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Donnerstag, 21. August 2008
reisenotizen/ münchen, oder 'im namen der traube'
Plötzlich ist man mitten im Hochsommer, und ich habe alle richtigen Schuhe dabei. Die Götter halten doch eine schützende Hand über Frauen, zumindest wenn sie in München sind.
Sitze also am Morgen hinter meiner Sonnenbrille verstaut in einer TRAM (25), nachdem ich vorab mit einer italienischen Großfamilie im Nacken ein Ticket erstand, und dann auf englisch der Familie die richtige Fahrkarte von der Tafel suchte, erklärte und zog. Alle zufrieden, nur wo ist jetzt die Bahnhaltestelle?
"Wo komme ich denn bitte zur Bahnhaltestelle?" fragte ich also die erste junge Frau, welche ich aus dem morgendlichen Menschenstrom der U-Bahn-Schluchten greifen konnte.
Sie "Hä?"
Ich "TRAM! Wo?"
So gings dann. Als Ausländerin in Bayern muss man schon die gängigen Vokabeln und Buzzwords drauf haben. Ein Brötchen ist hier schließlich auch kein Brötchen, da könnte ja jeder kommen.
Grünwald. War ich auch noch nie, genau wie im Rest von Bayern (außer Hopfen, das kenne ich jetzt). Das Hotel war schnell gefunden, Schlüssel, Dusche, 10 Minuten kalt gegen die Hitze und die Müdigkeit geduscht. Danach –Dusche ebenerdig mit abfallender Seitenkante- war fast das gesamte Bad Duschtasse und ich wieder fit.
Mittagessen, Gruppenkuscheln, Seminarbeginn.
Thema: Weinfehler schmecken. Da gab es aber lange und verzogene Gesichter.
Schwor ich noch einen mittäglichen wie überschwänglichen Eid, dass ich heute jedes Glas bis auf den letzten Tropfen leeren würde, gegen das aktuell eher böse Leben und überhaupt, im Wein liegt schließlich Wahrheit UND Frieden, Spucken sei was für Lebensfrohe, da schob ich zwei Stunden später leise aber überzeugt Weingläser –nur angenippt- zur Tischkante und guckte böckselig.
Muss man auch kennen, was ein Brettanomyces ist, oder ein waschechter Lichtgeschmack. Wenn ihr mal richtig Aufmerksamkeit möchtet, sagt doch just bei Tisch, der Wein würde ganz hinten dezent mäuseln. Wenn dann keiner mehr was sagt, dann ist der Moment, wo man was von zu geringer Schwefelung in den Bart nuscheln kann, und die hohe Population von Bakterien und Hefen mit tragischem Timbre in der Stimme bedauert, um dann mit einer guten, gezielten Rückhand den Wein ins Gebüsch zu befördern. Prost.
Apropos Hefe und schlechte Laune!
Lieblingsnotiz in Kurzform auf einem losen Blatt:
"Hefe begeht im Wein Selbstmord (toll!).
Sie verstoffwechselt so lange Zucker, bis sie im Alkohol stirbt."
Abends zum Essen dann den guten Wein, aber da war ich leider schon in einem Stadium, wo die Hefe denken würde: 'Na gut, das Gramm Zucker mache ich noch fertig, und dann ab vor die Hunde.'
Das hat auch ein gefühlter Komplettmarsch um ganz München (in echt um ganz Grünwald) im Rudel nicht retten können, und so ging ich eine Stunde vor Mitternacht im Stechschritt ins Bio-Bettchen, lief nicht über START, zog kein Kilo Zucker ein, sondern sank wie Adam mich einst aus der Rippe schnibbelte in einen unruhigen aber nicht ganz unfrohen Schlaf.
Am nächsten Morgen machte ich Bekanntschaft mit einer mir unbekannten Art. Ich dachte ja immer, die Köche des Hotels seien besonders frohe Menschen, die auch alle anderen froh machen möchten, weshalb sie zum Beispiel mit leckerster Schokolade nette Botschaften auf Teller, Spiegel und Essen schreiben.
(pures Beispiel)
Und ich ahnte nichts Böses, als ich mir noch sehr verschlafen und in einem Zustand rein körperlicher Anwesenheit aber geistiger Nacht ein Ei mit einem netten Gesicht neben meine Melone, Quark und Semmel packte. Das Ei als letztes, dachte ich, und dann der Moment, der zeitlich direkt nach diesem Foto angesiedelt war.
WIESO IST DIESES EI ROH? Lauter war ich an diesem Morgen noch nicht, wacher auch nicht. Auf meinem Teller rohes Desaster, um mich herum lachende Gesichter. Fast wie die vom Ei, vom einstigen.
'Na, weil Du das erst hättest kochen müssen.' , kam die prompte Antwort.
Kochen? Mein Ei? In einem Hotel?
Ich machs kurz: der Sinn des netten Gesichtes auf dem Ei ist nur ein Einziger, und der hat nichts mit guter Laune zu tun, sondern ist nur dafür, das der Frühstückende Mensch und eierkochende Gast sein persönlcihes Ei aus den anderen im Wasser kochenden wiederfindet. Jedem Gast sein auf den Punkt gekochtes Ei.
Ich stelle verstohlen meinen Teller Eiglibber auf einen Bistrotisch nahe des Servicepersonals und nehme von der Melone nach.
Der Mensch, und das unterscheidet ihn eventuell von der Hefe, der Mensch lernt nie aus.
Weiter geht es mit Weinverschlüssen, Kalkulationen, Lebenskurven und ein paar rauchenden Gemütern.
Sehr viel weiter ging es am Ende auch zum Bahnhof, der vom Weg her sehr unterkalkuliert und somit per Tram, per U-Bahn und sehr rennend geschafft werden musste.
Vom einsteigen in den ICE bis zu dessen Abfahrt zogen satte 30 Sekunden ins Land.
Ab Nürnberg Wolken und ab Frankfurt Regen, da stieg auch die nette Polizistin aus, die ein paar Geschichten aus dem Nähkasten zum Besten gab. Zwölf Stunden Bahnhofschicht mit Gleisleichen, die häufiger auftreten, als wir in den Nachrichten sehen. "Wenn eine kommt, ist die nächste nicht weit" sagt sie, und dass man teilweise lange die Strecke ablaufen müsse, um auch noch den letzten Teil zu finden. Bevor es ein anderer tut, der mit Waldi nur mal eben Gassi wollte, zum Beispiel.
Ich muss an die Hefe denken, und aus wie vielen Teile diese besteht, und schlafe hinter Frankfurt im Klangteppich vierer Laptops und deren darauf eintippende Benutzer in einen dünnen, verregneten Schlaf.
Das Hirn sortiert während der Schlafphasen das Erlebte, weiß die Wissenschaft, und so liegt, als ich in Düsseldorf aussteige, in meinem Hirnorder mit der Aufschrift "Sommelier-Kurs" ein ganzer Stapel neuer Blätter (to do!), ein kleiner Haufen Vorsätze in "allgemeines" und im Fach "neu kennen gelernte Berufzweige- persönlich" liegen ein Patentanwalt (Gattung: schlimm und laut) und eine Polizistin (nett und kompakt).
Im Restaurant bestelle ich sehr aufgeräumt eine Lasagne und ein Glas Rotwein und raune leise ein "Adieu" zu den Hefen, die einst ihr Leben für meine Gaumenfreude gaben, und deren Seelen jetzt direkt neben der Weisheit in meinem Glas Wein liegen.
* Bei Interesse an mehr:
Sämtliche Bilder zum Umfeld gibt es hier.
Die guten Bio- Weine gibt es genau hier.
Und residiert wurde dieses Mal im Hotel Alter Wirt.
Sitze also am Morgen hinter meiner Sonnenbrille verstaut in einer TRAM (25), nachdem ich vorab mit einer italienischen Großfamilie im Nacken ein Ticket erstand, und dann auf englisch der Familie die richtige Fahrkarte von der Tafel suchte, erklärte und zog. Alle zufrieden, nur wo ist jetzt die Bahnhaltestelle?
"Wo komme ich denn bitte zur Bahnhaltestelle?" fragte ich also die erste junge Frau, welche ich aus dem morgendlichen Menschenstrom der U-Bahn-Schluchten greifen konnte.
Sie "Hä?"
Ich "TRAM! Wo?"
So gings dann. Als Ausländerin in Bayern muss man schon die gängigen Vokabeln und Buzzwords drauf haben. Ein Brötchen ist hier schließlich auch kein Brötchen, da könnte ja jeder kommen.
Grünwald. War ich auch noch nie, genau wie im Rest von Bayern (außer Hopfen, das kenne ich jetzt). Das Hotel war schnell gefunden, Schlüssel, Dusche, 10 Minuten kalt gegen die Hitze und die Müdigkeit geduscht. Danach –Dusche ebenerdig mit abfallender Seitenkante- war fast das gesamte Bad Duschtasse und ich wieder fit.
Mittagessen, Gruppenkuscheln, Seminarbeginn.
Thema: Weinfehler schmecken. Da gab es aber lange und verzogene Gesichter.
Schwor ich noch einen mittäglichen wie überschwänglichen Eid, dass ich heute jedes Glas bis auf den letzten Tropfen leeren würde, gegen das aktuell eher böse Leben und überhaupt, im Wein liegt schließlich Wahrheit UND Frieden, Spucken sei was für Lebensfrohe, da schob ich zwei Stunden später leise aber überzeugt Weingläser –nur angenippt- zur Tischkante und guckte böckselig.
Muss man auch kennen, was ein Brettanomyces ist, oder ein waschechter Lichtgeschmack. Wenn ihr mal richtig Aufmerksamkeit möchtet, sagt doch just bei Tisch, der Wein würde ganz hinten dezent mäuseln. Wenn dann keiner mehr was sagt, dann ist der Moment, wo man was von zu geringer Schwefelung in den Bart nuscheln kann, und die hohe Population von Bakterien und Hefen mit tragischem Timbre in der Stimme bedauert, um dann mit einer guten, gezielten Rückhand den Wein ins Gebüsch zu befördern. Prost.
Apropos Hefe und schlechte Laune!
Lieblingsnotiz in Kurzform auf einem losen Blatt:
"Hefe begeht im Wein Selbstmord (toll!).
Sie verstoffwechselt so lange Zucker, bis sie im Alkohol stirbt."
Abends zum Essen dann den guten Wein, aber da war ich leider schon in einem Stadium, wo die Hefe denken würde: 'Na gut, das Gramm Zucker mache ich noch fertig, und dann ab vor die Hunde.'
Das hat auch ein gefühlter Komplettmarsch um ganz München (in echt um ganz Grünwald) im Rudel nicht retten können, und so ging ich eine Stunde vor Mitternacht im Stechschritt ins Bio-Bettchen, lief nicht über START, zog kein Kilo Zucker ein, sondern sank wie Adam mich einst aus der Rippe schnibbelte in einen unruhigen aber nicht ganz unfrohen Schlaf.
Am nächsten Morgen machte ich Bekanntschaft mit einer mir unbekannten Art. Ich dachte ja immer, die Köche des Hotels seien besonders frohe Menschen, die auch alle anderen froh machen möchten, weshalb sie zum Beispiel mit leckerster Schokolade nette Botschaften auf Teller, Spiegel und Essen schreiben.
(pures Beispiel)
Und ich ahnte nichts Böses, als ich mir noch sehr verschlafen und in einem Zustand rein körperlicher Anwesenheit aber geistiger Nacht ein Ei mit einem netten Gesicht neben meine Melone, Quark und Semmel packte. Das Ei als letztes, dachte ich, und dann der Moment, der zeitlich direkt nach diesem Foto angesiedelt war.
WIESO IST DIESES EI ROH? Lauter war ich an diesem Morgen noch nicht, wacher auch nicht. Auf meinem Teller rohes Desaster, um mich herum lachende Gesichter. Fast wie die vom Ei, vom einstigen.
'Na, weil Du das erst hättest kochen müssen.' , kam die prompte Antwort.
Kochen? Mein Ei? In einem Hotel?
Ich machs kurz: der Sinn des netten Gesichtes auf dem Ei ist nur ein Einziger, und der hat nichts mit guter Laune zu tun, sondern ist nur dafür, das der Frühstückende Mensch und eierkochende Gast sein persönlcihes Ei aus den anderen im Wasser kochenden wiederfindet. Jedem Gast sein auf den Punkt gekochtes Ei.
Ich stelle verstohlen meinen Teller Eiglibber auf einen Bistrotisch nahe des Servicepersonals und nehme von der Melone nach.
Der Mensch, und das unterscheidet ihn eventuell von der Hefe, der Mensch lernt nie aus.
Weiter geht es mit Weinverschlüssen, Kalkulationen, Lebenskurven und ein paar rauchenden Gemütern.
Sehr viel weiter ging es am Ende auch zum Bahnhof, der vom Weg her sehr unterkalkuliert und somit per Tram, per U-Bahn und sehr rennend geschafft werden musste.
Vom einsteigen in den ICE bis zu dessen Abfahrt zogen satte 30 Sekunden ins Land.
Ab Nürnberg Wolken und ab Frankfurt Regen, da stieg auch die nette Polizistin aus, die ein paar Geschichten aus dem Nähkasten zum Besten gab. Zwölf Stunden Bahnhofschicht mit Gleisleichen, die häufiger auftreten, als wir in den Nachrichten sehen. "Wenn eine kommt, ist die nächste nicht weit" sagt sie, und dass man teilweise lange die Strecke ablaufen müsse, um auch noch den letzten Teil zu finden. Bevor es ein anderer tut, der mit Waldi nur mal eben Gassi wollte, zum Beispiel.
Ich muss an die Hefe denken, und aus wie vielen Teile diese besteht, und schlafe hinter Frankfurt im Klangteppich vierer Laptops und deren darauf eintippende Benutzer in einen dünnen, verregneten Schlaf.
Das Hirn sortiert während der Schlafphasen das Erlebte, weiß die Wissenschaft, und so liegt, als ich in Düsseldorf aussteige, in meinem Hirnorder mit der Aufschrift "Sommelier-Kurs" ein ganzer Stapel neuer Blätter (to do!), ein kleiner Haufen Vorsätze in "allgemeines" und im Fach "neu kennen gelernte Berufzweige- persönlich" liegen ein Patentanwalt (Gattung: schlimm und laut) und eine Polizistin (nett und kompakt).
Im Restaurant bestelle ich sehr aufgeräumt eine Lasagne und ein Glas Rotwein und raune leise ein "Adieu" zu den Hefen, die einst ihr Leben für meine Gaumenfreude gaben, und deren Seelen jetzt direkt neben der Weisheit in meinem Glas Wein liegen.
* Bei Interesse an mehr:
Sämtliche Bilder zum Umfeld gibt es hier.
Die guten Bio- Weine gibt es genau hier.
Und residiert wurde dieses Mal im Hotel Alter Wirt.
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