Dienstag, 22. März 2005

buchauszug.

Liebe E.,

Ich erwarte kein Lob von Dir für das, was Du jetzt lesen wirst.

Dies ist ein Abschiedsbrief. Du hast immer befürchtet, ich würde dich nicht lieben, und du hattest Recht.
Ich achte dich sehr, und ich mag dich auch sehr, und deshalb habe ich beschlossen, dir zu sagen, warum wir uns trennen müssen,
auch wenn du das schmerzlich finden wirst.
Du bist nicht perfekt.

Ich will nicht unfreundlich sein, deshalb lass mich dir versichern, dass deine Unzulänglichkeiten vornehmlich physischer Art sind.
Wärst du perfekt, müsstest du zwischen einsfünfundsechzig und einsachtundsechzig groß sein und Haar haben, das aussieht, als
ob eine Blondine und eine Brünette ihre Köpfe zusammengesteckt hätten und daraus eine bessere Farbe entstanden wäre. Dein
Haar wäre etwa dreißig Zentimeter lang, weder gelockt noch glatt, sondern mit einem faszinierenden Schwung darin, der zur
Geltung kommt, wenn du es über die Schulter wirfst.

Dein Körper sollte wie der von der Bardot aussehen, aber auch etwas von dem der Hepburn haben. Selbstverständlich müssten deine
Titten entweder riesig oder winzig aussehen können, gerade so, wie es das Kleid erfordert.
Deine Haut sollte makellos sein, mal abgesehen vielleicht von einem zauberhaften Schönheitsfleck. Sie sollte von einer solchen
Beschaffenheit sein, dass Alabaster sich dagegen wie eine Pizza quattro formaggi ausmacht, obwohl du dich nicht die Bohne
um Kosmetika kümmern müsstest – ausser in solchen Situationen, in denen du dich nuttig kleidest, was oft der Fall sein sollte.
Deine Schönheit sollte im Rahmen obiger Parameter einzigartig sein.
Vor allem aber brauchtest du freundliche, intelligente Augen. Wenn ich „vor allem“ sage, meine ich damit, dass das alles ohne den Rest
nichts nützt. Viele Hunde ( diese Sorte, die bellt ) haben auch freundliche, intelligente Augen, aber du verstehst, was ich meine.

Was Letzteres anbelangt, muss ich zugeben, dass deine Augen zwar intelligent sind, aber du hast die Eigenart, immer dein Gesicht zu
verziehen, wenn du redest, sodass sie ein bisschen eng zusammenstehen. Das bedeutet, du siehst immer so aus, als würdest du den Preis
für etwas errechnen. Das ist bedauerlich, weil ich weiß, dass du großzügig bist und mit dem bisschen Geld, das du hast, sehr freigiebig
umgehst.
All diese ekelhaft süßlichen Dinge – die eigenwillige Art, sich durchs Haar zu fahren, das schiefe Lächeln, die etwas theatralische Art zu
rauchen-, ich fürchte, dies alles müsstest du dir auch erst angewöhnen, wenn wir eine Chance haben sollten.
Es gibt eine Menge von Persönlichkeitsanforderungen, denen du durchaus entsprichst. So bewundere ich zum Beispiel sehr deine originelle
Denkweise und wie du dich kleidest. Ich weiß, dass du, wenn ich derartige Dinge sage, immer komplizierte Fragen stellst, wie zum Beispiel
„Auf welche Art?“. Es fällt mir schwer, das in Worte zu fassen. Nimm es einfach von mir als gegeben hin.

Mir ist bewusst, dass dies eine traurige Art ist, unsere Beziehung zu beenden, und ich wollte dir auch überhaupt nicht mit dieser ganzen
Perfektionsgeschichte kommen. Ich habe jahrelang geglaubt, damit umgehen zu können, dachte, ich könne Frauen in all ihrer Verschiedenheit
lieben, dass es allein um Nähe ginge.
Ich habe mich geirrt. Man kann nicht jemanden lieben, von dem man glaubt, seine Nase sei zu groß, also nicht ganz passend. Als Mann kann man
mit einer solchen Frau Kinder haben, Hunde, ein Cottage usw. Man kann gemeinsam in Unwetter geraten und in der Sonne Wein trinken, diesen
ganzen romantischen Quark duchziehen, aber wenn man ihr tief in die Augen schaut, dann deshalb, weil man vermeiden will, ihre Nase anzusehen.
Keine Sorge, du hast keine große Nase – es war nur ein Beispiel.
Sei versichert, dass es nicht nur ein Modell für Perfektion gibt, das ist nur dasjenige, das meiner Klasse entspricht, die unglücklicherweise auch
deine ist. Wahrscheinlich gibt es fünf oder sechs andere, vielleicht sogar mehr, was Männer anbelangt, aber ich kann dich nun mal nicht als Miss
Sexy Wellies, die ideale Börsenmaklernummer, sehen oder als das Minirock-Innenstadt-Traummädchen, verstehst du ?
Halte mich nicht für grausam, aber du musst einfach wissen, woran du bist, damit du dein Leben entsprechend gestalten kannst, so wie man
eben mit Diabetes zu leben hat.
Die meisten Frauen sitzen im selben Boot, aber die sind mit Männern zusammen, denen es an Selbstbewußtsein mangelt oder an Aussehen oder
an Geld, um sie gegen Besseres auszutauschen. Von dieser Sorte gibt es viele, Männer, die mit den Zähnen knirschen, wenn sie sich ihre abgeschlafften
Frauen ansehen und sagen „Ich bin kein Ölgemälde, sie ist das Beste, was ich bekommen kann, und ich werde versuchen, sie zu lieben.“
Das jedenfalls sagen die Netten, und sie gehen ins Grab, und ihnen ist das Mädchen mit der kleineren Nase, das Mädchen mit den größeren Titten,
das Mädchen, das versteht, entgan-gen.
Ich hatte immer gedacht, es sei okay für eine Frau, Größe achtunddreißig zu haben, ein herrliches Lachen, dazu eine gute Figur und ein nettes Gesicht.
Aber das ist nicht so. Größe sechsunddreißig ist die allenfalls Zulässige, es sei denn, du wärst Marilyn Monroe, und ein „nett“ oder auch nur ein
„niedlich“ ist einfach nicht drin. Es ist schrecklich, aber wahr.
Ich weiß, dass du gut ohne mich zurechtkommen wirst. Du bist ein hübsches Mädchen, ein wundervolles Mädchen, aber für mich nicht hübsch
genug. Alles, was ich von einer Frau will, ist Perfektion an Körper und Geist. Der Rest – Karriere, Job, Kinder, Geld, Erfolg-, na, darum kann
sie sich kümmern, wenn ich in den Pub gehe.
Tut mir leid, dass ich diese Meinung habe. Ich hatte immer versucht, ans Gegenteil zu glauben – daran, dass Liebe blind macht, dass man an Beziehungen
arbeiten muss, um über Kleinigkeiten hinwegzukommen. Falls du dich fragst, ob es eine andere Frau gibt, ja, da war eine. Ist eine, hoffe ich. Ich weiß es
nicht. Wie auch immer, sollte die die zuvor ausgeführten Kriterien erfüllen, werde ich mich an sie ranmachen. Ich weiß, dass du das verstehen wirst.
Ich denke, dass es Farley war, der mich indirekt dazu gebracht hat, dies alles zu realisieren. Was mich zu einer schlechten Nachricht bringt – er ist tot und
ich habe seine Wohnung geerbt. ( Die schlechte ist natürlich, dass er tot ist, obwohl ich weiß, dass du ihn nicht mochtest.) Es ist ein bichen kompliziert, das
alles in einen Brief zu packen, deshalb werde ich dir das genauer erklären, wenn du zurückkommst. Freue mich darauf, dich zu sehen. Grüß die Pinguine
von mir.

Kopf hoch!
Dein Exfreund Harry ( Chesshyre )


auszug aus girlfriend nr. 44 von Mark Barrowcliffe


front.

das find ich jetzt alles ein wenig unausgeglichen.
auf der einen seite der last sind die dinge, welche diese woche anfangs noch zu kurz machten, und auf der anderen seite die ärztlich verordnete zwangsruhe.
damokles schwert baumelt über mir und heißt "sie haben eine zerrung!"
eine zerrung.
das kann spass über wochen bedeuten, und was den spass am meer angeht, dann muss der wohl im liegen erlebt werden, das endlose dünenabschreiten
kann ich wohl erst mal in der selbigen begraben.
die katz hat jetzt auch schonzeit, habe ich beschlossen. eine missgestimmte in der wohnung muss reichen, und so sind wir überein gekommen, dass sie still hält, wenn ich mit der bepanthen salbe ankomme, und wir uns dafür nicht zum arzt brasseln müssen. wir werden sehen.

und was macht frau jetzt, lahmgelegt und mit hässlichem salbenverband am bein ? wo ist die nächste videothek die alle wünsche auf DVD enthält, wo der eisdealer, wo der ritter der es holt, und wo der knapp der es bringt ?
und wo bleibt der angekündigte regen, und wo die post und wo ist der kaffeesatz hin verschwunden, den ich lesen wollte ?

ruhe bewahren, in eis packen, noch drei tage 'till ostern.


sein und haben.



ich hatte die DVD schon seit wochen im karton "noch gucken" für exakt den moment liegen, wo mal absolute ruhe ist. also so richtig, ohne unterbrechung und arte-edition-doku-film-gerecht, die ja eher so ZEN statt HOLLA sind.
vor zwei wochen im büro des LACs ergab sich so eine phase, und ich nahm ihn mit, den film. ich sags mal so : ich kam mit mieser laune und ging mit hervorragender inkl. eines kokelnden frankreichfernwehs in der rechten magengrube, aber das habe ich ja sowieso die meiste zeit des jahres.

was da in der zentralbibliothek in der sachfilmecke vor sich hin staubte war zu recht als bepreist ausgezeichnet, der film eine kleine perle, auf die man sich aber einlassen muss. völlig hingerissen von kindern und lehrer, den angestrengten gesichtern beim hochzählen auf 30, die tränen der soziophoben schülerin beim gedanken an den bevorstehenden schulwechsel, der lehrer, immer wieder der lehrer, wie er ruhig und fast altmodisch seine linie einhält, selten laut wird und sich um jeden kümmert. und im gleichen moment frage ich mich, was denn dann die moderne variante ist ?

gestern abend lief die doku auf arte, und ich habe sie mir nochmal angesehen, wollte nochmal dieses wonnige gefühl des "so ist das leben eben, tränen und lachen wechseln sich ab, und die sonne geht trotzdem jeden tag auf" haben.


hier die filmseite, im PDF steht das warum und das wie und das überhaupt.