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Mittwoch, 17. Dezember 2008
eine biene zum fest!
Drüben auf meinem gedeckten Tisch halte ich einen absolut heißen, 1a Weihnachtsgeschenketipp für alle parat, die Weltfrieden verschenken möchten.
lesezeichen.
(...)"Die Tierklinik, in der es einen kleinen, schmutzigen Wartebereich und zwei heruntergekommene Behandlungsräume gab, hatte wirklich schon bessere Zeiten gesehen. Die Tierärzte hatten oft gewechselt, aber die drei Frauen, die die Klinik betrieben, blieben dieselben. Diese Frauen kümmerten sich nicht um Lippenstiftfarben oder die Frage, ob Cremelidschatten oder Puderlidschatten die bessere Wahl war. Der Zustand ihrer Haare, die lang und grau und widerspenstig waren, war ihnen anscheinend völlig egal. Sie kleideten sich ohne Rücksicht auf die Mode in Jeans und Herrenhemden. Ich bewunderte sie zutiefst und fühlte mich ihnen ebenso tief unterlegen.
Die Frau, die an jenem Tag an der Anmeldung saß, war eine große, massige Person mit ungekämmtem, grauem Haar und einer rauhen Stimme. Sie trug ein altes blaues Flanellhemd und darunter etwas, das aussah wie ein zerrissenes Männerunterhemd. Ich hatte sie noch nie lächeln sehen. Ich setzte den Hund auf dem schmutzigen Fußboden ab und bat sie mit, wie mir schien, äußerst kläglicher Stimme um Rat zu dem Bau eines Hühnerstalls.
"Machen sie ihn nicht zu groß", brummte sie. "Und sichern sie ihn gegen Waschbären."
"Ach", sagte ich, "Sie hatten Probleme mit Waschbären?"
Ich wusste, dass Waschbären Hühner rissen, wußte, wie sie die Vögel fraßen und was sie zurückließen. Aber ich sah nicht so aus, als ob ich es wüsste.
"Sie kommen", sagte sie. "Und bleiben."
Ich merkte, worauf sie hinauswollte. "Sie ... erschießen sie", sagte ich -gelassen, sachlich, kaltblütig. Sie nickte.
"Mit einem 22er", sagte sie und sah mich aus dem Augenwinkel an.
Ich fand, ich hielt mich ganz gut dafür, dass ich ein neues, limonengrünes T-Shirt, eine schwarze 7/8-Hose und richtig teure Schuhe trug. Ich nickte Verständig wie eine Frau, die ein 22er in ihrem Schlafzimmer stehen hatte und wusste, wie man damit umgeht. Auf dem Heimweg fragte ich mich, wie genau ein 22er aussah, wo man so etwas bekam und ob ich jeh gut genug würde schießen können, um barfuß und im Schlafanzug um zwei Uhr nachts einen Waschbären zu treffen.
Ich stellte mir vor, wie ich einen wütenden Kojoten mit Tränengas besprühte, und fragte mich, inwieweit ich zur Geflügelfarm taugte."
*
"Hühner können fliegen. Bantams können mehr als zwei Meter hoch fliegen und die schwersten Rassen immerhin etwa einen Meter zwanzig hoch. Der bisher längste protokollierte Flug eines Huhns dauerte siebzehn Sekunden, was einem nicht sehr lang vorkommt, bis man wirklich die Sekunden zählt, einundzwanzig, zweiundzwanzig, und sich vorstellt, dass es ein Huhn ist das man da fliegen sieht, kein Eichelhäher und keine Krähe."
*
Zwei Auszüge aus dem Buch "Stilleben mit Huhn" von Catherine Goldhammer. (Meine Lieblingsrezension ist übrigens die zweite, F.Klöhn)
Klappentext:
"Das ist die Geschichte eines Kreuzzugs zur Rettung von sechs Küken, eines verfallenen Hauses und einer ramponierten Seele."
Ich habe es vor ein paar Monaten auf einem Grabbeltisch gefunden und kurz gezögert, weil es das Einzige für fünf Euro war, der Rest um die zwei. Jetzt freue ich mich, denn es ist genau das richtige, um kurzweilig abzutauchen, und es geht um zwei meiner Lieblingsthemen: Haus und Huhn.
(Achtung, das ist keine schwer verdauliche Literatur. Nur eine Geschichte mit Hühnern. Nicht das am Ende wer schimpft wie F.Klöhn.)
Die Frau, die an jenem Tag an der Anmeldung saß, war eine große, massige Person mit ungekämmtem, grauem Haar und einer rauhen Stimme. Sie trug ein altes blaues Flanellhemd und darunter etwas, das aussah wie ein zerrissenes Männerunterhemd. Ich hatte sie noch nie lächeln sehen. Ich setzte den Hund auf dem schmutzigen Fußboden ab und bat sie mit, wie mir schien, äußerst kläglicher Stimme um Rat zu dem Bau eines Hühnerstalls.
"Machen sie ihn nicht zu groß", brummte sie. "Und sichern sie ihn gegen Waschbären."
"Ach", sagte ich, "Sie hatten Probleme mit Waschbären?"
Ich wusste, dass Waschbären Hühner rissen, wußte, wie sie die Vögel fraßen und was sie zurückließen. Aber ich sah nicht so aus, als ob ich es wüsste.
"Sie kommen", sagte sie. "Und bleiben."
Ich merkte, worauf sie hinauswollte. "Sie ... erschießen sie", sagte ich -gelassen, sachlich, kaltblütig. Sie nickte.
"Mit einem 22er", sagte sie und sah mich aus dem Augenwinkel an.
Ich fand, ich hielt mich ganz gut dafür, dass ich ein neues, limonengrünes T-Shirt, eine schwarze 7/8-Hose und richtig teure Schuhe trug. Ich nickte Verständig wie eine Frau, die ein 22er in ihrem Schlafzimmer stehen hatte und wusste, wie man damit umgeht. Auf dem Heimweg fragte ich mich, wie genau ein 22er aussah, wo man so etwas bekam und ob ich jeh gut genug würde schießen können, um barfuß und im Schlafanzug um zwei Uhr nachts einen Waschbären zu treffen.
Ich stellte mir vor, wie ich einen wütenden Kojoten mit Tränengas besprühte, und fragte mich, inwieweit ich zur Geflügelfarm taugte."
*
"Hühner können fliegen. Bantams können mehr als zwei Meter hoch fliegen und die schwersten Rassen immerhin etwa einen Meter zwanzig hoch. Der bisher längste protokollierte Flug eines Huhns dauerte siebzehn Sekunden, was einem nicht sehr lang vorkommt, bis man wirklich die Sekunden zählt, einundzwanzig, zweiundzwanzig, und sich vorstellt, dass es ein Huhn ist das man da fliegen sieht, kein Eichelhäher und keine Krähe."
*
Zwei Auszüge aus dem Buch "Stilleben mit Huhn" von Catherine Goldhammer. (Meine Lieblingsrezension ist übrigens die zweite, F.Klöhn)
Klappentext:
"Das ist die Geschichte eines Kreuzzugs zur Rettung von sechs Küken, eines verfallenen Hauses und einer ramponierten Seele."
Ich habe es vor ein paar Monaten auf einem Grabbeltisch gefunden und kurz gezögert, weil es das Einzige für fünf Euro war, der Rest um die zwei. Jetzt freue ich mich, denn es ist genau das richtige, um kurzweilig abzutauchen, und es geht um zwei meiner Lieblingsthemen: Haus und Huhn.
(Achtung, das ist keine schwer verdauliche Literatur. Nur eine Geschichte mit Hühnern. Nicht das am Ende wer schimpft wie F.Klöhn.)
Dienstag, 16. Dezember 2008
fröhliches zum vorfest.
Jetzt auch noch Derrick. Der kann sich mit Bettie da oben eine flotte Zeit machen, ich hoffe das wenigstens dort das ist, was allerorts posaunt wird aus lauten, güldenen Engeln.
Weihnachtszeit, lalalala-
Ich könnte drauf verzichten. Falsche Idylle, und selten im Jahr hat man die Gelegenheit, alle Familienangehörigen noch falscher lächelnd Harmonie zu heucheln.
Geschenke. Wollte man ja auch schon immer mal abschaffen, also meine Eltern so ab da, wo ich alt genug wurde, um mir "richtig was" zu wünschen, nicht nur eine warme Decke und ein Puppenbett ohne Puppe, weil ich mit Puppen nichts am Hut hatte. Trotzdem bekam ich nie meine Ameisenfarm oder das Chemiekraftwerk, welches ein heißer Wunschkandidat für die tristen Tage war. "Das Kind ist komisch" sagte meine Mutter manchmal, wenn ich Stunden damit verbracht habe, mit Kellerasseln zu spielen oder ein Käferparadies einzurichten. So richtig mit süß gammelnden Obstresten und Bungalows aus Streichholzschachteln zum Schlafen.
Warum hat sich eigentlich nie ein Elternteil gefragt, warum ich die Gesellschaft von friedlichen Insekten der meiner streitenden Eltern vorgezogen habe?
Geschenke jedenfalls. "Ganz ohne ist doch trist" sagt meine Mutter beharrlich, und "nur eine Kleinigkeit". Dann wird ein Betrag über den Daumen gepeilt, und da liegt mein Hase tief im Pfeffer, weil:
Ich schenke gern. Ich schenke für mein Leben gern jemanden etwas. Aber wenn im Vorfeld der genaue Tag, die Uhrzeit, die Person und der Betrag festgelegt sind, wie soll ich da meiner Schenkenslust noch Zunder geben?
Also bekommt meine Mutter das, was sie verdient. Irgendwas.
Hugo hat immer noch den Doppelzahn. Vielleicht hebt er sich den ollen Stumpen ja für den Weihnachtsmann auf, und hat irgendwie die Sache mit der Zahnfee für Katzen verwechselt.
Kann ja jedem mal passieren.
Draußen Hochnebel, zäh wie Blei über der Stadt, innen eine Unlust, wie ich sie nur ganz ganz selten Entwickeln kann.
Wärme wär toll. Liebe Menschen um einen herum. Freiwillige.
Statt dessen: Weihnachten... und jetzt auch noch Derrick.
PS: Ich halte den Kopf über Wasser, weil: Ich habe Therapeuten mit nassen Zungen um mich, die Fotografieversuche mit Gewalt und Wackeln unterbinden.

Weihnachtszeit, lalalala-
Ich könnte drauf verzichten. Falsche Idylle, und selten im Jahr hat man die Gelegenheit, alle Familienangehörigen noch falscher lächelnd Harmonie zu heucheln.
Geschenke. Wollte man ja auch schon immer mal abschaffen, also meine Eltern so ab da, wo ich alt genug wurde, um mir "richtig was" zu wünschen, nicht nur eine warme Decke und ein Puppenbett ohne Puppe, weil ich mit Puppen nichts am Hut hatte. Trotzdem bekam ich nie meine Ameisenfarm oder das Chemiekraftwerk, welches ein heißer Wunschkandidat für die tristen Tage war. "Das Kind ist komisch" sagte meine Mutter manchmal, wenn ich Stunden damit verbracht habe, mit Kellerasseln zu spielen oder ein Käferparadies einzurichten. So richtig mit süß gammelnden Obstresten und Bungalows aus Streichholzschachteln zum Schlafen.
Warum hat sich eigentlich nie ein Elternteil gefragt, warum ich die Gesellschaft von friedlichen Insekten der meiner streitenden Eltern vorgezogen habe?
Geschenke jedenfalls. "Ganz ohne ist doch trist" sagt meine Mutter beharrlich, und "nur eine Kleinigkeit". Dann wird ein Betrag über den Daumen gepeilt, und da liegt mein Hase tief im Pfeffer, weil:
Ich schenke gern. Ich schenke für mein Leben gern jemanden etwas. Aber wenn im Vorfeld der genaue Tag, die Uhrzeit, die Person und der Betrag festgelegt sind, wie soll ich da meiner Schenkenslust noch Zunder geben?
Also bekommt meine Mutter das, was sie verdient. Irgendwas.
Hugo hat immer noch den Doppelzahn. Vielleicht hebt er sich den ollen Stumpen ja für den Weihnachtsmann auf, und hat irgendwie die Sache mit der Zahnfee für Katzen verwechselt.
Kann ja jedem mal passieren.
Draußen Hochnebel, zäh wie Blei über der Stadt, innen eine Unlust, wie ich sie nur ganz ganz selten Entwickeln kann.
Wärme wär toll. Liebe Menschen um einen herum. Freiwillige.
Statt dessen: Weihnachten... und jetzt auch noch Derrick.
PS: Ich halte den Kopf über Wasser, weil: Ich habe Therapeuten mit nassen Zungen um mich, die Fotografieversuche mit Gewalt und Wackeln unterbinden.

Samstag, 13. Dezember 2008
order # 17.08
Jonathan?
Maam?
Jonathan, den Panzer bitte. Mir ist nach einem Ausritt mit Krieg.
Maam?
-
Maam, aber bald ist Weihnachten. Das Fest der Liebe.
Du sagst es, Jonathan. Dann nimm halt den roten Panzer, mit Lichterkette und Lametta.
Maam?
Jonathan, den Panzer bitte. Mir ist nach einem Ausritt mit Krieg.
Maam?
-
Maam, aber bald ist Weihnachten. Das Fest der Liebe.
Du sagst es, Jonathan. Dann nimm halt den roten Panzer, mit Lichterkette und Lametta.
Freitag, 12. Dezember 2008
† Bettie Page.

"Ich habe nie gedacht, dass ich etwas Ehrenrühriges tue. Für mich war das ganz normal. Und es war viel besser, als acht Stunden am Tag auf der Schreibmaschine zu hämmern, denn das wird auf Dauer langweilig."
(Bettie Page in einem Playboy-Interview von 1998)
Bye, Bettie.
Donnerstag, 11. Dezember 2008
reisenotizen/ oberambach, oder 'im namen der traube'
Als ich sonntags in aller Frühe aus dem Düsseldorf fahre, winkt es mir grimmig mit Schneeregen hinterher. "Tschüß, dachte ich, und das Düsseldorf so "Hau nur ab, Lu. Woanders ist es auch nicht doller."
So passierte ich Köln, und das Bonn, und Frankfurt, Nürnberg und all diese Städte. Mit im ICE-Huckepack ein sehr großes Rudel vitaler Rentner, die sich morgens um acht den ersten Advent des Jahres mit Apfelschnaps und Teelichtern nett und hell machten.
Alle zehn Minuten hörte man ein Prost, und das ja keiner auf nur einem Bein stehen könnte, und nach einer guten Stunde nur noch leises Schnarchen und im Takt zuckende Teelichtflämmchen.
Bis nach München war das mit dem Zug fahren auch sehr einfach. Aber dann! Gleis 2 sagt meine Reiseverbindung, Gleis 2 Tiefebene, S-Bahn. Gut, dachte ich, und schleppe Sack, Pack und mich in die tiefsten Ebenen des Münchens, stand dann so rum, und was sagt die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher?
Nichts, was ich gut verstanden hätte. Aber Flügelbahnhof und dreißig, das verstand ich gerade noch mit allen aufs Zerreißen gespannten Sinnen.
"Hilfe" sag ich zu dem Ehepaar neben mir, und dass ich nach Wolfratshausen müsse, und was hat die Lautsprecherstimme da gerade mit allem gemeint?
"Ihrer Zug doa fällt aus, und rennens ma eben noah hinterher.", sagt der Greis, und was soll ich sagen? Er rannte flink wie ein wild gewordener bavarischer Frischling durch diesen gefühlt riesigen Bahnhof Münchens, und ich immer hinterher, und die rotwangige Dame mit Dutt hinter mir, dicht an meinen Fersen, das war wohl auch eine Familienangehörige, wenn nicht sogar seine Frau oder Trainingspartnerin. Jedenfalls rannten wir in der Rotte, und als ich fit aber schnaufend auf Gleis 36, oberirdisch und irgendwie flügelig, in die S-Bahn einrannte, kamen hinter mir noch zwei ganze Paare grauhaariger, die das Spiel wohl schon kannten, mir eine gute Fahrt wünschten und sagten, das sei Montags bis Freitags normal, aber an einem Sonntag wie heute wohl eine Ausnahme.
Aha.
Im hellen sah ich von München also gerade noch die Ausfahrt Hauptbahnhof und ein Mercedes- wie ARD Gebäude (oder war es der BR?), und dann nur noch Dunkelheit und Haltestellen mit seltsamen Namen.
45 Minuten entlang.
Dann Wolfratshausen.
Und dann nichts mehr.
Ich brauchte ein Taxi, aber da war weder ein fest installierter Taxi-Stand, noch ein Notruf nach einem Mietwagen nebst Fahrer, noch eine helle Lampe für das weibliche Befinden in fremden Dörfern.
Ich sprach alle Seelen an, die mir näher als 15 Meter kamen. Eine davon, eine Frau mit mildem Blick, gab mir geduldig eine Telefonnummer, falls das nicht eintreffe, von dem alle anderen locker meinten, dass das der Normalfall wäre.
Nämlich, dass dort in der dunklen Biege hinter dem Gleis Taxis stünden, die nur darauf warten würden, das Menschenkinder und Stadtfrauen wie ich auf ihre Dienste angewiesen wären. Nur heute für mich: Ausnahme.
Ich stand also dort in der Schwärze des Abends und dachte an warme Restaurants und mein gebuchtes Zimmer ein paar Meilen weiter, und wollte gerade diese frisch geschenkte Nummer wählen, als ein Großraumtaxi langsam in meine Richtung fuhr.
Kein Licht an, Taxischild in totale Dunkelheit gehüllt, und ich dachte "Wurscht, Bayrische!" und warf mich mit allem Gepäck in die Biegung der Kurve und gab mich sehr großstädtisch, schrie also aus Leibeskräften TAAAXIII! Und der Fahrer so, jaja, wäre ja gut, er wär ja da.
Der Fahrer großer Tierfreund, überfuhr keine der gefühlt 100 Katzen, die in dunklen, bayrischen Waldwegen unsere Route zu Fuß durchkreuzten. Überfährt auch keine Kröten, und ich sag, das wär ja klasse, ich nämlich auch nicht, und ab da waren wir Freunde, da passte kein Blatt Papier mehr zwischen seine Weltanschauung und meine. Froschfreunde halten zusammen, weltweit.
Aber da passte auch kein Ton mehr zwischen seine Musik und meiner Auffassungsgabe.
Er: "Hören sie die Musik?"
Ich: "Klar, ist ja laut genug."
Er: "Das bin ich."
Ich: "Echt?"
Er: "Hm."
Ich: "Ich zwinge meinen M. irgendwann dazu, wieder Klavier zu spielen und Stunden zu nehmen. Ich möchte später einen Mann, der mir abends gut zuspielt, während ich den Rotwein heimlich leer mache."
Er: "Oh, ich habe das nie gelernt."
Ich: "Hm."
Er: "Ich spiele in einer Art Trance."
Ich: "Wie bitte?"
Er: "Und, und das macht sonst so auch keiner, und ich spiele NUR die weißen Tasten."
Ich: "Und was haben sie gegen die schwarzen?"
Er: "Nichts, aber ich spiele sie nicht…"
Ich: "Da liegt doch was im Argen."
Er: "…und kein Lied ist wie das andere. Ich spiele jedes anders."
Nach ein paar Mal Einbiegen in sehr dunkle Waldwege waren wir da, und ich dachte super, hat mich doch kein irrer Esoteriker mitten in Bayern ums Leben gespielt, und dann sagt er hier, ich schenk ihnen meine CD, und dann schalt ich mich kurz aber heftig für meine Großstadtparanoia und sagte artig Danke, und er wünschte mir viel Glück und dann war ich im Hotel, und dann im Restaurant, Zeitung, Essen, all das und dann war Ruhe im Karton.

Ich ging mit dem Satz "Wir spülen nur mit Regenwasser" schlafen und fiel in einen biologisch wertvollen, aber unruhigen Schlaf.
Ich: "Gott?"
Gott: "Ja?"
Ich: "Welcher ist eigentlich Dein liebster Wein?"
Gott: "Lu, Das müsstest Du mir doch sagen können. Durchgefallen. Ab in die Hölle."
3Uhr45. Einmal Regenwasser benötigt und dann zurück in die zu weiche Matratze gesunken. Übermorgen Prüfung und das Gefühl, nicht nur zu wenig, sondern quasi richtig viel zu wenig gelernt zu haben lag auf meiner freien Seite und schlief den tiefen Schlaf der Unschuldigen. Ich drehte mich auf links, dann auf rechts, dann wieder links, dann
Ich: "Gott?"
Gott: "Lu?"
Ich: "Und was, wenn ich vielleicht wüsste, was Du magst?"
Gott: "Lass hören."
Ich halte plötzlich eine Flasche in der Hand, entkorke schwungvoll, gieße in die aus dem Nichts auftauchenden Gläser je eine gute Pfütze ein und höre mich "Prösterchen" rufen. Gott nimmt einen kräftigen Schluck, ich auch, und dann schaut er mich an.
Lang.
Stumm.
Abwartend.
"Okay", sage ich, "okay."
Okay, denke ich, okay, jetzt muss aber ein Showelement her, das ist schließlich Gott. Verdrehe also gekonnt die Augen, spüle kräftig den Wein nach links, dann nach rechts, mache einen spitzen Mund, zische mit Luft und sage:
"Hmmm!"
Gott leert sein Glas in einem Zug, zieht Luft, bleibt aber stumm und sieht mich an.
Ich, schlürfend und vor Vergnügen brummend: "Was für ein ROT! Wie frisches Ochsenblut. Wie zertretene Blaubeeren."
Gott schaut mich neugierig an. Ich laufe zur Hochform auf.
Ich: "Kirschig, Zwetschig, Himbeerig, und irgendwo dahinter kalter Stall. Suppe, Nebel und eine Note von Dung und Rohöl."
Gott: "Och."
Ich: "Ja. Phantastisch! Schmeckt?"
Gott: "Naja."
Ich: "Okay, hier ein anderer, direkt aus dem Tal daneben, aber Hallo? Alles andere als ein Nachbar."
Ich gieße ein, und -
5Uhr12. Zeit für Regenwasser. Was ist das nur für ein stetes Brummen in meinem Zimmer, das macht mich schier wahnsinnig. Ich stehe mit Ohr und Schulter an der Wand, woher der Lärm entfleucht.
Der Nachbar scheint durchgehend auf dem Topf zu sitzen, und ab 60 Sekunden dröhnt da die hoteleigene Lüftung los.
Ich, um meinen Schlaf und um Gottes Gunst kämpfend, trete also beherzt in meinen IKEA-Schlafanzug gehüllt auf den Hotelflur um meinen Zimmernachbarn vom Lokus zu klopfen, und: stehe vor dem Fahrstuhl.
Mein direkter Nachbar ist der Fahrstuhl, und das Brummen kein Lokuslüfter, sondern das Herz seiner Mechanik.
Seufzend zurück in die biologisch warmen Federn, und das im stockdunkeln, weil der Elektrosmog-AUS-Schalter direkt neben dem Bett ist, und dieses in der hintersten Ecke des Zimmers, aber wofür hat man Hände und Füße, die man sich stoßen kann.
Zzzz...
Ich gieße ein, und Gott trinkt, ich trinke, und weil Gott wieder abwartend schweigt, rufe ich "Hier, ein Franzose!" und Gott: "Cheerio", und dann eine lange Stille.
Wir spülen und belüften, wir drehen Augen und gurgeln.
Dann Gott, ganz hingerissen: "Pralle Textur. Wild, gleichzeitig dieses Sanfte, wie ein kastrierter Panther. Ich schmecke Stein und Winzerschweiß, das sterbende Holz eines Mischwaldes und die kräftige Note eines einsam streunenden Wildschweins. Im Hintergrund, mitten im Abgang: Nashornkäfer. Da schmecke ich so um die fünf."
Eingeschüchtert schenke ich nach, kippe mein Glas auf Ex, belüfte und spüle und kneife ein Auge zusammen.
"Hmmm", sage ich, "nicht schlecht lieber Gott, aber ich habe da noch mehr auf der Zunge. Was sagst Du zu den feinstaubigen Tanninen, die ledrig am Gaumen pulsieren? Irgendwie pompös, aber unbestritten sexy.
Ein Geschmack wie eine räudige –"
6Uhr37. Fahrstuhl, Regenwasser, das ganze Programm.
Ich beschließe trotzig, wach zu bleiben, hole aus der Dusche noch mehr Wasser raus und gehe mit gezückter Gabel eine Stunde später durch das komplette Frühstücksbuffet. Nachtarbeit macht hungrig. Morgenspaziermärsche auch.

(Montagsaussicht die Erste, der Starnberger See.)

(Montagsaussicht die Zweite.)
Montag durchgehend: Fragen stellen und ein kurzer Abriss der letzten Monate Seminar. Man ist ja nicht zum Spaß da.
Haben wir trotzdem, wenn auch teilweise jeder für sich.
Spontane Blitzeingebung eines Buches, gefüllt mit Sprüchen eines Trinkers, eine Art hübsch gedrucktes Tagebuch mit Illustrationen.
„Das Geräusch aneinanderklirrender Weinflaschen lockte mich gestern Abend in den Nachbargarten.
Zunächst geduldet, trank ich allen süßen Wein. Sowie ich aber anfing, den Nachbarn von Schrödingers Katze und den Wundern der Quantenwelt zu berichten (wobei ich bedauerlicherweise bis zum Ellenbogen im Dekolleté der Tochter des Hauses stecken blieb), warfen sie mich über die Hecke.
Mildtätige Zwerge fanden mich und pflegten mich in ihrer Höhle gesund.“
Ich habe keinen Schimmer, mildtätige Leser, aber ich bin mir sicher, Gott steckte hinter dieser prompten Eingebung.
Abends Essen, nachts Fahrstuhl, dazwischen eine zu früh ausgeknipste WLAN-Verbindung (Danke liebes Hotel, meine Soap zur Entspannung war grad fünf Minuten alt, als mein Laptop sah, das es abgeschnitten war und somit als Fernseher undenkbar.).
Viel gewälzt und an dieses Buch gedacht.
„Stimme aus der Steckdose gehört.
Werde ich wahnsinnig? Wein, Wein.“
Am nächsten Morgen und nach Wellen von verzweifelt gespültem Regenwasser war er da, der Prüfungstag. Alle blindlings übermüdet, auch ohne Fahrstuhlschacht. Meine Lieblingsönologin hat sich die Nacht mit der Energiespartaste und dem stur schweigendem Fernseher um die Ohren geschlagen, die andere hatte es zu warm,
die nächste zu wach, und ich – aber das wissen wir ja schon. Nur Gott zechte diese Nacht wohl mit wem anders.

Prüfung viel gekreuzt, zwei Blockaden in der Größe eines Tankschiffs, der praktische Teil wuppte nur so, und dann war auch schon alles rum.

Köstliches Highlight 2008, das war’s dann schon mit dir?
Wir schlugen uns gemeinsam durch Länder und Neigen, durch die Nahe und durch Zeulenroda. Wir saßen Schulter an Schulter über gefühlte Jahre in ICEs und wer war da, wenn es nach Bayern ging? Genau.
Du puscheliges Highlight.
Kurz gesagt: Bestanden. Mitten in Oberambach und einfach so. Mit Bravour, wie mir ein Vöglein zwitscherte.
Während kurz darauf ein Taxifahrer meinte, vier Menschen mit knappen 200 Sachen auf Münchens Hauptbahnhof zuschießen zu müssen, dachte ich so "Gott?"
Und er "Hicks", und ich "Jetzt pass aber mal kurz auf!" und er, lallend "Erst ein Gedicht!", und das einzige, was thematisch jetzt passte und mir unheimlich spontan einfiel war:
„Unbekannte Frau in der Fußgängerzone verbot mir, in ihren Armen zu sterben. Wenig schöne Szene.
Danach Glühwein und rücksichtslose Kirchenkritik auf dem Weihnachtsmarkt. Schürfwunden.“
Gott lachte donnernd los, dann schon der Bahnhof in Sicht, ich noch ein paar Stündchen durch München getingelt, ein kurzes Selbstportrait in einem Klospiegel bei Starbucks, und dann tief zufrieden sechs Stunden im ICE Zeit totgeschlagen.
Ich bin jetzt diplomierte Sommelière.
Und die anderen hoffentlich auch.
Machs gut, Gott.
Und macht’s gut, ihr wackeren Mitspucker/Innen, ihr Dozenten, Organisatoren, Weinbeschaffer, Hotelinhaber, Bio-Köche, Serviceleute, Wettermacher und Lieblingsönologinnen.

(Sämtliche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und tollen Orten sind natürlich völlig gelogen und aus Versehen, und auch dieses Bayern scheint es so nicht wirklich zu geben, ich meine, schauen sie sich doch nur einmal diese Sache mit dem Wolpertinger an.
Mit sehr heiteren Grüßen: die Autorin.)
So passierte ich Köln, und das Bonn, und Frankfurt, Nürnberg und all diese Städte. Mit im ICE-Huckepack ein sehr großes Rudel vitaler Rentner, die sich morgens um acht den ersten Advent des Jahres mit Apfelschnaps und Teelichtern nett und hell machten.
Alle zehn Minuten hörte man ein Prost, und das ja keiner auf nur einem Bein stehen könnte, und nach einer guten Stunde nur noch leises Schnarchen und im Takt zuckende Teelichtflämmchen.
Bis nach München war das mit dem Zug fahren auch sehr einfach. Aber dann! Gleis 2 sagt meine Reiseverbindung, Gleis 2 Tiefebene, S-Bahn. Gut, dachte ich, und schleppe Sack, Pack und mich in die tiefsten Ebenen des Münchens, stand dann so rum, und was sagt die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher?
Nichts, was ich gut verstanden hätte. Aber Flügelbahnhof und dreißig, das verstand ich gerade noch mit allen aufs Zerreißen gespannten Sinnen.
"Hilfe" sag ich zu dem Ehepaar neben mir, und dass ich nach Wolfratshausen müsse, und was hat die Lautsprecherstimme da gerade mit allem gemeint?
"Ihrer Zug doa fällt aus, und rennens ma eben noah hinterher.", sagt der Greis, und was soll ich sagen? Er rannte flink wie ein wild gewordener bavarischer Frischling durch diesen gefühlt riesigen Bahnhof Münchens, und ich immer hinterher, und die rotwangige Dame mit Dutt hinter mir, dicht an meinen Fersen, das war wohl auch eine Familienangehörige, wenn nicht sogar seine Frau oder Trainingspartnerin. Jedenfalls rannten wir in der Rotte, und als ich fit aber schnaufend auf Gleis 36, oberirdisch und irgendwie flügelig, in die S-Bahn einrannte, kamen hinter mir noch zwei ganze Paare grauhaariger, die das Spiel wohl schon kannten, mir eine gute Fahrt wünschten und sagten, das sei Montags bis Freitags normal, aber an einem Sonntag wie heute wohl eine Ausnahme.
Aha.
Im hellen sah ich von München also gerade noch die Ausfahrt Hauptbahnhof und ein Mercedes- wie ARD Gebäude (oder war es der BR?), und dann nur noch Dunkelheit und Haltestellen mit seltsamen Namen.
45 Minuten entlang.
Dann Wolfratshausen.
Und dann nichts mehr.
Ich brauchte ein Taxi, aber da war weder ein fest installierter Taxi-Stand, noch ein Notruf nach einem Mietwagen nebst Fahrer, noch eine helle Lampe für das weibliche Befinden in fremden Dörfern.
Ich sprach alle Seelen an, die mir näher als 15 Meter kamen. Eine davon, eine Frau mit mildem Blick, gab mir geduldig eine Telefonnummer, falls das nicht eintreffe, von dem alle anderen locker meinten, dass das der Normalfall wäre.
Nämlich, dass dort in der dunklen Biege hinter dem Gleis Taxis stünden, die nur darauf warten würden, das Menschenkinder und Stadtfrauen wie ich auf ihre Dienste angewiesen wären. Nur heute für mich: Ausnahme.
Ich stand also dort in der Schwärze des Abends und dachte an warme Restaurants und mein gebuchtes Zimmer ein paar Meilen weiter, und wollte gerade diese frisch geschenkte Nummer wählen, als ein Großraumtaxi langsam in meine Richtung fuhr.
Kein Licht an, Taxischild in totale Dunkelheit gehüllt, und ich dachte "Wurscht, Bayrische!" und warf mich mit allem Gepäck in die Biegung der Kurve und gab mich sehr großstädtisch, schrie also aus Leibeskräften TAAAXIII! Und der Fahrer so, jaja, wäre ja gut, er wär ja da.
Der Fahrer großer Tierfreund, überfuhr keine der gefühlt 100 Katzen, die in dunklen, bayrischen Waldwegen unsere Route zu Fuß durchkreuzten. Überfährt auch keine Kröten, und ich sag, das wär ja klasse, ich nämlich auch nicht, und ab da waren wir Freunde, da passte kein Blatt Papier mehr zwischen seine Weltanschauung und meine. Froschfreunde halten zusammen, weltweit.
Aber da passte auch kein Ton mehr zwischen seine Musik und meiner Auffassungsgabe.
Er: "Hören sie die Musik?"
Ich: "Klar, ist ja laut genug."
Er: "Das bin ich."
Ich: "Echt?"
Er: "Hm."
Ich: "Ich zwinge meinen M. irgendwann dazu, wieder Klavier zu spielen und Stunden zu nehmen. Ich möchte später einen Mann, der mir abends gut zuspielt, während ich den Rotwein heimlich leer mache."
Er: "Oh, ich habe das nie gelernt."
Ich: "Hm."
Er: "Ich spiele in einer Art Trance."
Ich: "Wie bitte?"
Er: "Und, und das macht sonst so auch keiner, und ich spiele NUR die weißen Tasten."
Ich: "Und was haben sie gegen die schwarzen?"
Er: "Nichts, aber ich spiele sie nicht…"
Ich: "Da liegt doch was im Argen."
Er: "…und kein Lied ist wie das andere. Ich spiele jedes anders."
Nach ein paar Mal Einbiegen in sehr dunkle Waldwege waren wir da, und ich dachte super, hat mich doch kein irrer Esoteriker mitten in Bayern ums Leben gespielt, und dann sagt er hier, ich schenk ihnen meine CD, und dann schalt ich mich kurz aber heftig für meine Großstadtparanoia und sagte artig Danke, und er wünschte mir viel Glück und dann war ich im Hotel, und dann im Restaurant, Zeitung, Essen, all das und dann war Ruhe im Karton.

Ich ging mit dem Satz "Wir spülen nur mit Regenwasser" schlafen und fiel in einen biologisch wertvollen, aber unruhigen Schlaf.
Ich: "Gott?"
Gott: "Ja?"
Ich: "Welcher ist eigentlich Dein liebster Wein?"
Gott: "Lu, Das müsstest Du mir doch sagen können. Durchgefallen. Ab in die Hölle."
3Uhr45. Einmal Regenwasser benötigt und dann zurück in die zu weiche Matratze gesunken. Übermorgen Prüfung und das Gefühl, nicht nur zu wenig, sondern quasi richtig viel zu wenig gelernt zu haben lag auf meiner freien Seite und schlief den tiefen Schlaf der Unschuldigen. Ich drehte mich auf links, dann auf rechts, dann wieder links, dann
Ich: "Gott?"
Gott: "Lu?"
Ich: "Und was, wenn ich vielleicht wüsste, was Du magst?"
Gott: "Lass hören."
Ich halte plötzlich eine Flasche in der Hand, entkorke schwungvoll, gieße in die aus dem Nichts auftauchenden Gläser je eine gute Pfütze ein und höre mich "Prösterchen" rufen. Gott nimmt einen kräftigen Schluck, ich auch, und dann schaut er mich an.
Lang.
Stumm.
Abwartend.
"Okay", sage ich, "okay."
Okay, denke ich, okay, jetzt muss aber ein Showelement her, das ist schließlich Gott. Verdrehe also gekonnt die Augen, spüle kräftig den Wein nach links, dann nach rechts, mache einen spitzen Mund, zische mit Luft und sage:
"Hmmm!"
Gott leert sein Glas in einem Zug, zieht Luft, bleibt aber stumm und sieht mich an.
Ich, schlürfend und vor Vergnügen brummend: "Was für ein ROT! Wie frisches Ochsenblut. Wie zertretene Blaubeeren."
Gott schaut mich neugierig an. Ich laufe zur Hochform auf.
Ich: "Kirschig, Zwetschig, Himbeerig, und irgendwo dahinter kalter Stall. Suppe, Nebel und eine Note von Dung und Rohöl."
Gott: "Och."
Ich: "Ja. Phantastisch! Schmeckt?"
Gott: "Naja."
Ich: "Okay, hier ein anderer, direkt aus dem Tal daneben, aber Hallo? Alles andere als ein Nachbar."
Ich gieße ein, und -
5Uhr12. Zeit für Regenwasser. Was ist das nur für ein stetes Brummen in meinem Zimmer, das macht mich schier wahnsinnig. Ich stehe mit Ohr und Schulter an der Wand, woher der Lärm entfleucht.
Der Nachbar scheint durchgehend auf dem Topf zu sitzen, und ab 60 Sekunden dröhnt da die hoteleigene Lüftung los.
Ich, um meinen Schlaf und um Gottes Gunst kämpfend, trete also beherzt in meinen IKEA-Schlafanzug gehüllt auf den Hotelflur um meinen Zimmernachbarn vom Lokus zu klopfen, und: stehe vor dem Fahrstuhl.
Mein direkter Nachbar ist der Fahrstuhl, und das Brummen kein Lokuslüfter, sondern das Herz seiner Mechanik.
Seufzend zurück in die biologisch warmen Federn, und das im stockdunkeln, weil der Elektrosmog-AUS-Schalter direkt neben dem Bett ist, und dieses in der hintersten Ecke des Zimmers, aber wofür hat man Hände und Füße, die man sich stoßen kann.
Zzzz...
Ich gieße ein, und Gott trinkt, ich trinke, und weil Gott wieder abwartend schweigt, rufe ich "Hier, ein Franzose!" und Gott: "Cheerio", und dann eine lange Stille.
Wir spülen und belüften, wir drehen Augen und gurgeln.
Dann Gott, ganz hingerissen: "Pralle Textur. Wild, gleichzeitig dieses Sanfte, wie ein kastrierter Panther. Ich schmecke Stein und Winzerschweiß, das sterbende Holz eines Mischwaldes und die kräftige Note eines einsam streunenden Wildschweins. Im Hintergrund, mitten im Abgang: Nashornkäfer. Da schmecke ich so um die fünf."
Eingeschüchtert schenke ich nach, kippe mein Glas auf Ex, belüfte und spüle und kneife ein Auge zusammen.
"Hmmm", sage ich, "nicht schlecht lieber Gott, aber ich habe da noch mehr auf der Zunge. Was sagst Du zu den feinstaubigen Tanninen, die ledrig am Gaumen pulsieren? Irgendwie pompös, aber unbestritten sexy.
Ein Geschmack wie eine räudige –"
6Uhr37. Fahrstuhl, Regenwasser, das ganze Programm.
Ich beschließe trotzig, wach zu bleiben, hole aus der Dusche noch mehr Wasser raus und gehe mit gezückter Gabel eine Stunde später durch das komplette Frühstücksbuffet. Nachtarbeit macht hungrig. Morgenspaziermärsche auch.

(Montagsaussicht die Erste, der Starnberger See.)

(Montagsaussicht die Zweite.)
Montag durchgehend: Fragen stellen und ein kurzer Abriss der letzten Monate Seminar. Man ist ja nicht zum Spaß da.
Haben wir trotzdem, wenn auch teilweise jeder für sich.
Spontane Blitzeingebung eines Buches, gefüllt mit Sprüchen eines Trinkers, eine Art hübsch gedrucktes Tagebuch mit Illustrationen.
„Das Geräusch aneinanderklirrender Weinflaschen lockte mich gestern Abend in den Nachbargarten.
Zunächst geduldet, trank ich allen süßen Wein. Sowie ich aber anfing, den Nachbarn von Schrödingers Katze und den Wundern der Quantenwelt zu berichten (wobei ich bedauerlicherweise bis zum Ellenbogen im Dekolleté der Tochter des Hauses stecken blieb), warfen sie mich über die Hecke.
Mildtätige Zwerge fanden mich und pflegten mich in ihrer Höhle gesund.“
Ich habe keinen Schimmer, mildtätige Leser, aber ich bin mir sicher, Gott steckte hinter dieser prompten Eingebung.
Abends Essen, nachts Fahrstuhl, dazwischen eine zu früh ausgeknipste WLAN-Verbindung (Danke liebes Hotel, meine Soap zur Entspannung war grad fünf Minuten alt, als mein Laptop sah, das es abgeschnitten war und somit als Fernseher undenkbar.).
Viel gewälzt und an dieses Buch gedacht.
„Stimme aus der Steckdose gehört.
Werde ich wahnsinnig? Wein, Wein.“
Am nächsten Morgen und nach Wellen von verzweifelt gespültem Regenwasser war er da, der Prüfungstag. Alle blindlings übermüdet, auch ohne Fahrstuhlschacht. Meine Lieblingsönologin hat sich die Nacht mit der Energiespartaste und dem stur schweigendem Fernseher um die Ohren geschlagen, die andere hatte es zu warm,
die nächste zu wach, und ich – aber das wissen wir ja schon. Nur Gott zechte diese Nacht wohl mit wem anders.

Prüfung viel gekreuzt, zwei Blockaden in der Größe eines Tankschiffs, der praktische Teil wuppte nur so, und dann war auch schon alles rum.

Köstliches Highlight 2008, das war’s dann schon mit dir?
Wir schlugen uns gemeinsam durch Länder und Neigen, durch die Nahe und durch Zeulenroda. Wir saßen Schulter an Schulter über gefühlte Jahre in ICEs und wer war da, wenn es nach Bayern ging? Genau.
Du puscheliges Highlight.
Kurz gesagt: Bestanden. Mitten in Oberambach und einfach so. Mit Bravour, wie mir ein Vöglein zwitscherte.
Während kurz darauf ein Taxifahrer meinte, vier Menschen mit knappen 200 Sachen auf Münchens Hauptbahnhof zuschießen zu müssen, dachte ich so "Gott?"
Und er "Hicks", und ich "Jetzt pass aber mal kurz auf!" und er, lallend "Erst ein Gedicht!", und das einzige, was thematisch jetzt passte und mir unheimlich spontan einfiel war:
„Unbekannte Frau in der Fußgängerzone verbot mir, in ihren Armen zu sterben. Wenig schöne Szene.
Danach Glühwein und rücksichtslose Kirchenkritik auf dem Weihnachtsmarkt. Schürfwunden.“
Gott lachte donnernd los, dann schon der Bahnhof in Sicht, ich noch ein paar Stündchen durch München getingelt, ein kurzes Selbstportrait in einem Klospiegel bei Starbucks, und dann tief zufrieden sechs Stunden im ICE Zeit totgeschlagen.
Ich bin jetzt diplomierte Sommelière.
Und die anderen hoffentlich auch.
Machs gut, Gott.
Und macht’s gut, ihr wackeren Mitspucker/Innen, ihr Dozenten, Organisatoren, Weinbeschaffer, Hotelinhaber, Bio-Köche, Serviceleute, Wettermacher und Lieblingsönologinnen.

(Sämtliche Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und tollen Orten sind natürlich völlig gelogen und aus Versehen, und auch dieses Bayern scheint es so nicht wirklich zu geben, ich meine, schauen sie sich doch nur einmal diese Sache mit dem Wolpertinger an.
Mit sehr heiteren Grüßen: die Autorin.)
Mittwoch, 10. Dezember 2008
post natal.
(...)"Plötzlich war ich Vater mit einem Sohn Namens Hannes Yul Fietje Dietrich (das ist alles total Wahnsinn. Das geht einfach so. Schwupps, schon bin ich Vater)."
Allein für den Namen "Fietje" sollte man ihnen alles tolle wünschen!
Allein für den Namen "Fietje" sollte man ihnen alles tolle wünschen!
Dienstag, 9. Dezember 2008
post mortem.
Der Tag gestern war schlimm, und das beste an ihm: er ist rum.
Ein Aschebehältnis mehr in der Wohnung, Dizzy und Janis haben nun Luna bei sich, Skat wäre möglich, wäre Skat bei Katzes ein Thema.
Luna ging unschön. Luna ging schmerzvoll. Luna ging wohl Dank einer falsch gesetzten Spritze (Diazepam) einer Vertretungsärztin am Samstag Mittag.
Sie hatte ein paar Tage eine Magen-Darm-Sache, bekam B-Vitamine und Infusion unter die Haut, damit die Nieren diesen Infekt unbeschadet überstehen. Sie bekam Blut abgenommen, eine Innenaufnahme via Röntgen und Ultraschall. Freitag Abend wussten wir um des Lünchens Gesundheit, die völlig in Ordnung war, bis auf das alte Herz welches seit einem Jahr Unterstützung bekam.
Samstag dann die Vertretungsärztin und ihre sportliche, schulmedizinische Auffassung, das Tiere ja nun mal fressen müssen. Und ihre Spritze, die mit unserer Tierärztin nicht abgesprochen war.
Zwei und eine halbe Stunde später starb Luna an einer Herzattacke, richtig bei sich war sie seit der Spritze mit dem Sedativum nicht mehr.
Man kann wütend sein.
Man kann die Ärztin am Telefon zur Schnecke machen.
Man kann mit seiner Tierärztin eine halbe Stunde telefonieren und die Sprachlosigkeit an allen Enden spüren.
Es tut allen leid, auch besagter Vertretungsärztin.
Ich bin mittlerweile in der Lage, nicht mehr voll mit Zorn zu sein. Ich denke, eine Seele geht, wenn sie will, und die Umstände die sie dazu nutzt können drastisch sein.
Das wäre eine Art der Sichtweise.
Betroffenheit geht mir dabei wirklich von links nach rechts, der Restzorn gegen mich selbst, den kann mir keiner nehmen, der muss sich von allein abbauen.
Luna ist jetzt woanders. Irgendwo.
Es ist nicht mehr und nicht weniger, und es tut natürlich weh, aber es ist in Ordnung.
Heute jährt sich des Leaderfellchens Todestag. Er machte heute vor einem Jahr den Anfang und nun sind von den ursprünglichen vier Fellchen drei woanders und noch einer bei uns. Irma und Hugo zahnen und ich genoss heute im nieseligen Morgen die Normalität eines Dienstags im Dezember.
Diese Trauer und der Abschied haben in diesem Jahr eine Art eigene Dynamik entwickelt, in deren Bugwasser ich gelernt habe, wie man mit persönlichen Verlusten umgeht. Wie ich mit persönlichen Verlusten umgehe. Umgehen sollte.
Ich hoffe, ich bin mit dem Thema für mich durch, weil ich nicht noch den letzten, Tin-Tin, an die anderen drei abgeben möchte. Noch nicht. Es waren und sind alles meine Flaschenkinder, es tut immer weh, wenn auch immer anders.
Ich habe gelernt, gehen zu lassen. Ohne ein wenn und ein aber und ein willichnicht. Wer gehen will, der geht, der Weg ist vielleicht nur für uns zurück gebliebenen gefühlt ein ungerechter, ein schmerzhafter, und ein zu früh eingeschlagener.
Das letzte Geheimnis, das wissen wir am Ende dann doch erst dann, wenn wir es keinem anderen mehr stecken können.
Ich schalte mich zurück in den Alltag, ich hab auch nur den einen.
Ein Aschebehältnis mehr in der Wohnung, Dizzy und Janis haben nun Luna bei sich, Skat wäre möglich, wäre Skat bei Katzes ein Thema.
Luna ging unschön. Luna ging schmerzvoll. Luna ging wohl Dank einer falsch gesetzten Spritze (Diazepam) einer Vertretungsärztin am Samstag Mittag.
Sie hatte ein paar Tage eine Magen-Darm-Sache, bekam B-Vitamine und Infusion unter die Haut, damit die Nieren diesen Infekt unbeschadet überstehen. Sie bekam Blut abgenommen, eine Innenaufnahme via Röntgen und Ultraschall. Freitag Abend wussten wir um des Lünchens Gesundheit, die völlig in Ordnung war, bis auf das alte Herz welches seit einem Jahr Unterstützung bekam.
Samstag dann die Vertretungsärztin und ihre sportliche, schulmedizinische Auffassung, das Tiere ja nun mal fressen müssen. Und ihre Spritze, die mit unserer Tierärztin nicht abgesprochen war.
Zwei und eine halbe Stunde später starb Luna an einer Herzattacke, richtig bei sich war sie seit der Spritze mit dem Sedativum nicht mehr.
Man kann wütend sein.
Man kann die Ärztin am Telefon zur Schnecke machen.
Man kann mit seiner Tierärztin eine halbe Stunde telefonieren und die Sprachlosigkeit an allen Enden spüren.
Es tut allen leid, auch besagter Vertretungsärztin.
Ich bin mittlerweile in der Lage, nicht mehr voll mit Zorn zu sein. Ich denke, eine Seele geht, wenn sie will, und die Umstände die sie dazu nutzt können drastisch sein.
Das wäre eine Art der Sichtweise.
Betroffenheit geht mir dabei wirklich von links nach rechts, der Restzorn gegen mich selbst, den kann mir keiner nehmen, der muss sich von allein abbauen.
Luna ist jetzt woanders. Irgendwo.
Es ist nicht mehr und nicht weniger, und es tut natürlich weh, aber es ist in Ordnung.
Heute jährt sich des Leaderfellchens Todestag. Er machte heute vor einem Jahr den Anfang und nun sind von den ursprünglichen vier Fellchen drei woanders und noch einer bei uns. Irma und Hugo zahnen und ich genoss heute im nieseligen Morgen die Normalität eines Dienstags im Dezember.
Diese Trauer und der Abschied haben in diesem Jahr eine Art eigene Dynamik entwickelt, in deren Bugwasser ich gelernt habe, wie man mit persönlichen Verlusten umgeht. Wie ich mit persönlichen Verlusten umgehe. Umgehen sollte.
Ich hoffe, ich bin mit dem Thema für mich durch, weil ich nicht noch den letzten, Tin-Tin, an die anderen drei abgeben möchte. Noch nicht. Es waren und sind alles meine Flaschenkinder, es tut immer weh, wenn auch immer anders.
Ich habe gelernt, gehen zu lassen. Ohne ein wenn und ein aber und ein willichnicht. Wer gehen will, der geht, der Weg ist vielleicht nur für uns zurück gebliebenen gefühlt ein ungerechter, ein schmerzhafter, und ein zu früh eingeschlagener.
Das letzte Geheimnis, das wissen wir am Ende dann doch erst dann, wenn wir es keinem anderen mehr stecken können.
Ich schalte mich zurück in den Alltag, ich hab auch nur den einen.
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