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Samstag, 12. April 2008
reisenotizen. /amrum
Zwischennotiz: Auf Deutschland kommen drei Tiefdruckgebiete zu. Lang- Kurz- Kurz. Wurden irgendwo hinter meinem Rücken frisch produziert. Wir sehen schon wieder Licht Land.
(hooray!)
(hooray!)
reisenotizen. /amrum
Tag 3
Amrum
Regen, 5-9°
Wie kann man einen Tag besser beginnen, als einen Leuchtturm zu ersteigen? 172 Stufen, die letzten davon steil wie eine Hühnerleiter, und schon bekommt man als Belohnung eine Aussicht wie aus einem Bilderbuch über Leuchttürme. Und ich dazu sehr wackelige Knie, zähle ich doch zur Gattung der Höhenweicheier. M. ließ seine Spucke fliegen, ich klammerte mich bei starkem Wind an die Brüstung und fotografierte einhändig alle vier Seiten der Insel ab, sagte noch ein paar Mal so was wie "(w)aaah" und "Oh!" und verschwand in der Tür zum Abstieg. Rückwärts natürlich, die Hühnerleiter von oben ließ meine Knie nämlich noch einen Tick Puddingesker werden.
Als Belohnung auf dem Rückweg beim Fischhändler vorbei und einen kleinen Sack Amrumer Krabben gekauft, auch mal gern "Friesen-Viagra" genannt. Danach gelernt: Man sollte nie puhlen, wenn der Magen schon knurrt, sonst geht es einem wie uns. Mit fertig gedecktem Tisch, Salat, geröstetem Brot und einer Kanne Tee puhlten wir Minute um Stunde, am Ende verkniffen schweigend im Akkord, Knack-fummel-Hintern raus- Kopf ab, fertig. Aber dafür waren das am Ende die leckersten Krabben seit meiner Kindheit.
(Achtung: an nächster Stelle folgt eine viel zu lang gewordene Schilderung meines ersten Sauna-Besuchs. Das macht die friesische Luft, ich werde langsamer, irgendwie. Gewiefte Saunagänger sowie Menschen mit wenig Zeit können diesen kleinen Ausflug überspringen und direkt unten bei der Seezunge weitermachen. Kurz darauf endet der Text schon recht abrupt.)
Nachmittags stand mein erstes Mal Sauna an. 'Das geht mit meinem Kreislauf nicht gut.' war in der Regel meine Antwort, wenn es um das Thema Saunen ging, dabei hörte es sich bei anderen immer so unglaublich gesund an. Ich sah vor meinem inneren Auge Menschen, die dampfend und jubelnd in Eislöcher sprangen, rote Backen oben wie unten, Begeisterung, Gesundheit und Tradition. Es war mir egal, dass es in Düsseldorf nur Badehäuser und keine Eislöcher gab, das hier war schließlich meine Phantasie, und da wurde sich auch noch mit sperrigen Weideästen danach gegenseitig gehauen und abgeschrubbt.
Mein Blutdruck ist seit den letzten zehn Jahren in denen ich rauchfrei lebe aber absolut lebhaft und fit, und in dem Kapitänshaus, in dem wir hier wohnen, gibt es im Keller eine sehr schöne Saunalandschaft inklusive Betreibern mit Verständnis, dass man sein 'erstes Mal' ganz gern unter sich ausprobieren würde. Vorab Hausaufgaben gemacht und den kompletten Sauna-Guide von (Name?) durchgelesen, damit nichts schief geht und ich am Ende mit den Füssen zuerst aus dem Ofen komme. Also zwei Stunden vorher das letzte schwere gegessen, dann abgeduscht und trocken gerubbelt, ein warmes Fußbad genommen und das seltsame Gefühl verdrängt, dass man nackich durch fremde Kellergewölbe läuft.
Dann Tür zur Saune auf, ich rein, und: direkt wieder raus.
70° können sich sehr heiß anfühlen, gerade wenn man versucht, in dieser Hitze das erste Mal Luft zu holen. 'Pack ich nicht!' brachte ich grad noch raus, bevor ich wieder draußen stand. Aber ich wär ja nicht Ur-Opa Maltes Ur-Enkeltochter, wenn ich das alles vorab dann umsonst gemacht hätte.
Zweiter Anlauf, Mund zu, Augen auf und ab in die Mitte. Die Eieruhr auf 15 Minuten gestellt, Beine und Füsse hoch gelegt und nur so viel wie nötig durch die Nase geatmet. Die ersten fünf Minuten fand ich anstrengend. Das Gesicht brannte (der Kopf war auf Höhe oberste Stufe, aber das habe ich erst später registriert), die Luft brannte in der Nase, und die Aufmerksamkeit galt erst einmal dem Kreislauf und wie er das alles findet. Danach wurde es besser. Ich konnte einfacher Atmen, Körper machte die Schleusen auf und die Sanduhr rieselte die Zeit runter. Ab Minute 13 die Beine runter von der Liegefläche, Kreislauf vorbereiten, ausharren und das Schwitzen genießen. Herrlicher Moment beim rausgehen. Lunge mit kühler Luft fluten, die Hitze wegatmen und dann unter den Schlauch mit kaltem Wasser. Füsse, Hände, Hals, und dann den roten Rest. Dazu einen leicht belustigten Gesichtsausdruck für den Mann aufsetzen, der sich noch unter der Warmdusche tummelt. Gut, ich hab hier das Nord-Gen inne, bzw. nicht musste seine Kindheit an der Ostsee in Damp2000 verbringen und wurde bei 15° Wassertemperatur zum Plantschen ins Meer geschickt.
Ab dann Routine. Warmes Fußbad, kalt abduschen, Fußbad, und dann 2. Saunagang, diesmal 10 Minuten. Was ich nicht wusste: M. hatte (wohl aus Rache wegen der kalten Dusche) die Temperatur noch mal 10 Grad hochgedreht, und so lag ich beim zweiten Gang ganz oben (für den Effekt, man soll ja schnell hoch auf die letzte Liegestufe) und brutzelte bei 80° meiner inneren Garzeit entgegen.
Danach selbes Prozedere, Hüpfen zwischen kalter Dusche und warmen Fußbad. Dann 3. Saunagang, 5 Minuten oberste Stufe. Genuss und auch ein wenig Stolz, dass ich mir nach dem ersten Hitzeschwall den kräftigen Ruck gegeben hatte.
In der Ruhezeit ein großer, geklauter Schluck aus M.'s Weizenbierglas und das erstaunten Feststellen, dass alles zusammen gute 2,5 Stunden in Anspruch genommen hatte.
Und: Man fühlt sich tatsächlich toll. Man fühlt sich, als wenn man an einem regnerischen Tag in ein Eisloch gesprungen wäre. Man fühlt sich frisch, geschrubbt, entschlackt und warm.
Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, das alles mit einer Handvoll Fremden zu zelebrieren. Diese Enge in der Sauna, dieses Grunzen und sich auf die Bäuche hauen unter dem kalten Wasserstrahl, dieses Schwitzen und Abrubbeln -
aber das Zweisame war Luxus, der weitere Rest wird sich zeigen.
Den Abend dann in der 'Seekiste' beendet. Das kann man auch gar nicht anders nennen, weil zuerst ging der Geist (was war in dem Riesling?), und ihm folgte der Körper. Die Seezunge wurde über den Daumen geschätzt in einem Pfund Butter gebraten und in einem nächsten serviert. Pro Person, versteht sich. Die Bratkartoffeln dazu fielen schon gar nicht mehr auf.
Ich weiß noch, dass unsere Räder trotz Dynamo kein Licht machten, und wir wie zwei lebensmüde Bleienten auf Rädern den Hügel zum Kapitänshaus hochfuhren.
Trotzdem überlebt.
Morgen soll den ganzen Tag eine Sonne scheinen. Da gehen wir hin.
Amrum
Regen, 5-9°
Wie kann man einen Tag besser beginnen, als einen Leuchtturm zu ersteigen? 172 Stufen, die letzten davon steil wie eine Hühnerleiter, und schon bekommt man als Belohnung eine Aussicht wie aus einem Bilderbuch über Leuchttürme. Und ich dazu sehr wackelige Knie, zähle ich doch zur Gattung der Höhenweicheier. M. ließ seine Spucke fliegen, ich klammerte mich bei starkem Wind an die Brüstung und fotografierte einhändig alle vier Seiten der Insel ab, sagte noch ein paar Mal so was wie "(w)aaah" und "Oh!" und verschwand in der Tür zum Abstieg. Rückwärts natürlich, die Hühnerleiter von oben ließ meine Knie nämlich noch einen Tick Puddingesker werden.
Als Belohnung auf dem Rückweg beim Fischhändler vorbei und einen kleinen Sack Amrumer Krabben gekauft, auch mal gern "Friesen-Viagra" genannt. Danach gelernt: Man sollte nie puhlen, wenn der Magen schon knurrt, sonst geht es einem wie uns. Mit fertig gedecktem Tisch, Salat, geröstetem Brot und einer Kanne Tee puhlten wir Minute um Stunde, am Ende verkniffen schweigend im Akkord, Knack-fummel-Hintern raus- Kopf ab, fertig. Aber dafür waren das am Ende die leckersten Krabben seit meiner Kindheit.
(Achtung: an nächster Stelle folgt eine viel zu lang gewordene Schilderung meines ersten Sauna-Besuchs. Das macht die friesische Luft, ich werde langsamer, irgendwie. Gewiefte Saunagänger sowie Menschen mit wenig Zeit können diesen kleinen Ausflug überspringen und direkt unten bei der Seezunge weitermachen. Kurz darauf endet der Text schon recht abrupt.)
Nachmittags stand mein erstes Mal Sauna an. 'Das geht mit meinem Kreislauf nicht gut.' war in der Regel meine Antwort, wenn es um das Thema Saunen ging, dabei hörte es sich bei anderen immer so unglaublich gesund an. Ich sah vor meinem inneren Auge Menschen, die dampfend und jubelnd in Eislöcher sprangen, rote Backen oben wie unten, Begeisterung, Gesundheit und Tradition. Es war mir egal, dass es in Düsseldorf nur Badehäuser und keine Eislöcher gab, das hier war schließlich meine Phantasie, und da wurde sich auch noch mit sperrigen Weideästen danach gegenseitig gehauen und abgeschrubbt.
Mein Blutdruck ist seit den letzten zehn Jahren in denen ich rauchfrei lebe aber absolut lebhaft und fit, und in dem Kapitänshaus, in dem wir hier wohnen, gibt es im Keller eine sehr schöne Saunalandschaft inklusive Betreibern mit Verständnis, dass man sein 'erstes Mal' ganz gern unter sich ausprobieren würde. Vorab Hausaufgaben gemacht und den kompletten Sauna-Guide von (Name?) durchgelesen, damit nichts schief geht und ich am Ende mit den Füssen zuerst aus dem Ofen komme. Also zwei Stunden vorher das letzte schwere gegessen, dann abgeduscht und trocken gerubbelt, ein warmes Fußbad genommen und das seltsame Gefühl verdrängt, dass man nackich durch fremde Kellergewölbe läuft.
Dann Tür zur Saune auf, ich rein, und: direkt wieder raus.
70° können sich sehr heiß anfühlen, gerade wenn man versucht, in dieser Hitze das erste Mal Luft zu holen. 'Pack ich nicht!' brachte ich grad noch raus, bevor ich wieder draußen stand. Aber ich wär ja nicht Ur-Opa Maltes Ur-Enkeltochter, wenn ich das alles vorab dann umsonst gemacht hätte.
Zweiter Anlauf, Mund zu, Augen auf und ab in die Mitte. Die Eieruhr auf 15 Minuten gestellt, Beine und Füsse hoch gelegt und nur so viel wie nötig durch die Nase geatmet. Die ersten fünf Minuten fand ich anstrengend. Das Gesicht brannte (der Kopf war auf Höhe oberste Stufe, aber das habe ich erst später registriert), die Luft brannte in der Nase, und die Aufmerksamkeit galt erst einmal dem Kreislauf und wie er das alles findet. Danach wurde es besser. Ich konnte einfacher Atmen, Körper machte die Schleusen auf und die Sanduhr rieselte die Zeit runter. Ab Minute 13 die Beine runter von der Liegefläche, Kreislauf vorbereiten, ausharren und das Schwitzen genießen. Herrlicher Moment beim rausgehen. Lunge mit kühler Luft fluten, die Hitze wegatmen und dann unter den Schlauch mit kaltem Wasser. Füsse, Hände, Hals, und dann den roten Rest. Dazu einen leicht belustigten Gesichtsausdruck für den Mann aufsetzen, der sich noch unter der Warmdusche tummelt. Gut, ich hab hier das Nord-Gen inne, bzw. nicht musste seine Kindheit an der Ostsee in Damp2000 verbringen und wurde bei 15° Wassertemperatur zum Plantschen ins Meer geschickt.
Ab dann Routine. Warmes Fußbad, kalt abduschen, Fußbad, und dann 2. Saunagang, diesmal 10 Minuten. Was ich nicht wusste: M. hatte (wohl aus Rache wegen der kalten Dusche) die Temperatur noch mal 10 Grad hochgedreht, und so lag ich beim zweiten Gang ganz oben (für den Effekt, man soll ja schnell hoch auf die letzte Liegestufe) und brutzelte bei 80° meiner inneren Garzeit entgegen.
Danach selbes Prozedere, Hüpfen zwischen kalter Dusche und warmen Fußbad. Dann 3. Saunagang, 5 Minuten oberste Stufe. Genuss und auch ein wenig Stolz, dass ich mir nach dem ersten Hitzeschwall den kräftigen Ruck gegeben hatte.
In der Ruhezeit ein großer, geklauter Schluck aus M.'s Weizenbierglas und das erstaunten Feststellen, dass alles zusammen gute 2,5 Stunden in Anspruch genommen hatte.
Und: Man fühlt sich tatsächlich toll. Man fühlt sich, als wenn man an einem regnerischen Tag in ein Eisloch gesprungen wäre. Man fühlt sich frisch, geschrubbt, entschlackt und warm.
Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, das alles mit einer Handvoll Fremden zu zelebrieren. Diese Enge in der Sauna, dieses Grunzen und sich auf die Bäuche hauen unter dem kalten Wasserstrahl, dieses Schwitzen und Abrubbeln -
aber das Zweisame war Luxus, der weitere Rest wird sich zeigen.
Den Abend dann in der 'Seekiste' beendet. Das kann man auch gar nicht anders nennen, weil zuerst ging der Geist (was war in dem Riesling?), und ihm folgte der Körper. Die Seezunge wurde über den Daumen geschätzt in einem Pfund Butter gebraten und in einem nächsten serviert. Pro Person, versteht sich. Die Bratkartoffeln dazu fielen schon gar nicht mehr auf.
Ich weiß noch, dass unsere Räder trotz Dynamo kein Licht machten, und wir wie zwei lebensmüde Bleienten auf Rädern den Hügel zum Kapitänshaus hochfuhren.
Trotzdem überlebt.
Morgen soll den ganzen Tag eine Sonne scheinen. Da gehen wir hin.
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