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Donnerstag, 20. September 2012
Reisenotizen Normandie September 2012 - Tag 3
Montag, 10.09.2012
Unruhige Nacht, die ging um 7 vorbei. Die versammelten Hähnchen der Region gaben sich ab halb 6 alle Mühe und lieferten ab, was ging. Die Gänse johlten mit. Und der Mann neben mir, der hatte ziemlich viel Glück, dass ich ihm in der Nacht irgendwann nach 1 nicht ein Kissen aufs Gesicht gedrückt habe, und später vor Gericht auf mildernde Umstände gepocht hätte, weil er im Schlaf durchgehend ruderte und strampelte, und das in diesem kleinen Bett in diesem kleinen Raum. Budenkoller, dazu der leise und herrlich entspannt schlafende Köter zwischen meinen Beinen. „Platz ist in der kleinsten Hütte“ mantraierte ich um Ruhe bemüht bis gegen Morgengrauen (das Wort, haha!) vor mich hin. Jedenfalls geht ja alles immer total gut aus, und so war ich (und jede Zelle meines Körpers) voll gut drauf, als endlich eine gute Zeit zur Bettflucht anbrach. Draußen wurde es gerade hell, und die Gockel waren noch alle gut in der Puste.
Auf der Kaffeemaschine sind in der Seitenleiste mit den Ziffern 3 bis 18 übrigens nicht die Tassen gemeint, sondern die Minuten, die es „noch braucht“, bis der dringende Sud durch ist. Und wenn man die noch mal doppelt, dann passt es. Eine kleine Kanne Kaffee gurgelt somit mit einer Warp-Geschwindigkeit von 30 Minuten durchs Nadelöhr, gefühlt sind das 2 Jahre - und nein, er schmeckt dadurch nicht doller. Die Maschine gibt ihr Finale durch drei dampfende Stoßseufzer bekannt. Das macht direkt neben der Maschine auf der Arbeitsplatte schlafenden Menschen direkt wach, jetzt kann eingeschenkt werden.
Gerade durch die ersten Schlücke (noch an der Maschine!) abgelenkt, kommen gut gelaunt der ausgeschlafene (und ausgetobte) Mann und der Hund an mir vorbei, und gehen total außer der Regel zusammen Gassi. Ich sprachlos (aber mit Kaffee, falls noch nicht oft genug betont) und der einzigen Sache beraubt, auf die ich mich die ganze Nacht gefreut hatte:
Ausgiebiges Meergassi in klarer Morgenluft. Gold im Schlund und so.
So stand ich denn da, mit meiner morgendlichen Betriebsamkeit und hatte rein gar nichts zu tun. Muss man ja auch mal erwähnen, wenn man so von 200 auf 10 fährt, was die Aktivität angeht. Einmal durchgefegt, die Tasse in die Spüle gestellt, fertig. Und dann?
Hab mich dann erst mal raus in die Sonne gesetzt und Schlingensief weiter gelesen. Macht jetzt auch nicht so wirklich froh.
Irgendwann, wieder gefühlte Stunden später, setzen wir uns ins Auto und fahren ans Meer. Also an eine andere Stelle, da wo der ‚grand Sable’ war. Heute, am Montag, ist es im Gegensatz zu gestern herrlich leer. Wind, ein paar dicke, fluffige Wolken die dunkle Kleckse auf das türkise Meer werfen, kaum belebter Strand, keine 20 Grad. Fast 10 Grad kühler als gestern, und der Parkplatz ist heute für lau. Ich komme gar nicht schnell genug aus den Klamotten raus, wie ich ins Wasser will. Ist mal wieder typisch für meine Wikinger-Gene. Gestern bei knapp 30 Grad und einem lebhaften Strand hab ich kaum Lust und will nach Hause, und bei der Witterung heute: Unter zwei Minuten im kalten Wasser und nicht mehr raus zu bekommen. Herrlich, einfach so in den Wellen rücklings zu dümpeln, ab und zu wird man hochgeworfen, dann untergedippt, dann hat man hellgrüne Algen in den Haaren und auf den Schultern, die Alabasterküste sieht wahnsinnig hoch aus, und wunderschön, und das Meer riecht nach Salz – mein Element. Ich schipper rücklings durch die Wellen, lasse die Füße rausgucken, und kann mich an dem blauen Himmel mit den Flauschwolken über mir nicht satt sehen. Alles.Ist.Gut.
Danach konnte es ja nur bergab gehen, irgendwie. Nach Hause, Hund küssen, trockene Sachen anziehen, weiter ins Einkaufszentrum. Werde minütlich todmüder, und eben so neu wie meine Mittagsnickerchen ist meine Übellaunigkeit, wenn ich müde werde. Kenne ich sonst nur, wenn ich sehr hungrig bin. Jetzt also auch bei Müdigkeit, nun denn. Die Erschöpfung kommt durch, wieder einmal, ob sie nun passt oder nicht. Wir kämpfen uns durch Einkaufsgänge in denen -wie üblich in Frankreich- Wintertemperaturen herrschen.
Schlafe im Auto im Sitzen ein.
Zurück im Haus noch schnell ein Baguette, einen Rosé, dann auf allen vieren ins Bett. Gefühlt ist es nach Mitternacht, in echt ist es irgendwas nach zwei. Ein paar Seiten im Buch, Schlingensief kämpft gegen den Tod, ich gegen den Schlaf, ergebe mich, alles schwarz.
Über eine Stunde habe ich mit dem Kopf auf dem Hund gelegen und war wie tot, hörte mir heute nicht zu, alles an mir schlief. Danach kaum noch in den Tag zurück gefunden. Kaffee half nicht, Wind nicht, Dusche nicht. Ich war total taub. Da hilft nur eins: Zurück ins Meer, ins Wasser. Ein Lichtblick in diese wirklich schlimme Stimmung. Meer hilft immer. Nach der Hunderunde auf direktem Wege zur Küste, aber ach – die Flut zu hoch, der Strand weg, der Einstieg wäre über die Steintreppe direkt in die Wellen gewesen. Im Wasser selbst Felsen und Gedöns, zu gefährlich. Die letzte Rettung sank vor mir weg. Nullpunkt.
Irgendwann war es Abend, dunkel, ich ging noch einmal unter die heiße Dusche, und dann plötzlich: Ruhe in mir. Die Aggression, diese Taubheit, die ganze destruktive Scheiße des Tages, die im Urlaub und auch sonst nichts zu suchen hat: weg. Endlich.
Das Buch wühlt auf, auch unbewusst. Die Reizüberflutung des Alltags fehlt, ebenfalls nicht bewusst. Ich denke eigentlich nie, dass ich jetzt gerne mal eben online wäre, oder Mails abrufen möchte. Aber ich merke, dass man sich sehr schnell ablenken kann, wenn man missgestimmt oder down ist, und das geht hier halt nicht mal so eben. Bücher, Wolken gucken, Patiencen legen. Gehen. Mit der Stimmung auseinandersetzen, statt sie direkt zu ersetzen mit Serie gucken, doppelte Kaffees, telefonieren, laute Musik hören, Haus schrubben, oder was auch immer. Das Buch wühlt auf. Schlingensief kämpft und reflektiert, und fragt sich und ist böse, und das durchlebt man mit, auf den Seiten. Und man weiß die ganze Zeit und das Ende, und als ich die letzte Seite gelesen habe, draußen vor dem Haus, da kam M. grad raus. Ich klappte das Buch zu, fing an zu heulen, und konnte auf sein „Und?“ nur „Ungerecht!“ sagen, das aber zwei oder drei mal.
Jetzt ist es irgendwas nach neun. Die Luft draußen ist mild, ich habe alle Fenster im Wohnraum weit geöffnet, die Vorhänge tanzen. Ein Glas Rotwein zur Nacht und die ersten Seiten in einem frischen Buch, „Tschick“ sein Name. Herr, wirf Schlaf vom Himmel. Und einen guten Dienstag, wenn Du schon dabei bist. Dein Schaf Lu auf Urlaub.
Unruhige Nacht, die ging um 7 vorbei. Die versammelten Hähnchen der Region gaben sich ab halb 6 alle Mühe und lieferten ab, was ging. Die Gänse johlten mit. Und der Mann neben mir, der hatte ziemlich viel Glück, dass ich ihm in der Nacht irgendwann nach 1 nicht ein Kissen aufs Gesicht gedrückt habe, und später vor Gericht auf mildernde Umstände gepocht hätte, weil er im Schlaf durchgehend ruderte und strampelte, und das in diesem kleinen Bett in diesem kleinen Raum. Budenkoller, dazu der leise und herrlich entspannt schlafende Köter zwischen meinen Beinen. „Platz ist in der kleinsten Hütte“ mantraierte ich um Ruhe bemüht bis gegen Morgengrauen (das Wort, haha!) vor mich hin. Jedenfalls geht ja alles immer total gut aus, und so war ich (und jede Zelle meines Körpers) voll gut drauf, als endlich eine gute Zeit zur Bettflucht anbrach. Draußen wurde es gerade hell, und die Gockel waren noch alle gut in der Puste.
Auf der Kaffeemaschine sind in der Seitenleiste mit den Ziffern 3 bis 18 übrigens nicht die Tassen gemeint, sondern die Minuten, die es „noch braucht“, bis der dringende Sud durch ist. Und wenn man die noch mal doppelt, dann passt es. Eine kleine Kanne Kaffee gurgelt somit mit einer Warp-Geschwindigkeit von 30 Minuten durchs Nadelöhr, gefühlt sind das 2 Jahre - und nein, er schmeckt dadurch nicht doller. Die Maschine gibt ihr Finale durch drei dampfende Stoßseufzer bekannt. Das macht direkt neben der Maschine auf der Arbeitsplatte schlafenden Menschen direkt wach, jetzt kann eingeschenkt werden.
Gerade durch die ersten Schlücke (noch an der Maschine!) abgelenkt, kommen gut gelaunt der ausgeschlafene (und ausgetobte) Mann und der Hund an mir vorbei, und gehen total außer der Regel zusammen Gassi. Ich sprachlos (aber mit Kaffee, falls noch nicht oft genug betont) und der einzigen Sache beraubt, auf die ich mich die ganze Nacht gefreut hatte:
Ausgiebiges Meergassi in klarer Morgenluft. Gold im Schlund und so.
So stand ich denn da, mit meiner morgendlichen Betriebsamkeit und hatte rein gar nichts zu tun. Muss man ja auch mal erwähnen, wenn man so von 200 auf 10 fährt, was die Aktivität angeht. Einmal durchgefegt, die Tasse in die Spüle gestellt, fertig. Und dann?
Hab mich dann erst mal raus in die Sonne gesetzt und Schlingensief weiter gelesen. Macht jetzt auch nicht so wirklich froh.
Irgendwann, wieder gefühlte Stunden später, setzen wir uns ins Auto und fahren ans Meer. Also an eine andere Stelle, da wo der ‚grand Sable’ war. Heute, am Montag, ist es im Gegensatz zu gestern herrlich leer. Wind, ein paar dicke, fluffige Wolken die dunkle Kleckse auf das türkise Meer werfen, kaum belebter Strand, keine 20 Grad. Fast 10 Grad kühler als gestern, und der Parkplatz ist heute für lau. Ich komme gar nicht schnell genug aus den Klamotten raus, wie ich ins Wasser will. Ist mal wieder typisch für meine Wikinger-Gene. Gestern bei knapp 30 Grad und einem lebhaften Strand hab ich kaum Lust und will nach Hause, und bei der Witterung heute: Unter zwei Minuten im kalten Wasser und nicht mehr raus zu bekommen. Herrlich, einfach so in den Wellen rücklings zu dümpeln, ab und zu wird man hochgeworfen, dann untergedippt, dann hat man hellgrüne Algen in den Haaren und auf den Schultern, die Alabasterküste sieht wahnsinnig hoch aus, und wunderschön, und das Meer riecht nach Salz – mein Element. Ich schipper rücklings durch die Wellen, lasse die Füße rausgucken, und kann mich an dem blauen Himmel mit den Flauschwolken über mir nicht satt sehen. Alles.Ist.Gut.
Danach konnte es ja nur bergab gehen, irgendwie. Nach Hause, Hund küssen, trockene Sachen anziehen, weiter ins Einkaufszentrum. Werde minütlich todmüder, und eben so neu wie meine Mittagsnickerchen ist meine Übellaunigkeit, wenn ich müde werde. Kenne ich sonst nur, wenn ich sehr hungrig bin. Jetzt also auch bei Müdigkeit, nun denn. Die Erschöpfung kommt durch, wieder einmal, ob sie nun passt oder nicht. Wir kämpfen uns durch Einkaufsgänge in denen -wie üblich in Frankreich- Wintertemperaturen herrschen.
Schlafe im Auto im Sitzen ein.
Zurück im Haus noch schnell ein Baguette, einen Rosé, dann auf allen vieren ins Bett. Gefühlt ist es nach Mitternacht, in echt ist es irgendwas nach zwei. Ein paar Seiten im Buch, Schlingensief kämpft gegen den Tod, ich gegen den Schlaf, ergebe mich, alles schwarz.
Über eine Stunde habe ich mit dem Kopf auf dem Hund gelegen und war wie tot, hörte mir heute nicht zu, alles an mir schlief. Danach kaum noch in den Tag zurück gefunden. Kaffee half nicht, Wind nicht, Dusche nicht. Ich war total taub. Da hilft nur eins: Zurück ins Meer, ins Wasser. Ein Lichtblick in diese wirklich schlimme Stimmung. Meer hilft immer. Nach der Hunderunde auf direktem Wege zur Küste, aber ach – die Flut zu hoch, der Strand weg, der Einstieg wäre über die Steintreppe direkt in die Wellen gewesen. Im Wasser selbst Felsen und Gedöns, zu gefährlich. Die letzte Rettung sank vor mir weg. Nullpunkt.
Irgendwann war es Abend, dunkel, ich ging noch einmal unter die heiße Dusche, und dann plötzlich: Ruhe in mir. Die Aggression, diese Taubheit, die ganze destruktive Scheiße des Tages, die im Urlaub und auch sonst nichts zu suchen hat: weg. Endlich.
Das Buch wühlt auf, auch unbewusst. Die Reizüberflutung des Alltags fehlt, ebenfalls nicht bewusst. Ich denke eigentlich nie, dass ich jetzt gerne mal eben online wäre, oder Mails abrufen möchte. Aber ich merke, dass man sich sehr schnell ablenken kann, wenn man missgestimmt oder down ist, und das geht hier halt nicht mal so eben. Bücher, Wolken gucken, Patiencen legen. Gehen. Mit der Stimmung auseinandersetzen, statt sie direkt zu ersetzen mit Serie gucken, doppelte Kaffees, telefonieren, laute Musik hören, Haus schrubben, oder was auch immer. Das Buch wühlt auf. Schlingensief kämpft und reflektiert, und fragt sich und ist böse, und das durchlebt man mit, auf den Seiten. Und man weiß die ganze Zeit und das Ende, und als ich die letzte Seite gelesen habe, draußen vor dem Haus, da kam M. grad raus. Ich klappte das Buch zu, fing an zu heulen, und konnte auf sein „Und?“ nur „Ungerecht!“ sagen, das aber zwei oder drei mal.
Jetzt ist es irgendwas nach neun. Die Luft draußen ist mild, ich habe alle Fenster im Wohnraum weit geöffnet, die Vorhänge tanzen. Ein Glas Rotwein zur Nacht und die ersten Seiten in einem frischen Buch, „Tschick“ sein Name. Herr, wirf Schlaf vom Himmel. Und einen guten Dienstag, wenn Du schon dabei bist. Dein Schaf Lu auf Urlaub.
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