Donnerstag, 2. November 2006

Lu lernt Französisch, Lektion 7.

Als Marie den Raum betrat, hatte sie einen leichten linksdrall.
O-oooo-oooh, alore, isch bin unter starke Medikament, isch attöh gestern eine kleine -wie sagt man- Notabszess, eine dentale Problähm, und nun musste isch nehmen diese Tablett, und die macht ganz tütdeltü.

Schweigend waren wir alle im Bilde während Marie sich fast neben den Stuhl setzte. Heute also alles langsam, wir atmeten entspannt aus.
Aber ausser dass Marie die Fundamente der deutschen Sprache ein wenig zur Seite gedrängt und Wörter einfach mal so durch andere ersetzt hat ("angedachte" Jalousien, "bebrühtes" Arbeiten etc., gemeint war angebracht und bemüht), hatte sie ihre Muttersprache voll drauf und trieb uns neunzig Minuten durch Übungsteil Trois, und zwar wittwitt.

Ich muss ja leider bemerken, dass sich die Teilnehmerzahl unseres Kurses drastisch reduziert hat, meine Treppenmitbesteigerin Helga scheint zum zweiten Mal das französische Handtuch geworfen zu haben, Froillein "Ey, isch weiß nisch, wo wir sind, ey!" glänzt mit Abwesenheit, und der Aufreisser mit dem Jutebeutel hat sich wohl einer neuen Disziplin verschrieben. So sind wir jetzt quasi unter uns, voila, der harte Kern, wir halten durch und zusammen und das bis Dezember, egal wie.
Olga, Tis-Ta-Ro, Herr Blume, der Italiener im Exil und ich.
Überhaupt, der Italiener im Exil, das ist ist doch endlich mal ein Gegner auf Augenhöhe und in Sitznähe. Germanistikstudent mit Schwabendialekt, Grammatikfest und Dozentenblut. Egal was ist, er weiß es, und zischt es mir dann sofort über den leeren Stuhl zwischen uns zu. Ob es sich um Marie Antoinette handelt ("de kummt näschte Woch in die Kinos"), um die böse Zahl 13 ("bei uns in Italien, is desch oi Glückszahl, aber he hat des wohl was mit de Tempelridda zu tun, da isch der 13.te geköpft worden, un..."
Marie guckt schon immer ganz angestrengt auf die Heizungsrohre, ob da was undicht ist, dabei ("dobbai") ists nur mein Sitznachbar, der übersprudelt.

Die nervigste Übung war übrigens mit der Überschrift "Le chats et le chocolat" beschriftet und zeigte zwei Photos. Ein Mann und eine Frau, Jean et Claudine. Wild drumherum gezeichnet Dinge die sie mögen (in rot) und Dinge, die beide doof finden (in blau). Ich musste Jean vorlesen und begann mit einem frustriert-erschrockenem Schweigen, weil Jean mal echt ein schlimmer Schleimer war, und auf dem Bild vor einem Wald lief mit einem Apfel in der Hand und einer über die Schulter gehangenen, hellbraunen Wildlederjacke.
Ganz lässig, der Jean.
Und dann seine Vorlieben wie Abneigungen.
Jean mag:

La vitesse
Les hotels
L'aventure
Les voyages
La mousse au chocolat
L' élégance
UND natürlich
Le risque et les femmes.
All dass ("Il aime l'élégance") brachte ich unter maulen und mosern hervor, und auch Olga verstand und verzog sehr russisch (franz: russe, gesprochen: rüss) die Mundwinkel Richtung Wangenknochen. Aber es kam noch schlimmer.
Jean mag nicht:

Les problèmes
Les tomates
Les chats!

Kein Halten mehr für mein Hirn und den Exil-Italiener. Laut gackernd spannen wir innerhalb dreißig Sekunden ein Vollprofil eines Vollidioten, ich übernahm den Posten mit den Katzen und den Tomaten, und er biss sich an der Tatsache fest, dass Jean Frauen mag, aber keine Probleme, und das GING ja gar nicht, wie er meinte. Irgendwo da setzten Maries Medikamentendrogen ein, und sie bekam einen halbwegs kontrollierten Lachanfall, wollte irgendwas zu französischen wie sehr komplizierten Frauen bemerken, brachte aber wieder alle Wörter durcheinander und heraus kam nur ein atemloses
"Wir sind allöh unglaublich hamplifiziert, abör das mögen die Männer, a_oui?"

Dann war die Stunde zu Ende.

Heute gelernt: Jean ist doof.