Dienstag, 26. Mai 2009

#65

Ich, zwischen all diesen Mückenstichen.

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Letzte Nacht. Der Pinkelweg Bett-Bad ist im Haus jetzt gefühlt einen Kilometer weit. Man ist grad für eine Stunde weggeschlafen eingeschlafen, und dann sagt die Blase, sie müsse noch mal austreten. Also wie im Ätherrausch erst die richtige Bettausstiegseite erinnern, dann Körper auf den richtigen Weg bringen und auch die Treppe runter, die steile, einfach schlafwandlerisch-

(an dieser Stelle das Geräusch, welches mich in Funk und Fernsehen immer noch bekommt. Zum Szenenabbruch oder Wechsel das Geräusch einer Nadel, die über eine Schallplatte rutscht.)

Ich machs kurz, ich latschte auf Hugo, der sein doofes "ich klemm mich kurz unter die Stufe, und Du musst dann 'süß!' rufen und mich pflücken und abküssen"- Spiel offenbar auch Nachts und in totaler Dunkelheit durchzieht. Ich also drauf, Kater unter Fuß weg, ich verlier das Gleichgewicht und greife überall in wattige Schwärze und im letzten Moment dann doch das Geländer, Kater längst über alle Berge, Mann wach, ob dem Kater was passiert sei, ich böse auf alle, ziehe trotzdem Toilettengang durch, weil sollen schließlich nicht alle völlig umsonst fast gestorben sein, Mann sucht beleidigten Kater und zieht ihn unter Schrank hervor, ich deue Kater mütterlich fünf Arnica D6 in Frischkäse und dann in den schon weit aufgerissenen Fang, Mann betüddelt Kater, ich bemeckere beleidigt den Mann, da ich schließlich auch fast gehimmelt gewesen wäre, auf die Nacht vier Jahre nach Papa, aber daran denkt ja hier keiner, also kaut Kater Globulis, ich schmolle, alle wach, und nur, weil ich noch mal eben runter musste.

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Vier Jahre. Also gleich. Papalos wird nicht besser, die Themen und Fragen stauen sich dann ja doch ein wenig auf, und man fragt sich an so Tagen, wo man heute stehen würde, wäre der andere noch da. Das gilt nicht nur für Väter, sondern auch für alle anderen, die schon mal vor sind.

Man merkt, das der eigene Vater der erste und wohl auch der letzte Beschützer ist, den man je hatte. Und das ist in stürmischen Gewässern manchmal richtig doof.

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Ich brauche neue Schuhe.

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Gestern im Bus. Ich, 33° und gedrückte Stimmung, das alles an einer Ampel. Neben meinem Fenster kommt ein Sonnenschein-Bus zum stehen. Das sind die 'Behinderten-Transporte', und mich schaut eine Frau an, ganz lange, intensiv, als wenn ich ein Fernsehapparat wäre, eine Doku, ein Quiz. Dabei rinnen ihr lange, dicke Speichelfäden aus dem Mund, und ich muss an den Boxer-Rüden 'Mäxchen' denken, der vom Nachbarn damals. Als Kinder zählte Mäxchen, der alt, halb taub, fromm und steif um die Hüfte war, zu den Mutproben der ganz oberen Sorte. Man wartete, bis Mäxchen mal irgendwo stand, hielt ihm ein Stück Wurst unter die Nase und legte sich gleichzeitig auf den Boden, den Kopf so ausgerichtet, dass er unter Mäxchens Kopf lag. Und dann aber Stimmung, wenn der erste Speichelfaden gegen die Schwerkraft brasselte.
Daran musste ich denken, Danke fremde Frau, und dein Sitznachbar hat mich durch sein zappeln und bangen so frisch zum Lachen gebracht, und ich dann dich, und du dann ihn und so weiter, dass es zu schnell grün wurde.
Ihr saht alle glücklich aus, in eurer kleinen Sonnenscheinwelt. Und ich war die Behinderte, weil ich bei 33° Grad, auf dem Weg zu einem schönen Job und 'gesund' soweit, miese Laune vor mir herschob.

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Ich brauche kein weiteres Fernweh.
Mir fehlen meine Reisenotizen.