Mittwoch, 9. Juli 2008

reisenotizen/ hopfen am see, oder 'im namen der traube'

Auftakt / 830 Meter über dem Meeresspiegel.

Hauptbahnhof am frühen Sonntagmorgen ist geprägt von Starbucksduft und den blutigen Pinkelpfützen am Ausgang Bertha-von-Suttnerplatz. Sieben Uhr in der Frühe, und die aktuelle Besetzung des Bahnhofs besteht aus Japanern mit komplizierten Gepäckpaketen, Gewerbliche mit Gucci-Imitaten und müden Augen und einer Taube ohne Flügel, tot auf den Gleisen vor dem Regionalexpress Dortmund.

Im Zug herrliche Ruhe und Leere. Ich belebe den Platz 91 und zwischen Köln bis Bonn gehe ich den Wagen Richtung Bord-WC ab und schlage alle Zeitungen 'mobil' Ausgabe Nr. 7 2008 auf, genau zwischen Seite 26 und 27, damit der Fahrgast gar nicht erst die ganze Zeitung durchblättern muss, um auf die -wie ich finde- relevante Information zu kommen.

Lieber Leser daheim, ich greife einmal kurz dem Textablauf vor und sage:
Solltest Du bis Ende des Monats eine Zeitung 'mobil' Nr. 7 2008 in die Hand bekommen, schlage die Zwischenseite mittig von Seite 26 und 27 auf, und Du hast ein hübsches Bild davon, mit wem ich die letzten Nächte in einem Doppelbett verbracht habe. Fängt auch mit M an, war aber nicht M.

Bis Augsburg lese ich ein Buch gefüllt mit Abschiedsbriefen von Männern ('Das war's dann wohl'- Abschiedsbriefe von Männern; Dva) und es rasen Kilometer von regenschiefen Feldern an mir vorbei.

An Bahnhöfen wird mir ein neuer Trend farbenprächtig und am lebenden Objekt vor Augen geführt.
Trugen noch vor einiger Zeit meist Frauen Shirts mit Aufdrucken wie ZICKE!, Flittchen, 'blond&will ich' etc, hat sich der Trend jetzt auf das unbescholtene Haustier verlagert. Hunde werden nichts ahnend in Halfter gesteckt auf denen 'Azubi' steht, Blondenhund und Egoist. Als ich aus dem Bahnhof Augsburg rolle, entfernt sich das Bild eines kleinen Terriers aus meinem Sichtfeld, auf dessen Geschirr 'Führer' steht. In braun.

Am Horizont plötzlich die Berge.
Ich meine- Berge!
Ich hätte nicht gedacht, dass diese mich so aufgeregt werden lassen, und ich klebe an der Bummelzugscheibe und fotografiere das, was sich auf den Bildern leider nicht widergeben lässt. Meine Aufregung und deren Präsenz.
Hey, ich bin Flachlandautorin, ich will mich nicht so einfach durch ein paar riesige Steine bezirzen lassen!

6juli08

Und: Die ganze Fahrt über freue mich auf den dritten Teil des Seminares. Man gewöhnt sich an die anderen Teilnehmer, die von mal zu Mal eine Schicht mehr bekommen, durch jede Anekdote und jedes Tun. Die Interessierte, die Ruhige, die eine in laut und fröhlich, und andere in ewig gelangweilt.

Aus Augsburg bringe ich ein kräftiges Gewitter mit. Die Taxifahrerin erklärt mir derweil das hohe Japaneraufkommen in Füssen mit den Schlößern um die Ecke am Hang. Natürlich, haue ich mir mit beiden Händen vor die Stirn. Franz, Sissy, Ludwig und die ganzen Berge und Seen drumherum. Nehme mir vor, gleich nach einem Kaffee alle Berge zu erklimmen und Geschichte nachzuholen.
Im Zimmer angekommen schlafe ich - Dank Bergluft- mit dem Gewitter ein. Letzer Gedanke wie meist, die Landesnotiz für das Hirn:
Bayern duftet also lecker nach Regen, Kuhmist und Bergen.

Später dann.
Mit dem Abendessen vor atemberaubender Kulisse bekam ich eine Zimmernachbarin, die wie ich erstaunt war.
Schullandheimerinnerungen kommen hoch, und ich bestelle mir darauf noch einen Viertel Rotwein für tiefen Schlaf.
Dem Mann zu Hause tippe ich 'Habe eine Vorbildfrau in meiner Gewalt, wir teilen Zimmer und Napf und ich kann alles fragen!'

Entwicklung / Die Kartoffel ist das Fleisch.

Dieses ewige Erschrecken vor den Bergen. Man denkt nichts großes, und plötzlich wendet man den Kopf und da sind sie wieder, diese riesigen Steine die einfach so vor einem stehen. Ich sass gestern noch eine Weile vor ihnen und mit dem ratlosen angucken kamen die Doors dazu und sangen in meinem Kopf ‚The End’ auf Repeat.
Alles wäre anders, gingen diese Bergketten einmal um mich herum. So sind sie einfach ein schönes Panorama, welches alle paar Minuten anders aussieht, je nach Licht und Wolke. Denke viel an Hobbits, weniger an Franz und Sissy.

7juli08

Tagsüber Seminar. Ich sauge auf was geht, und spucke aus wenn es muss. Theorie und Praxis in fröhlicher Umarmung, dazu gibt es am Ende viele rote Wangen, glasige Blicke und ich jubele über zwei Kopien von Aromarädern. Ich könnte noch Stunden über die Themen Weinbereitung und
alles über Spanien hören, mein Magen aber leider nicht, zum Abendessen eine halbe Flasche die noch übrig war, man opfert sich natürlich gern.

7juli08

Freizeit. Da kein Barfußweg in der Nähe war und auch sonst irgendwie alles zu oder weg war, ging eine kleine Gruppe von sieben Hobbits Geißlein Teilnehmern beherzt und per Pedes los, um die Dämmerung am Seerand zu erleben. Einmal rum um den Hopfensee heißt 6,8 Kilometer Fußmarsch, so bei 3,5 gibt’s den Wiesbauer, und da kann man sich aufhalten.
Als die kleine Gruppe dann um 22uhr15 eintraf hatte dieser grad die guten Stuben sauber und dunkel gelegt, und konnte nur mit einer Mischung aus Augenaufschlag (Angst im Dunkeln) und männlichem Druck (Nur n Bier!) zur Türöffnung bewegt werden.
Aber dann!
Ausgestopftes, Angezapftes und Geschichten (G’schichtn!) von ekligen Seegründen die keine messbare Tiefe besitzen, so tief sind die, Hitlers Schätzen und Ludwigs Todesgründe. Alles vom Chef persönlich erzählt.

7juli08

Mein Highlight, auch bebildert: der Wolpertinger!

7juli08

Ein bayrisches Fabelwesen, welches es natürlich genau in diesem Wald geben soll, durch den wir zurück müssen, in stockfinsterer Nacht. Ich gebe mich unbeeindruckt wenn auch ein wenig verliebt und erzähle ganz rheinländisch in Stimmung von unserem Kuno, den Dackel fressenden Wels aus 2001.
Keiner will mir glauben, und ich zische dem Wolpertinger zu, dass die alle schon sehen werden, Kuno hat bestimmt Verwandschaft im See zu Hopfen.

Für unser Überleben auf dem Rückweg (und das von ungezählten Kröten, die nachtaktiv eine rauhe Party feierten in einer kühlen Sommernacht) gab uns der nette Wirt noch drei Fackeln mit, und so sah der Wald kurz darauf das:
Sieben leicht hysterisch kichernde Menschen (erwachsen, 4 w. / 3 m.) mit drei Fackeln, die bei jeder Pfütze, vermeindlichen Schlange oder ‚irgendetwas im Walddunkel’ stoppten, kicherten oder die nächste Gänsehautgeschichte aus dem Pool der Gänsehautgeschichten erzählten.
Um Mitternacht waren alle dann sicher im Hotel und verstauten sich in die jeweiligen Doppelbetten, bevor sie sich in Wolpertinger verwandeln konnten.
Amen.

7juli08

Abgang / Wenn das Fackerl brodelt.

Morgens um sieben sehen meine müden Augen zwei erfreuliche Dinge:
Eine frische Oenologin (Doppelbetthälfte links) und ein Reh (Fensteraussicht, auf 11 Uhr).
Straffer Zeitplan = schnelles Frühstück. Ich schaffe Dank Nachtwanderung geschätzt ein Pfund Rührei, 1 Glas Buttermilch mit Fruchtmolke und eine große Schüssel Bircher Müsli.
Mit vollen Backen schwöre ich dem Löffel und dem Koch, der mich nicht hören kann, dass ich in dem Zeug begraben werden möchte, so lecker ist es.
Danach zum zweiten Tag des Seminares, heute ist Italien dran.
Wacker prosten wir uns noch vor zehn am Morgen zu, und Dank einiger Spuckschwächen bekommt das Bircher Müsli Gesellschaft von ein paar kleinen Schlückchen Venezien, Sizilien, Toskana und etc.

8juli08

Meine Lieblings-Oenologin (mobil, Ausgabe Nr. 7, 2008 zwischen den Seiten 26 und 27, der Leser erinnert sich) übersetzt Etiketten-Latein und behält auch die Fassung, als wir das dann tun. Dazu Lektionen in Maschinentrends (Weinernte) und am Objekt selbst (Rebe, lebendig).

8juli08

Gegen Mittag wird als letzte Tat etwas anderes probiert: Olivenöl.
Vier verschiedene Sorten, mit Luft und Speichel durch den Gaumen gezwirbelt, gesellen sich als Dritter Spieler im Bunde zu Bircher Müsli und Rotwein.

Taxi wartet, Tschö sagen bis August, dem Taxifahrer entschuldigend die Fahne erklären, die er nicht riechen kann, da er selber welchen zur Brotzeit hatte.
Bayern, stimmt ja.
Der Regionalexpress (wobei das Wort „Express“ für diese Bummelversion eine totale Fehlbenennung ist) soll um 13uhr06 fahren.
Um 13uhr06 sagt ein Lautsprecher in Füssen, dass dieser Zug ausfällt. Dafür würde ein Bus fahren. Ich fahre also nicht mit dem Zug nach Augsburg, sondern in einem Bus mit einem Grantler als Fahrer nach Marktoberdorf.

Notiz für mich selbst: Wenn das nächste Mal ein aufgeregter Teenager neben mir Platz nimmt und mich fragt, ob ich eigentlich auch den Zug hätte nehmen wollen und müssen, dann bin ich jetzt vorbereitet.Vorbereitet, das ich unter Umständen unter einem Redeschwall nicht unter zwei Stunden über das gesamte weibliche Teenagerdasein (Ausbildung zur kaufm. Angestellten, Freundeskreis der sich ausdünnt, AlkoPops und Schlösser von außen, und der Unterschied der Franken zu den Bayern) hinweg durch Bayern gekarrt werde. Ausgeliefert an eine gewisse Art hormoneller Aufruhr und den Regionalbahnen Bayerns.

Dort steht ein Zug auf den Schienen, der ab dort nach Buchloe fährt. Sagt die Frau am Kiosk, die wohl durch irgendwelche unsicheren Gründe auch zur DB gehört.
Der Zug selbst ist Ur-alt, dreckig und – er fährt nicht.
Nach 30 Minuten drin herumsitzen (was will man sonst in der Pampa auch tun?) und ohne einen Hauch von Bahnbediensteten fuhr dieser dann los. Einfach so.
Wildes Gefühl von Abenteuer mitten in Bayern. Selbst das Teenagermädchen holt kurz erstaunt Luft, und führt dann weiter aus.
In Buchloe dann kurzes herumsitzen und problemloses umsteigen, dann tatsächlich noch vor errechneter Zeit Augsburg erreicht, unschlüssig am Bahnhof herumgelaufen, einen Schauer angeguckt, und dann in den ICE gen Rheinland. Bei Stuttgart eingeschlafen. In den Sitzen des ICEs versunken träumte mir, ich ginge durch meinen tunnelartigen Keller, strich sanft über meine brandneuen Tonerde-Eier und erklärte der Presse den Leuten, dass ich tatsächlich den besten Bio-Weißwein des Sommers geschafft hätte, unwissend und mit meiner Balkontraube, die sich jetzt in freier Natur mal so richtig verausgabt hätte. Es gäbe aber leider nur eine Kiste davon, Tiffanys sei schon informiert.
Tja.

Man sieht sich immer zwei Mal im Leben, das werde ich Bayern in knapp sechs Wochen beweisen, wenn der letzte Teil des Sommelier-Kurses von Delinat ansteht.

8juli08

Pfüati.

* Bei Interesse an mehr:

Sämtliche Bilder zum Umfeld gibt es hier.

Alle auf dem Tisch stehende biolog. Weine gibt es genau hier.

Und residiert wurde dieses Mal im Eggensberger Bio-Hotel Hopfen am See.

Den Chef vom Wiesbauer und seinen Wolpertinger kann man hier besuchen.

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Als Sie es twitterten klang es schon abenteuerlich, aber so in Farbe... Himmel. Ich bin neidisch. Aber die Frau N. hat uns ja neulich auch leckere Delinat-Paketchen zusammengestellt. Wird mal wieder Zeit. Freitag klingt gut }:-)

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das höre ich doch gern! (gibt es favoriten für den freitag?)

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Ich weiß noch nicht. Kommtja immer auf dieTagesstimmung an, ob ich lieber spanisch oder italienisch oder französisch nehme. Ich glaube, andere haben wir nicht geordert.

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ich finde, mit den drei ländern ist man ja auch bestens ausgerüstet. ich, heute, spanisch und rot. immerhin schüttet es draussen, da braucht körper und seelchen ein bißchen urlaub.

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Ich glaube, ich mach mir jetzt erstmal einen auf.

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ich ziere mich artig und wie immer bis sechs.
dann aber rufe ich laut 'prost' in irgendeine richtung, vielleicht auch in mehrere, hamburch zum beispiel!

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Zehn nach. Zum Wohl.

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stößchen prösterchen!

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Meorge Mooney?

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mas?

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Maben Mie mit Meorge Mooney mie Macht merbracht?

(Heute in „Der erklärte Witz“: klappt nicht immer.)

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Gefühlte 2000 Groschen auf einmal später, mit flacher Hand gegen die Stirn:

Achso, Nein! Nicht der. Bitte noch einmal genau nachblättern, ich setze für nächste Woche einen Leistungsnachweis an.

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Verraten Sie mir vor Ablauf der sechs Wochen, in welchem Bayern Sie dann sind? Vielleicht habe ich ja Lust auf einen Kaffee in dieser Gegend. In sechs Wochen.

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exakt diese sache liegt seit zwei stunden fast fertig in meinem postausgang. gedankenübertragung, sag ich da mal so.

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