Montag, 26. November 2007

apollo, oder 'hoffentlich hält sie die dauerwelle'.

Ich fange jetzt einmal von hinten an und sage, was wir gesagt haben, als wir gegen Mitternacht (Samstag, Vollmond, Platzregen) aus Auto 'Ügo' stiegen und zur Haustür rannten:
'Wenn wir das selbst gezahlt hätten, wäre unsere Kasse jetzt 220 Euro leichter.'
Bitte diesen Satz immer zur Hand haben, wenn es gleich um Inhalt und Spaß geht, sie wissen schon.

Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, und einem fast vergessenen schon mal gar nicht. Bis Samstag zum späten Nachmittag dachten wir nämlich noch, wir müssten da ja erst am nächsten Tag hin, und fingen nach einem langen Nahkampftag in der Innenstadt mit dem zusammensuchen der Essensdinge für Abends an, als M. plötzlich -schockschwerenot-
dem gemütlichen Samstagabend mit einem 'DAS IST HEUTE!' eine akustische Note hinzufügte, die so klang, wie wenn man den Arm des Plattenspielers von selbiger reißt.
Hektik, Strumpfhosen suchen, Laufmaschen verfluchen, wo ist das dunkle Hemd, wo sind die schicken Schuhe?

Pünktlich im Apollo Theater angekommen, quasi auf Gongschlag. Viele um uns herum im gemütlichen Fleece und Knitterjeans. Ich sag jetzt mal nix, außer: Man geht doch aus dem Haus. Da zieht man sich doch was über!
Egal, wir hatten Karten für die erste Reihe, und die wusste noch, wie Etikette geht und machte diesen herrlich plüschroten Variete-Charme nicht mit Bärchen-Pulli tot.

Unsere Karten wussten 'Show & Dine', drei Gänge. Vorspeise vor der Show, Hauptgang in der Pause, und das Dessert im zweiten Teil. Das sind lange Zeiten, wenn eine Show um neun beginnt, und wir befinden uns immer noch in Deutschland im November, und nicht in Frankreich im Hochsommer. Der Deutsche hat im November Hunger am Stück, da kann man nicht auf jeden Happen eine Stunde, aber nun gut.

Die Vorspeise sass eher als wir, sie kam gleichzeitig mit uns, und ihm Halbdunkel ging das Raten los, was ist wohl was. Kleine, kalte Hügel auf weißem Teller, ach, der geräucherte Heilbutt, Hallöchen, aber wie nennt man diesen salzigen Glibber auf cirka 11Uhr des Tellers? Ah, feste Sojasauce, na gut.

Dann ging die Show los. Ich fasse zusammen:
Mann und Frau in 80er-Blitzkostümen machen Verrenkungen. Sieht aus wie Tanz mit Überschlag ohne Tanz.
Dann Mann mit guter Ahnung von Schwerkraft. Macht erst mit zwei, dann mit fünf Bällen rum, lässt sie alle im Kreis über sich kullern, dazu laute Musik. Dann Frau in Fähnchen, will meinen, Artistin klettert in Reihe eins an zwei Tüchern rauf zur Decke und wieder runter. Frau hat schöne, muskulöse Arme, aber schreckliche blonde Dauerwelle, deswegen schaue ich lieber ihrem Schatten auf der Bühne zu, sieht aus wie kletterndes Vögelchen mit Frisur und Körperspannung.
Zwischendrin immer Anmoderation. Mann sagt, wir sollen uns amüsieren und macht alle runter, die nicht lachen. Alle lachen.
Dann ein Paar in schwarzem Samt, die ein Ringel-Shirt zum Leben erwecken und es als Hähnchen über eine Stange tanzen lassen. Die mag ich.
Vor der Pause vier Männer in grob genähten Kartoffelsäcken, mimen eine wogende Wiese oder ähnliches. Ich finde es auch nicht mehr heraus, sondern gehe auf Klo. Entdecke dort Laufmasche, die mich bis zum Pausengong beschäftigt.

Hauptgang: knusprige Gänsekeule mit glasierten Maronen an Kloß und Rotkohl. Schwamm drüber. Trotz Hunger ging der Teller halbvoll zurück. Wein und Wasser macht in rauhen Mengen auch satt.

Zauberkünstler aus Paris. Klein und verzweifelter Gesichtsausdruck, rennt die ganze Zeit über die Bühne und verliert rote Papierschnipsel und Karten, die über die Auftrittslänge immer größer werden. ich frage mich, wer das alles gleich aufräumen muss, bin also richtig gefesselt vom Geschehen.
Der Mann mit den Bällen wieder. Sieht jetzt aus wie 'The Crow', und macht erst mit zwei, dann mit fünf Tonnen rum, die kreiseln. Erste Reihe kann emotional anstrengend sein, wenn man eine plötzliche Abneigung gegen aus der Bahn brechende Tonnen entwickelt. Showeinlage dauert das ganze Marilyn Manson Stück 'Sweet Dreams', danach frenetischer Applaus. Ich glaube, die Arztgattinnen stehen auf den Jungen im verschwitzten Netzshirt.
Das Dessert wird aufgetischt. Irgendwas höllisch süßes im weichen Format, darum Haufenweise Krümel.
Die Frau mit der Dauerwelle kommt mit Mann auf die Bühne, beide auf Rollschuhen in knappen silber-metallic Dress. Aus dem hinteren Teil schlängeln sich bei beiden Arschgeweihäste.
Ich ahne Böses. Direkt am Rand steht ein Podest. Ein kleines, rundes Podest auf das beide gut gelaunt springen und zu Kirmes-Techno wie irre kreiseln. Das geht dann immer so: Mann hält strahlend Frau an einem beliebigen Körperteil fest (hier der Verweis zur ansonsten unverständlichen Überschrift) und schleudert sie durch die Luft, während er weiter im Kreis fährt. Ich ziehe sämtliche Körperteile ein, falls die Haare der Dame nicht halten, und schreie M. gegen die Techno-Mucke ins Ohr, dass das da oben auf der Bühne genau so aussähe wie auf der Erotik-Messe.
Es folgen noch einmal Tischtenniseinsatz mit dem Schwerkraftgenie und dem Ansager, beide fangen die Bälle mit dem Mund, was bei Bühnenlicht sehr unhygienisch aussieht, weil man die Spucke nur so spritzen sieht im Scheinwerferlicht. Die Arztgattinnen finden es wieder hinreißend, ich halte meine Hand über mein Weinglas, man weiß ja nicht.
Als die Show dann zu Ende ist, kommen alle noch einmal auf die Bühne, machen was nettes und wünschen 'Alles Gute, was mich dann sehr Milde stimmt. Ich bin in diesem Fall das Problem, nicht die Artisten dort auf der Bühne. Ich habe mich nicht verzaubern lassen, ich bin da wohl etwas schwer zu knacken, oder störrisch. Aber den Koch, den hätte ich gerne mal unter vier Augen gesprochen.
Als das Licht angeht, erkenne ich die Krümel auf dem Teller als gehackte Pistazien, zumindest optisch.

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Ah, das klingt ein wenig nach dem schönen alten Hansa-Theater. Zum Leben erweckte Ringelhemden gab es dort aber nicht, ich wurde eher ein wenig schläfrig, damals. Aber schön, daß es so was gibt; schlimm, was Sie über die Bekleidungsgebräuche der Zuschauer schreiben.

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Erste Reihe ist ja der Horror, da muss man ja auch noch dauernd fürchten, dass man gezwungen wird, auf die Bühne zu kommen und sich zum Affen zu machen.

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das ist so wahr. die ganze show über habe ich hände und beine streng verschränkt, auf das ja keiner auf die idee käme, ich sei da offen für auch nur irgendwas.

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diese art erlebnisse scheint show-and-dinner-typisch zu sein; habe an anderem ort seeeeehr ähnliches erlebt.
klasse war allerdings mal eine show (bei der wir wohl glücklicherweise das essen weggelassen hatten), in der mehrere sprachspieler friedhelm kändler darboten. besonders "Freme Bekannte (ein Vortrag)" hatte es mir angetan.
fazit: fürmich lieber ne show ohne dinner ;o)

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wir haben uns das so ja auch nicht ausgesucht, das war teil des geschenkten gauls :) aber für die zukunft: nie!

(was für mich heißt: eine flasche bier in der boxbude auf der kirmes ist okay, alles weitere: zu viel.)

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So habe ich es auch erzählt bekommen
Meine alte Agentur hat da mal ein Weihnachtsessen gemacht. Ich war zum Glück nicht dabei.
Ein Tisch hatte gar kein Essen bekommen (oder war es nur kalt?). Ansonsten war verdursten angesagt, weil Du zwar bestellen durftest, aber nix kam.
Show war halt eher was für Schulterzucken. Körper verbiegen und ähnliche Attraktionen.

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