Dienstag, 13. März 2012

Am Ende der Leine – Wir lernen Hund / 4.

"Konntet ihr es durchsetzen, das kleine Zauberwort? Oder flogen die Schellen im Takt?" Die Trainerin hält sich zwar diesmal an einem paar Krücken fest, ist aber im Gesicht um so entspannter und grinst uns auffordernd an. "Fangt ihr doch mal an - wie gut akzeptiert Leo seine neuen Einschränkungen?"
Wir müssen uns noch nicht mal ansehen, um unisono "Gut." zu kontern. "Mehr als gut sogar." Eat this, hihi.
Unser Hund mag ein sturer Bock in Hundepelz sein, aber klug ist er dazu. Und ich komme nicht umhin, um mit einer kleinen Anekdote zu punkten, die wir beim üben unter der Woche hatten.
Das NEIN durchsetzen kann man ja in vielen Situationen. Man kann dem Hund zum Beispiel verbieten, bestimmte Laternen zu markieren. Man kann ihm verbieten, etwas zu fressen, was auf dem Boden liegt. Das habe ich oft geübt, auch wenn er das draußen eh nicht macht. Drinnen sieht das anders aus, also habe ich ihm immer etwas auf den Boden gelegt, NEIN! gesagt, und mich innerlich über sein verdutztes Gesicht amüsiert. Dann die Situation mit dem Auflösewort beendet, und er durfte ran ans Leckerchen. Die besagte Situation war, dass ich einen Hundekeks auf den Boden warf, und Leo das schneller im Schlund hatte als ich NEIN sagen konnte. War das Wort raus, guckte er verdattert und Pflopp, spuckte er den Keks wieder aus. Das Auflösungswort ging fast in meinem Lachen unter.
Soweit.
Die anderen ähnlich stolz; die französischen Wuchtbrummen sind jetzt angeblich wie Entenjunge, und laufen ihrer Besitzerin immer an den Fersen hinterher. Die anderen drei gesellen sich dazu, und so hat sie aktuell auf Schritt und Tritt fünf Bulldoggen als Schatten. Die ängstliche Emma hat einen Wandel durchlebt, und blafft die komplette Stunde die Rüden an mit durchgedrücktem Kamm auf dem Rücken. Wir sind Begeistert, Leo hingegen ruhig - er lässt offensichtlich heute für sich pöbeln. Emma hingegen bekommt jetzt auch die Schelle an die Füße geschmissen, die Zeiten der Taschentuchpackung für sensible ist vorbei.

Nächste Lektion auf der Matschwiese: Das grundsätzliche Nein.
Letzte Woche haben wir mit dem situativen begonnen, heute machen wir da weiter, was der Hund nie soll. Egal in welcher Situation, egal auf welchem Planeten, was soll er nicht?
Einfach. Pöbeln. Soll er nie.
Leo soll souverän an anderen Rüden vorbeigehen können, egal wie groß und/oder potent die sind. Er soll an denen vorbei gehen können, ohne auf der Stelle schäumend auszurasten. Sollte er das nie lernen, bekommt entweder er die chemische Kastrationskeule, oder wir stellen ihm zur Sicherheit eine durchtrainierte Rottweilerdame an die Seite.

Gleichzeitig, weil das zusammen gut studierbar ist, fangen wir mit der Leinenführigkeit an. Wir packen unsere durch die Bank weg ziehenden Felle an die kurze Leine, diese so um einen Meter und im Idealfall locker zwischen uns und Hund hängend.
Der Hund soll sich auf seinen Chef konzentrieren, und nicht sein eigenes Ding durchziehen und somit die ganze Zeit auf Spannung laufen. Ist sehr nützlich, zum Beispiel wenn man auf einem Bürgersteig läuft der schmal oder voll ist. Generell ist ein nicht ziehender Hund eine Quelle der Entspannung. Leo bekommt es ja hin, selbst mit der 15 Meter langen Schleppleine auf Spannung zu laufen, weil sein Wohlfühlradius so weit geht, dass es ihm reicht, wenn er seinen Chef als Punkt am Horizont zappeln sieht. Da er auf die Entfernung weder seinen Namen noch ein NEIN! hören kann, läuft er in den meisten Gegenden noch an der Leine.
Wir packen Leo also an die kurze Führleine und laufen los. Sobald er mit dem Kopf unser Bein überholt, Zack, Richtungswechsel. Hundebesitzer werden das kennen, entweder von ihrer eigenen Lernzeit oder vom Rütter im Samstagsabendprogramm. Der wird da ja auch nicht müde drin, den Leuten zu zeigen, wie man seinen Hund anständig führt, der Gute.
Die anderen machen das auch, und so bieten wir den weniges Spaziergängern vor Ort ein wirklich seltsames Bild an wirr Zick Zack laufenden Menschen mit entnervten Hunden an der Leine.
Die einzigen, die das super machen, die die Bulldoggen-Damen, aber die haben das ja unter der Woche schon aus ihren ganz eigenen Gründen geübt, an der Chefverse zu kleben.
Das ganze machen wir dann auch auf dem Hauptweg, wo alles vorbeikommt, was Sonntags aus der Stadt flüchtet. Jogger, Omas, Mountainbiker, Kinder die Kekse fallen lassen (NEIN), andere Hundebesitzer. Und da, mitten im schönsten Leinenführen kommt scharf von rechts ein Rüde aus dem Dickicht. Leo platzt unter einer Sekunde, und wir hören kaum die Trainerin, sehen aber die Schellen aus ihrer Richtung fliegen. Leo zeigt sich verdutzt aber unbeeindruckt, und will sich auf der Stelle weiter aufregen und den anderen Hund Kasalla geben. "Seitengriff - FLANKE" kommt es von der Trainerin, und da der Hund an des Mannes Handgelenk Funken sprüht, soll er sich durchsetzen und dem Hund den Alpha machen. Was würde ein anständiger Rudelführer in so einem unverschämten Moment machen (weil nur der Rudelführer hat das Recht, sich zu prügeln, der Rest hat zu warten)? Genau, einmal feste Rüpeln und Ruhe ist. Hunde sind da untereinander nicht zimperlich.
Kaum ist Leo wieder ruhig, ist die Stunde auch schon wieder um. Die Hausaufgaben werden lustig, wir trollen uns alle in unsere Autos und hauen uns den Schlamm von den Schuhen und den Hunden.

2012-03-11 14