

"Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund" ...

(Nicole)


Sonntag, 16. April 2006

Der Prolet in mir feiert Ostersonntag.

Nach dem Mütterlichen Spargel-und Sprachlosgau direkt rein in den Chocolate Cake Schoko-Schock bei Starbucks. Den restlichen Nachmittag überrettet bis zu einem Bier am See.
Danach gigantische Lust auf Gitarre. Yezz. Laut Prollmucke singend auf dem Rad durch den Wald zurück auf die Heimatcouch. Alle Eichhörnchen waren mächtig beeindruckt und sämtliche Glitschschneckenpopulationen durch brandheisse Slalomlinien gerettet und bis mind. 2007 erhalten.
Ostern 2006, oder "Wie lange Tage sinds noch hin, bis zur WM?"


Samstag, 15. April 2006

19:45-19:48

drei jahre, ein fischspiess und viel hauswein.
am ende steht ein alberner film, ice age 2, in einem multiplexkino an einem samstag abend. so betrunken kann ich kaum sein, als dass ich diese menschenmenge in einem raum, gröhlend und stark amüsiert mit nachos im handgepäck, also als das ich diese horde überstehe ohne in gewaltphantasien auszubrechen.
ich tus trotzdem.
und einen cosmopolitan gabs schon wieder nicht.
ich geh ins grab ohne jemals diesen albernen cocktail ausprobiert zu haben, es sei denn, es ist rettung in sicht.
wünscht mir glück, ich gehe derweil dahin, stark nach qualm stinkend, mit dem strikten versuch im auge, starken spass zu haben. heute hackstücksätze, morgen ausschlafen. ostern.
ich liebe dieses heidnische fest.


Freitag, 14. April 2006

girl, you have to take your medicine!

And You Will Know Us by the Trail of Dead, Bio-Kekse und eine wirklich glühende Wärmflasche an den bibbernden Leib gepresst, so sieht das wilde Lu'sche Leben nach einem Donnerstag aus, der gespickt mit Dauerregen und Tetanus-Diphterie-Impfung für lahme Arme und hysterischer Immunreaktion wirklich alles gibt.
TV-Therapie-> "Am Tag, als Bobby Ewing starb"
Danke Fernsehanstalt, ein Nachtgebet für dieses vielleichtige Trostpflaster.


sie mit ihm.

Sie zurrt den Kajal enger um das Auge, malt aus und über, zieht die Konturen der Lippen nach und schließt keine Minute später lautlos die Tür. Kalter Wind, eine klare Nacht, in einem nahen Hinterhof bellt ein einsamer Hund Schatten an.
Wenn er kommt bin ich weg, denkt sie, zieht die Jacke enger und läuft. Natürlich wird er dort sein, der ganze Mann, komplett in schwarz gepackt. Er wird sie sehen, sie werden sich auf den Boden setzen und ineinander verstricken, den ganzen Rest der Nacht. Tauschen, fühlen, gehen.
Am Morgen wird sie ihn an ihrem Shirt riechen, den ganzen Rest des Tages. Das Gefühl welches er ihr mitgibt, das kann sie nicht abwaschen. Und sie würde. Es schmerzt, es haftet, es geht mit ihr mit. Nach ein paar Tagen schwächelt es aprupt, ab dann wird sie süchtig. Sie will es zwischen ihren Zähnen haben,
darauf beissen, es spüren und schlucken, verinnerlichen, anhalten und ausscheiden.
Einmal durch und dann weg, das scheint ihr eine einzige Möglichkeit.

Er steht an der Mauer, schwarz an Beton. Sie sieht durch ihn hindurch, läßt sich ziehen, sinkt in ihn hinein, verschlingt sich. Kein Centimeter Platz zwischen ihren Hirnen, eine perfekte Idee an Worten, ein Mensch wie flüssige Schokolade, eine Seele wie Opium.
Sie legt ihre Wange an seinen nackten, warmen Hals und ihr schwarzer Kajal überschattet eine Fläche seiner Haut, setzt ein Mal und verschwindet exakt eine Stunde nach ihr in einem Schwall Wasser. Sie liegt betäubt in seiner Welt, er schaut angetan von dieser Nacht, beide sind glücklich an sich.

Später dann. Er hängt das Handtuch an einen kalten Haken aus abgeliebtem Metall, sein Hals sauber und die Nacht hört just in diesem Augenblick auf. Sie liegt entfernt von ihm sehr kalt in ihrer Decke, braucht kein Shirt mehr für einige Gedanken an ihn, ist in Gift aufgegangen und geht jetzt langsam unter, atmet aus und schläft ein.


Mittwoch, 12. April 2006


auf dem weg nach hause bricht die sonne durch. ich setze mich auf eine angewärmte mauerruine mitten im viertel und fühle mich ganzkörperwund. dicke wolken wie nordseehimmel, ein gebeutelter rabe hüpft an mir vorüber, senkt seinen kopf und trinkt aus dem strassenpflaster, senkt den kopf, säuft, hebt den kopf, schluckt. ein auto kommt näher, er spürt die vibration, reagiert und hüpft zurück in meine richtung. ich sehe sein zerfetztes gefieder, seine kläglichen versuche sich in die luft zu hieven, zu fliegen.
ein tiefer griff in meine tüte, ein kanten frisches olivenbrot, bleib sitzen, warte, zwitschere ich in seine richtung. er legt den kopf schief, kneift die augen zusammen als die sonne erneut durch die nordseewolken bricht und hüpft zum zerkrümelten brot.
eine ganzkörperwunde seele, ein flugunfähiger rabe und ein stück brot. tolles dreigespann, so nach vier auf einer roten mauer.


lufthafen um mitternacht...



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