Donnerstag, 1. Juni 2006

dinge, die mich an manchen tagen umhauen, und am nächsten wieder aufrichten.

Es gibt wieder Lektionen in Karma, heute von vorgestern.

Wir waren am Fluss, M. und ich, und schon beim Anfahren Richtung Parkmöglichkeit am Deich lief vor uns ein Hund quer über die Strasse, so ein kleiner mit Puschelfrisur und netten Augen. Er wollte mit einem angeleinten anderen Kleinen anbändeln, an dessen Leinenende zwei hysterische Pubertierende hingen, die mit der Situation (ein fremder süßer Hund ohne Mensch und Leine ... Iiiiih) so gar nicht klar kamen.
Ich war schnell aus dem Auto und am Hund, den wir dort schon einmal hatten streunen sehen und wollte nur eben an seine niedlich puschelige Gurgel um den Besitzermenschen und dessen Telefonnummer an der Marke abzulesen und diesem sofortement via Mobiltelefon einen verbalen Einlauf (nicht strassenfeste Hunde NIE ohne Mensch einfach so Gassi schicken) oder -bei Nettsein und weinerlicher Stimme weil Fiffi weg ist- Koordinaten des Hundes zu verpassen. Hatte Fiffi aber keinen Bock drauf, roch an meinem Schuh und rannte fröhlich aber sehr schnell über die Auen, weit weg von mir. Auch gut.

Nach zehn Minuten hatte M. mich soweit zu glauben, dass Fiffi auch ohne mein Eingreifen ein super Leben hat und ich legte meinen Groll und meine Übermutter zusammen in die hintere Schachtel.
(hrmpf)

Aber die Wächter der Karmapunkte wären ja fehlbesetzt, würden sie diese Lektion einfach so wegsickern lassen.
Kaum sassen wir wieder im Auto und fuhren bei uns im Viertel ein, bemerkte ich rechts auf Höhe der Waschstrasse einen langsam fahrenden Polo der Schritttempo hielt, Schritttempo mit einem Vierbeiner der NOCH süssere Augen hatte als der Hund von vorhin und vor allem richtig einsam, arm und verängstigt wirkte. Über uns braute sich das nächste Unwetter
zusammen, und ich sagte O-Oh. Wir fuhren vorbei und ich dachte, da kümmert sich ja wer, ich bin ja nicht die einzige auf diesem Planeten, die schon halb Walt Disney bei sich zur Untermiete hatte, Regenwürmer wie gekochte Eier in rosa Schlünde stopfte, mit Löffeln wie mit Pipetten, je nach Schlundgröße und Tiefe. Ich bin ja nicht die einzige, die Tiere durch Industriegebieten folgt, und sämtliche Tierrettungsnummern auf dem Mobilen gespeichert hat, sich von prügelnden Hundebesitzern direkt noch eine mit überbraten läßt beim Eingreifen und überhaupt... ich bin ja nicht die einzige.
Als wir ein paar Minuten später zu Hause in den Hof fuhren, da wackelte das Gerüst langsam. Was, wenn die Person in dem Auto dann doch die Lust/Zeit verlassen hat, und dieses kurzbeinige Etwas mit Rehaugen allein durchs Viertel rennt, direkt auf die 4spurige Rennstrecke der 3erBMW-Murats zu? Meine Zuversicht sank mit der nächsten Sintflut, die von oben kam. Während das Badewasser einlief redete ich mir alles gut. Hunde, die laufen nach Hause, die sind schlau, die wissen, wo Körbchen und Dosenöffner wohnen. Und der weiß das auch. Version eins.
Hunde, und speziell jetzt der von eben, da kümmern sich Leute drum, der war süss, der steht auf keiner Liste. Und der Mensch in dem Polo, der hat sich längst gekümmert, und Hund wie Besitzer werden gerade in diesem Moment wieder zusammen geführt, alle weinen.
Das war Version zwei.

Ich lag im heißen Badewasser, als es donnerte und mich plötzlich wie ein Blitzschlag die Frage ereilte, ob ich jetzt neuerdings an das Gute im Menschen glaube? Wer sagt mir denn, dass der Mensch im Polo ein guter Mensch ist, und nicht einer, der da Freiwild zum einsperren und quälen abgreift? Ich gucke Nachrichten und Boulevardmagazine, manchmal, da machen Menschen so was. Vielleicht sieht da auch einer sein Abendessen laufen, man sitzt ja nicht drin.

Acht Sekunden später renne ich frierend und mit Schaum überhäuft neben M. um den Mac und salbadere ihn mit meinen neuesten Theorien voll.
Er: "Wird schon. Der ist da bestimmt nur aus dem Kleingartenverein getürmt und wollte ein bißchen Gassi gehen."
Weitere drei Sekunden später lag ich wieder im heißen Wasser und wir hatten eine Unterform von Streit.
Ich beruhigte mich mit Hunde-finden-den-Weg-Mantras und TV, die Nacht war etwas unruhig, aber gestern dann ging es, man hat ja noch andere Sachen zu tun ausser sich um den Weltfrieden zu kümmern.

Es ging sogar sehr gut, bis ich mich aufs Rad setzte und zum GYM fuhr, gegen halb fünf. Ich fuhr grad noch ein wenig schneller, weil der Sturm mir fast die Sporthose vom Leib riss, als ich in die riesigen Rehaugen des Hundes vom Vorabend guckte ... und zwar zig-fach.
Der hieß nämlich Buddy, war laut der gefühlten 2000 Zettel die allüberall hingen am Vorabend dem Besitzer abhanden gekommen und man solle sich BITTE melden, wenn man Buddy gesehen oder gefunden hat, die Mobilnummer stand in rot drunter.
Nur das Propellerweib weiß, wie meine folgende Stunde Kurs aussah. Während ich tief gegrätscht meine Gesäßmuskeln zimmerte, gingen mir 1001 Todesarten für niedliche Hunde bei schlechten Wetterbedingungen durch den Kopf, beim Bi-wie Trizeps sämtliche Dinge, die ich vielleicht noch hätte verhindern können und beim Bauch angekommen lag meine Moral in der selben Pfütze wie ich.
Ich hatte versagt, und der Hund ist tot, bestimmt.

Ich zog mich nicht um, sondern sprang schweißtreifend und rotwangig aufs Rad, das Mobile schon im Anschlag, und fuhr auf schnellstem Wege zu den Zetteln. Falls ich noch irgendwas beisteuern konnte zu dieser Geschichte, ich wollte es tun und zwar SOFORT.
Der Besitzer meldete sich nach dem zweiten Klingeln. Ich nannte meinen vollen Namen und sagte, ich würde mich auf seine Zettel melden, ich hätte seinen Hund gesehen, gestern Abend ( und ich habe nicht geholfen, ich habe VERSAGT, er ist nur wegen mir TOT, sie können es ruhig sagen, gleich, wenn ich fertig geredet habe ), und ... da fiel mir auf, dass er nicht losweinte oder ähnlich verzweifeltes Verhalten an den Tag legte, und ich dann so: "Sie haben ihn zurück, oder ? Haben Sie?"
Er hatte. Er hätte ihn gerade in diesem Moment neben sich, eben abgeholt, ja, aus dem Viertel, wo ich ihn auch gesehen hätte. Gott sei Dank.
Darauf folgte eine ungebremste Freudestirade meinerseits, wo er dann durch musste, ich erzählte von all meinen Zweifeln und wie schön ich das fände, das der kleine Buddy nicht gegessen wurde. Hach.
Er bedankte sich nochmals für meinen Anruf, ich wünschte ein schönes Leben, und fuhr nach Hause, mit sämtlichen Göttern und Schicksalen versöhnt, fürs erste.