Sonntag, 3. Juni 2007

funkende orte und ein spassfreier wonnemonat, der am 31.sten verstarb.

Eigentlich ist Köln allein wegen seines Doms so groß.
Samstag dann auch alles groß, groß im kleinen ICE, groß an Automaten, groß beim Griechen, groß im sitzen und groß im belgischen Viertel beim einfach nur mal ganz akut Freizeit machen. Über den Dächern Gewitter mit rheinischer Frohnatur, das outen als Düsseldorferin macht selten mehr Spass als in Köln.

Die erste Messe Das erste Treffen der jungen Magazine im Hallmackenreuther. Gute Magazine, super Couch, dafür eine Stimmung wie auf jeder gängigen Briefmarkenbörse, nur noch ruhiger.
'Langweilig' kommt es von meiner Nachbarin aus der Tiefe der grünen Couch.
'Dem Intellekt fehlt Sex und Brause!' kommt es aus meiner Couchdelle, irgendwer verspricht Häppchen.

!Werbung!, achtung baby:

Kauft die Krachkultur, ich tu das auch.

Später dann.

Seit sehr langer Zeit das Wort Megadeth gehört. Junge Männer mit alten Metal-Shirts essen also neuen Salat mit Putenbruststreifen und wollen zwei Kölsch auf einmal, aber hintereinander. In neuen Räumen ist das erste Buch und der erste Film entscheidend. Genauere Hinweise finden sich in meiner schnell aufgefrischten Wishlist.

1:0 oder 0:1, between. Und Aurélie Maurin von La mer gelée hat einen zuckrigen Akzent und eine SMS verloren. Wenn wer eine findet oder Hinweise hat, ich leite es weiter.

Saša ist der Einzige, der nicht unter freiem Gewitterhimmel, sondern unten lesen muss. 'Unten' bedeutet ein Raum mit leuchtenden Wänden in rot und lila, und die alle im Quadrat. Ich klopfe mir für meine fehlende Epilepsie jovial auf die Schulter, setze mich fest und treffe Balint.

Balint (7), der mir erst so lange und geduldig seinen Namen buchstabiert, bis er zufrieden aus seinem Stuhl schaut, und auch genau der Balint, der eine Großmutter und eine Wurzel in Ungarn hat, Kröten geiler als Schnecken findet und den dritten Teil der wilden Kerle noch offen hat. Ich lüge aus Einschleimzwecken, und lüge offenen Herzens in diesen kleinen Mann hinein, ich hätte die ersten zwei Teile auch schon gesehen. Göttin sei Dank bleiben spezielle Szenenfragen aus und ich kann mich seinem ausgeprägten Schluckauf widmen.
'Balint', sage ich zu Balint, 'so geht das jetzt nicht. Gleich wird hier gelesen, da kann nicht so herrlich gehickst werden, ich kaufe dir deinen Schluckauf jetzt mal teuer ab.'
Ein tiefer Blick ins Portemonnaie, dabei im Augenwinkel Balint beobachten, damit er auch ja meinen wichtigen Blick aufs Geld nicht verpasst und meine Stirnfalte beim Auswählen des Geldstücks ganz sicher bemerkt. Ich ziehe nach ein paar stummen Sekunden ein 10-Cent-Stück hervor, sage 'DAS ist genau die richtige Münze für diese Form von Hicksern.' drücke sie Balint in die kleine, hicksende Hand und sage, dass dieser Schluckauf jetzt meiner ist, da solle er sich mal nichts einbilden, gekooft ist gekooft.
Balint ist ab da verblüfft, auch, weil ich ohne Hicken seinen Schluckauf haben kann. Ich sage seinem Vater, der Minuten später das Saallicht blockiert, ich habe für nur zehn Eurocent die Leise einer Lesung gerettet, und er lächelt.
Eine Münze und schon zwei Männer glücklich gemacht, das muss ich mir wirklich dringend merken.

Saša liest. Genau in der Mitte, also nach Text eins und kurz vor Text drei habe ich einen kiloschweren Kloss im Hals und einen Stau in beiden Augen, wie manchmal, wenn in Texten plötzlich Personen fehlen oder leidenschaftlich über Flüsse gesprochen wird.

Auf dem Nachhauseweg, dann. Im Regionalexpress lagen vier Frauenbeine auf einem blauen Sitz, Köln macht halt müde, und der Dom hat Nachts leider sehr zu.
Der Himmel hat offensichtlich Feierabend, läßt in Düsseldorf keine Bahnen mehr fahren, die letzte kam um sechs nach Mitternacht, da war ich aber grad frischweg vom verschlossenen Dom. Mein neues Viertel erlaubt mir den urbanen Fussmarsch, und so komme ich plötzlich und sehr unvermittelt in die Lage, vor genau dem Haus zu stehen, in dem ich Aufwuchs. Das wurde mir etwa knappe vier Häuser später bewusst, ich drehte um und drückte mich in einem Hauseingang herum, der sich nicht vollends vertraut anfühlen wollte, aber doch war da etwas. Ich las die Namen auf allen Schildern, und tatsächlich kam mir einer sehr bekannt vor, und der ging so:
Zens, K. u. M.
Ich wuchs also quasi direkt um die Ecke von Jetzt hoch, bis ich kurz vor sechs war und meine Eltern fanden, dass dieses Viertel nun nix mehr sei für ein hochwachsendes Mädchen mit schlimm blauen Kulleraugen und blonden Locken.
Da stand also sehr ausgewachsen und nach halb eins plötzlich in diesem runtergekommenen Hauseingang, und dazu diese ganzen Filme im Kopf. Drüben die Kneipe wo es immer die sehr dunklen, knusprigen Kotelettes gab. Der frühere Eingang nun zugemauert ist und triste Topfpflanzen sterben öffentlich vor dichten Gradinen einen langsamen Tod. In dem letzten Fenster lernte ich mir die Schnürsenkel zu binden und die Zwillinge kennen, in die ich mich kindlich so was ähnliches wie verliebte, natürlich direkt in beide, weil ich sie nicht auseinanderhalten konnte. Namen bis heute vergessen, aber Zens, K.u.M. sagt mir immer noch was, nur nichts genaues.
In dem gleichen Moment, wo ich mich fragen muss, ob ich nicht nur dort geboren, sondern auch geplant und erliebt wurde, kam ein Zug vorbei, drückte mächtig auf die Hupe und löste mich somit aus meiner Zeugungsstarre. Morgen direkt Mutter anrufen und gezielt nachhaken, man will ja nicht unterinformiert sterben.

Die restlichen paar hundert Meter versuche ich mich heimisch zu fühlen, was weder einfach passieren will noch gelingen möchte. Hier aufgewachsen, dann mal eben drei Jahrzehnte woanders getingelt und jetzt frisch zurück, da kann man doch Nostalgie und ein wohliges Heimatgefühl erwarten, tief aus der Seele sozusagen, aber dann eben doch nicht mit mir.

Ich bin nicht kompliziert, ich habe Facetten, und die wollen belüftet werden.

Ich stakste tiefmüde in mein neues Treppenhaus, fand alle Türen fremd, den Geruch doof und meine Fussmatte penetrant fröhlich. Tür auf, Affe tot, im hinteren Trakt brannte noch Licht und alle vier Fellchen schliefen einen sehr tiefen Katzenschlaf.

Ich soll was über Saša schreiben, höre ich eben, ich lasse ihn für sich selber sprechen, höre ich mich murmeln, und schütte mein Handy aus, weil da ist



drin.

(Anm. Jonathan: o.g. Text ist nicht Fehlergeprüft, die Autorin hat eigentlich keine Zeit und ist jetzt schon wieder auf allen Vieren im vorderen Trakt, Fellchen zählen, um dann im Aussenbereich den Garten anzulegen.

Gruß,

euer Jonni.)