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Freitag, 5. November 2004
nutten, tränen und katholiken
und kaum hatte ich einen lidschlag getan, da sass ich schon in dem bus, der mich normalerweise immer in zusammenarbeit mit dem schlagloch vor unserem schlafzimmerfenster aus den schmutzigen träumen süßen armen morpheus rüttelt, und starrte in den diesigen novemerbermorgen düsseldorfs.
es war ein paar minuten vor 7:00 uhr und scheiße kalt.
im zug dann, genau dem ICE, der einem dank 307 km/h auf seinen eigens dafür gebastelten strecken die schlaf-falten ausbügelt, gab es nur zwei dinge:
wo bleibt der kaffeeschubser mit seinem aufgebrühten, und wo mein persönliches zug-highlight seit kindertagen :
an dem haus mit den nutten vorbeifahren.
und sie waren da, allesamt. im hintergrund rotlicht, oben in der fensterecke die zimmernummer, und mitten drin die schatten der recht gut beleibten ladys. es könnten die gleichen sein wie früher, wenn meine mutter mich auf zugfahrten immer quer über den gang gerissen hat, weil sie sich nie die seite merken konnte, auf der das haus kommt, links oder rechts. wir starrten dann meist angespannt aus den fenstern, die eine links, die andere rechts, und meist stand muttern auf der richtigen seite, und wenn der zug das haus passierte, hielten wir die luft an, kicherten albern und starrten auf … nutten in fenstern.
zimmerschwalben mit gigantischen oberschenkeln in strapsen, und titten so riesig, dass sie den hinterhof in schatten getaucht hätten, wärs im sonnenschein gewesen.
und so sass ich dienstag allein im zug, und als ich an dem haus vorbeikam hibbelte ich fröhlich auf dem sitz herum, dachte an meine mutter und wunderte mich, dass um diese uhrzeit schon so viele rote lampen leuchteten, und es waren dann eher „noch“ so viele, aber bis ich das verinnerlicht hatte, war ich schon in frankfurt, der zug ist wirklich schnell.
schwabenland. idylle. kehrwoche. ich mittendrin, das letzte mal, diesen satz immer im kopf.
essen mit dem einen chef, essen mit dem anderen. ich trinke mittags in schönster schwäbischer nebelsuppe einen riesigen kelch rotwein zur pasta, der mit dem hut auf nimmt ein spezi, und ich finds kurz ein bißchen peinlich, denke dann aber, was solls, und er meinte, ich könnt’s wohl vertragen, auch figurlich, und da bin ich schon angerissen und kicher ihn an und denke an pesto zwischen den zähnen und dann sind wir schon bei firmen-themen, da ist pesto und frohsinn in weiter ferne. ich trinke trotzdem weiter, im glas ist locker ein viertel verschwunden. ich frage ihn nach dem schlimmsten schwäbischen wort welches er kennt, und er sagt so was wie „schmotzerl“ was wohl lolli heißt, und ich bitte ihn noch beim letzten schluck, wohlsein auch, mir doch den satz mit dem schmotzerl per mail zu schicken, weil der wäre mal wirklich gut, aber er hat’s vergessen, er ist schusselig geworden, das alter und die sorgen, die firma, er hat sie schließlich mal gegründet, und ach, ich sei immer ein sonnenschein, ich hätte immer gute laune mitgebracht. wir stossen an, wein an spezi, die zeiten sind komisch, das merkt auch der kellner.
schwabenland, idylle, abendnebel an gestärkter bettwäsche.
hotelzimmer mag ich, weil man versetzt ihnen durch verteilen seiner sieben sachen eine persönliche note, man markiert sein revier, und das tu ich gern. ausserdem machen sie mich köstlich melancholisch, weil ich mich immer so allein fühle, in hotelzimmern, und man kann im fernsehen alles gucken, ohne in erklärungsnot zu geraten, wenn man allein ist, vorausgesetzt.
so hab ich dann abends wie ein gemästeter käfer in gestärkter daunenbettwäsche gelegen, kichernd gerölpst, weil mutterseelenallein, und habe alle üblen sendungen geguckt, welche die sat-schüssel aus den schwäbischen hügeln ziehen konnte. frauentausch und dschungelcamp galore, und lu randvoll mit wein gegen die bettwäsche am kämpfen, idylle meines grundsoliden schwäbischen hotelzimmers, ein letztes mal.
morgens wecken einen dort die katholen, dieses emsige volk.
schwäbische katholen brauchen keine wecker, der rest auch nicht, solange der pastor seinen gestellt hat. der schwäbische katholik an sich wird nämlich von den kirchenglocken geweckt, und um punkt 6 uhr morgens legen alle dorfkirchen gleichzeitig und so was von los, dass die alm wackelt.
da lag ich dann im bett, getaufte protestantin, müde und warm, ohne tatendrang, draussen noch alles nachtdunkel. der frühe schwoab bauts häusle, schrie ich gegen den lärm an, aber gehört hat mich wohl keiner, schmotzerrrrl elende rief ich noch hinterher, und muggesäggele seid ihr alle , und nach fünf minuten war dann auch wieder ruhe, und im ganzen kaff das licht an.
nur bei einer nicht, aber ich bin ja auch von ausserhalb.
schwabenland, arbeitsalltag, ein letztes mal. ich habe alles abgearbeitet, sämtliche leichen aus den kellern gezerrt, bei tageslicht angestaunt und abgerechnet, basta. ein letztes mal, immer wieder der gedanke. mir wird vieles klar, in diesen stunden, mir wird viel erzählt, „ich hau auch in den sack, gleich wenn du später beim chef raus bist, dann geh ich auch rein, ich mag hier nicht mehr“, und ähnliches. mir kann mans ja sagen, ich bin ja aus der stadt, ich versteh ja mehr als die andern, aber das hör ich von den anderen auch.
viele verstehen meine gute laune nicht, ich strahle alles in grund und boden, ich stecke an, und plötzlich ist es nur noch eine stunde, und ich bin mit allem fertig, die verhandlungen stehen still, und ich schaue auf meine reisetasche, die unter dem schreibtisch steht. neben ihr liegt meine schweinehündin und bekommt dicke augen, und ich denke au weia und mir fällt plötzlich ein, dass ich mich von ganz vielen menschen verabschieden muss in der nächsten stunde, und ich bin nicht gut im verabschieden, und ich denk noch darüber nach, dass es mal wieder ungerecht ist, weil die müssen nur einer person tschüß sagen, und ich so vielen, da kommt mein admin aus dem keller und schiebt mir eine gebrannte CD über den tisch, wo meine persönlichen bilder drauf sind, die er mir eben noch gerettet hat, bevor mein rechner gelöscht wird, ich hatte ja keine zeit zum aufräumen, und in dem moment heult die schweinehündin laut auf und bekommt einen eldenden gesichtsausdruck.
„da müssen wir jetzt durch“ ranze ich sie an, und mache mich auf den weg zum tschüß sagen, und es dauert drei leute, und beim vierten sind alle schleusen auf, und ab da wird nur noch geflennt. in der nächsten halben stunde stehe ich drei mal in irgendwelchen ecken des treppenhauses und wedel mir mit den händen luft in die augen, und ich werde von den alten haudegen gedrückt, und sie sagen sachen wie „ach mädchen, ach mädchen, du wirst uns fehlen“ und es ist, als wenn alte gestandene hafenarbeiter heulen, weil das wär das selbe, und das rührt mich noch mehr, und ich vergrabe meine nase in fleece-pullis und werde auf den rücken geklopft, während ich sie schniefen höre und dann bin ich raus, und alles ist vorbei und ich drehe mich noch mal zu den hügeln um, denke zum 100. mal „ein letztes mal“, und dann sitze ich im zug und flenne bis stuttgart, und im ICE dann habe ich zeit zum nachdenken, zum runter kommen, und als der zug ein paar stunden später in düsseldorf einfährt ist es nach halb neun am abend, stockenduster, und die nutten stehen im rotlicht und hinterlassen gigantische silhouetten, und ich muss lächeln, weil ich mich ab diesem moment immer wieder zu hause fühle, angekommen, und diesmal frei, und ich strahle die 30er fensterreihe an, auch wenn das eh keine sieht.
es war ein paar minuten vor 7:00 uhr und scheiße kalt.
im zug dann, genau dem ICE, der einem dank 307 km/h auf seinen eigens dafür gebastelten strecken die schlaf-falten ausbügelt, gab es nur zwei dinge:
wo bleibt der kaffeeschubser mit seinem aufgebrühten, und wo mein persönliches zug-highlight seit kindertagen :
an dem haus mit den nutten vorbeifahren.
und sie waren da, allesamt. im hintergrund rotlicht, oben in der fensterecke die zimmernummer, und mitten drin die schatten der recht gut beleibten ladys. es könnten die gleichen sein wie früher, wenn meine mutter mich auf zugfahrten immer quer über den gang gerissen hat, weil sie sich nie die seite merken konnte, auf der das haus kommt, links oder rechts. wir starrten dann meist angespannt aus den fenstern, die eine links, die andere rechts, und meist stand muttern auf der richtigen seite, und wenn der zug das haus passierte, hielten wir die luft an, kicherten albern und starrten auf … nutten in fenstern.
zimmerschwalben mit gigantischen oberschenkeln in strapsen, und titten so riesig, dass sie den hinterhof in schatten getaucht hätten, wärs im sonnenschein gewesen.
und so sass ich dienstag allein im zug, und als ich an dem haus vorbeikam hibbelte ich fröhlich auf dem sitz herum, dachte an meine mutter und wunderte mich, dass um diese uhrzeit schon so viele rote lampen leuchteten, und es waren dann eher „noch“ so viele, aber bis ich das verinnerlicht hatte, war ich schon in frankfurt, der zug ist wirklich schnell.
schwabenland. idylle. kehrwoche. ich mittendrin, das letzte mal, diesen satz immer im kopf.
essen mit dem einen chef, essen mit dem anderen. ich trinke mittags in schönster schwäbischer nebelsuppe einen riesigen kelch rotwein zur pasta, der mit dem hut auf nimmt ein spezi, und ich finds kurz ein bißchen peinlich, denke dann aber, was solls, und er meinte, ich könnt’s wohl vertragen, auch figurlich, und da bin ich schon angerissen und kicher ihn an und denke an pesto zwischen den zähnen und dann sind wir schon bei firmen-themen, da ist pesto und frohsinn in weiter ferne. ich trinke trotzdem weiter, im glas ist locker ein viertel verschwunden. ich frage ihn nach dem schlimmsten schwäbischen wort welches er kennt, und er sagt so was wie „schmotzerl“ was wohl lolli heißt, und ich bitte ihn noch beim letzten schluck, wohlsein auch, mir doch den satz mit dem schmotzerl per mail zu schicken, weil der wäre mal wirklich gut, aber er hat’s vergessen, er ist schusselig geworden, das alter und die sorgen, die firma, er hat sie schließlich mal gegründet, und ach, ich sei immer ein sonnenschein, ich hätte immer gute laune mitgebracht. wir stossen an, wein an spezi, die zeiten sind komisch, das merkt auch der kellner.
schwabenland, idylle, abendnebel an gestärkter bettwäsche.
hotelzimmer mag ich, weil man versetzt ihnen durch verteilen seiner sieben sachen eine persönliche note, man markiert sein revier, und das tu ich gern. ausserdem machen sie mich köstlich melancholisch, weil ich mich immer so allein fühle, in hotelzimmern, und man kann im fernsehen alles gucken, ohne in erklärungsnot zu geraten, wenn man allein ist, vorausgesetzt.
so hab ich dann abends wie ein gemästeter käfer in gestärkter daunenbettwäsche gelegen, kichernd gerölpst, weil mutterseelenallein, und habe alle üblen sendungen geguckt, welche die sat-schüssel aus den schwäbischen hügeln ziehen konnte. frauentausch und dschungelcamp galore, und lu randvoll mit wein gegen die bettwäsche am kämpfen, idylle meines grundsoliden schwäbischen hotelzimmers, ein letztes mal.
morgens wecken einen dort die katholen, dieses emsige volk.
schwäbische katholen brauchen keine wecker, der rest auch nicht, solange der pastor seinen gestellt hat. der schwäbische katholik an sich wird nämlich von den kirchenglocken geweckt, und um punkt 6 uhr morgens legen alle dorfkirchen gleichzeitig und so was von los, dass die alm wackelt.
da lag ich dann im bett, getaufte protestantin, müde und warm, ohne tatendrang, draussen noch alles nachtdunkel. der frühe schwoab bauts häusle, schrie ich gegen den lärm an, aber gehört hat mich wohl keiner, schmotzerrrrl elende rief ich noch hinterher, und muggesäggele seid ihr alle , und nach fünf minuten war dann auch wieder ruhe, und im ganzen kaff das licht an.
nur bei einer nicht, aber ich bin ja auch von ausserhalb.
schwabenland, arbeitsalltag, ein letztes mal. ich habe alles abgearbeitet, sämtliche leichen aus den kellern gezerrt, bei tageslicht angestaunt und abgerechnet, basta. ein letztes mal, immer wieder der gedanke. mir wird vieles klar, in diesen stunden, mir wird viel erzählt, „ich hau auch in den sack, gleich wenn du später beim chef raus bist, dann geh ich auch rein, ich mag hier nicht mehr“, und ähnliches. mir kann mans ja sagen, ich bin ja aus der stadt, ich versteh ja mehr als die andern, aber das hör ich von den anderen auch.
viele verstehen meine gute laune nicht, ich strahle alles in grund und boden, ich stecke an, und plötzlich ist es nur noch eine stunde, und ich bin mit allem fertig, die verhandlungen stehen still, und ich schaue auf meine reisetasche, die unter dem schreibtisch steht. neben ihr liegt meine schweinehündin und bekommt dicke augen, und ich denke au weia und mir fällt plötzlich ein, dass ich mich von ganz vielen menschen verabschieden muss in der nächsten stunde, und ich bin nicht gut im verabschieden, und ich denk noch darüber nach, dass es mal wieder ungerecht ist, weil die müssen nur einer person tschüß sagen, und ich so vielen, da kommt mein admin aus dem keller und schiebt mir eine gebrannte CD über den tisch, wo meine persönlichen bilder drauf sind, die er mir eben noch gerettet hat, bevor mein rechner gelöscht wird, ich hatte ja keine zeit zum aufräumen, und in dem moment heult die schweinehündin laut auf und bekommt einen eldenden gesichtsausdruck.
„da müssen wir jetzt durch“ ranze ich sie an, und mache mich auf den weg zum tschüß sagen, und es dauert drei leute, und beim vierten sind alle schleusen auf, und ab da wird nur noch geflennt. in der nächsten halben stunde stehe ich drei mal in irgendwelchen ecken des treppenhauses und wedel mir mit den händen luft in die augen, und ich werde von den alten haudegen gedrückt, und sie sagen sachen wie „ach mädchen, ach mädchen, du wirst uns fehlen“ und es ist, als wenn alte gestandene hafenarbeiter heulen, weil das wär das selbe, und das rührt mich noch mehr, und ich vergrabe meine nase in fleece-pullis und werde auf den rücken geklopft, während ich sie schniefen höre und dann bin ich raus, und alles ist vorbei und ich drehe mich noch mal zu den hügeln um, denke zum 100. mal „ein letztes mal“, und dann sitze ich im zug und flenne bis stuttgart, und im ICE dann habe ich zeit zum nachdenken, zum runter kommen, und als der zug ein paar stunden später in düsseldorf einfährt ist es nach halb neun am abend, stockenduster, und die nutten stehen im rotlicht und hinterlassen gigantische silhouetten, und ich muss lächeln, weil ich mich ab diesem moment immer wieder zu hause fühle, angekommen, und diesmal frei, und ich strahle die 30er fensterreihe an, auch wenn das eh keine sieht.
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