Montag, 19. November 2007

trüffel kirmes und lafers audienz.

Samstag auf der "Eat'n Style" Messe also. Pünktlich vor Ort sein bedeutet, man hat Zeit zur Studie am lebenden Objekt. In diesem Fall: Gut gekleidete Menschen mit Fernsehkoch-Vokabular ("... und stell Dir vor, Tina hat da keinen Bumms in die Sauce bekommen" / "...und Mark-Hendrik kocht nichts ohne Topping drauf, weil"/ "... und dann nimmste als finishing einfach nen kleenen Strich reduzierten Balsamico, kannste so beim Dellikatäss koofn", usw.) und großen Designer-Taschen bewaffnet. Der Gourmet 2007 schreitet nicht unvorbereitet ins Paradies.

Direkt zu Anfang der Halle konnte man sich gegen zwei Euro Pfand ein Weinglas ausleihen. Das ließ großes vermuten. Und so sah ich mich in der seltenen Situation, morgens um kurz nach zehn lässig ein Weinglas immer im Weg zu haben und durch den ersten Gang zu schlendern. Direkt auf den ersten zehn Metern gab es den ersten Menschenauflauf. Ich dachte, dort bräuchte am Ende jemand die stabile Seitenlage, und drängelte mich durch, aber es war niemand zu Boden gegangen, sondern es gab Trüffel-Öl auf Toast an einem italienischen Stand. Ich dachte Och! und schon hatte ich auch so eine Art muffiger Geschmacksexplosion auf der Zunge. Das nächste was ich merkte war, wie mein Magen eine dringende Nachricht an das Großhirn sendete, mit Betreff "Ist die von allen guten Geistern verlassen?" Großhirn so "Keine Ahnung, ich sehe es gerade durch Auge rechts, Auge links meldet 'Glas in Hand, wird schon'."
Mit zusammengekniffenen Augen und einem Knoten in Magen und Co machte ich die vier Meter zum Stand gegenüber unter einer Sekunde, hielt dem Winzer mein Glas hin und brachte grad noch "rot" heraus, riss ihm das gefüllte Glas aus der Hand, schüttete den Degustierschluck in einem Rutsch hinunter und sagte brav "Danke".
Trüffel-Öl, geh mich fott, wie wir Rheinländer zu sagen pflegen.
Ich probierte dann noch aus Höflichkeitsgründen drei weitere deutsche Weine, machte gute Laune zum deutschen Spiel und sagte am Ende mit roten Wangen, dass das alles toll sei, also Reben und Wein, und zack, entschwand ich in der Menge die sich durch die Gänge schob.

Was soll ich schon sagen. Vier Stunden und zig Stände später ließen wir uns desillusioniert am Bertelsmann-Stand nieder, da gab es weder Öl noch Alkohol, sondern eine Tasse Kaffee und einen akustischen Eindruck was heute, im Jahr 2007 passiert, wenn ein bekannter Koch die Bühne betritt. Hausfrauen bekommen Hitzewallungen, Männer rote Wangen, es wird geklatscht und bejubelt, Johann Lafer ist der Dalai Cuisine.

Ich mag Johann Lafer, ich mag auch einige der anderen Köche, und das liegt daran, dass ich Köche generell mit Respekt sehe und ihnen diese Phase der Pop-Ära gönne.
Noch vor ein paar Jahren, als meine Eltern noch zwei waren und im Hunsrück wohnten, da fuhren wir vom Bahnhof immer beim Lafer vorbei, also Wortgemäß, und meine Mutter sagte immer, dass da ja der Koch seine Stromburg führe, und der soll ganz lecker sein, und Vater fuhr in die Kurve und brummte.
Ich werde die Tage mal den Versuch an der Mutter machen, und sie fragen, was sie eigentlich von diesem Johann Lafer hält. Ich wette, dass sie leuchtende Augen bekommt und sagt, dass das ja ein ganz ein attraktiver sei, und so nett und flott in der Küche. Nichts mehr mit 'der soll ganz lecker sein.'
Aber ich schwadroniere davon.
Was ich eigentlich zur Eat’n Style sagen wollte war: Kann man machen.
Kann man machen, wenn man Lust hat, schon morgens um halb elf angerissen mit einem Pfandglas von Winzer zu Winzer gereicht zu werden und ein Heidengeld mit nur einer Unterschrift auszugeben.
Kann man machen, wenn man Lust hat, innerhalb kürzester Zeit seinen Energiebedarf der kommenden Woche rein mit Olivenölen, 25 Jahre alten Balsamico auf Plastiklöffeln und Chili-Erdbeer-Schokolade mit einem Bumms Trüffel-Öl an einem einzigen Tag zu decken. Überhaupt, der Trend liegt im Trüffel.
Kann man machen, wenn einem der eigentliche Sinn einer Messe wurscht ist (der musste jetzt sein), man also keine wirklichen Neuheiten und/oder Überraschungen erwartet und Lust auf Kochshows mit Anheizern hat.
Allerdings: All das, was es dort gab, bekommt man längst in ausgewählten Geschäften, nur wird man in diesen nicht zu ständigen Gewinnspielen mit Dampfdruckgeräten als Top-Preis genötigt. Messepreise und Neuheiten gab es genau so wenig, wie Restkarten für die Sarah Wiener-Show.
Spaß hatten wir trotzdem.

17nov07

(Bei sanftem pressen des Bildes folgen mehr Eindrücke der Messe.)