Mittwoch, 17. Dezember 2008

lesezeichen.

(...)"Die Tierklinik, in der es einen kleinen, schmutzigen Wartebereich und zwei heruntergekommene Behandlungsräume gab, hatte wirklich schon bessere Zeiten gesehen. Die Tierärzte hatten oft gewechselt, aber die drei Frauen, die die Klinik betrieben, blieben dieselben. Diese Frauen kümmerten sich nicht um Lippenstiftfarben oder die Frage, ob Cremelidschatten oder Puderlidschatten die bessere Wahl war. Der Zustand ihrer Haare, die lang und grau und widerspenstig waren, war ihnen anscheinend völlig egal. Sie kleideten sich ohne Rücksicht auf die Mode in Jeans und Herrenhemden. Ich bewunderte sie zutiefst und fühlte mich ihnen ebenso tief unterlegen.
Die Frau, die an jenem Tag an der Anmeldung saß, war eine große, massige Person mit ungekämmtem, grauem Haar und einer rauhen Stimme. Sie trug ein altes blaues Flanellhemd und darunter etwas, das aussah wie ein zerrissenes Männerunterhemd. Ich hatte sie noch nie lächeln sehen. Ich setzte den Hund auf dem schmutzigen Fußboden ab und bat sie mit, wie mir schien, äußerst kläglicher Stimme um Rat zu dem Bau eines Hühnerstalls.
"Machen sie ihn nicht zu groß", brummte sie. "Und sichern sie ihn gegen Waschbären."
"Ach", sagte ich, "Sie hatten Probleme mit Waschbären?"
Ich wusste, dass Waschbären Hühner rissen, wußte, wie sie die Vögel fraßen und was sie zurückließen. Aber ich sah nicht so aus, als ob ich es wüsste.
"Sie kommen", sagte sie. "Und bleiben."
Ich merkte, worauf sie hinauswollte. "Sie ... erschießen sie", sagte ich -gelassen, sachlich, kaltblütig. Sie nickte.
"Mit einem 22er", sagte sie und sah mich aus dem Augenwinkel an.
Ich fand, ich hielt mich ganz gut dafür, dass ich ein neues, limonengrünes T-Shirt, eine schwarze 7/8-Hose und richtig teure Schuhe trug. Ich nickte Verständig wie eine Frau, die ein 22er in ihrem Schlafzimmer stehen hatte und wusste, wie man damit umgeht. Auf dem Heimweg fragte ich mich, wie genau ein 22er aussah, wo man so etwas bekam und ob ich jeh gut genug würde schießen können, um barfuß und im Schlafanzug um zwei Uhr nachts einen Waschbären zu treffen.
Ich stellte mir vor, wie ich einen wütenden Kojoten mit Tränengas besprühte, und fragte mich, inwieweit ich zur Geflügelfarm taugte."

*

"Hühner können fliegen. Bantams können mehr als zwei Meter hoch fliegen und die schwersten Rassen immerhin etwa einen Meter zwanzig hoch. Der bisher längste protokollierte Flug eines Huhns dauerte siebzehn Sekunden, was einem nicht sehr lang vorkommt, bis man wirklich die Sekunden zählt, einundzwanzig, zweiundzwanzig, und sich vorstellt, dass es ein Huhn ist das man da fliegen sieht, kein Eichelhäher und keine Krähe."

*

Zwei Auszüge aus dem Buch "Stilleben mit Huhn" von Catherine Goldhammer. (Meine Lieblingsrezension ist übrigens die zweite, F.Klöhn)
Klappentext:
"Das ist die Geschichte eines Kreuzzugs zur Rettung von sechs Küken, eines verfallenen Hauses und einer ramponierten Seele."

Ich habe es vor ein paar Monaten auf einem Grabbeltisch gefunden und kurz gezögert, weil es das Einzige für fünf Euro war, der Rest um die zwei. Jetzt freue ich mich, denn es ist genau das richtige, um kurzweilig abzutauchen, und es geht um zwei meiner Lieblingsthemen: Haus und Huhn.

(Achtung, das ist keine schwer verdauliche Literatur. Nur eine Geschichte mit Hühnern. Nicht das am Ende wer schimpft wie F.Klöhn.)

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