Mittwoch, 1. April 2009

#43

Die Sache ist die:
Würden in dieser Lebensphase nicht immer die Klein-Fellchen auf mir herumliegen, mich an Orte fesseln, mich befusseln und mit Fischgeruch behaften, dann hätte ich mehr Platz und auch ein wenig mehr Zeit, um hier die Zeilen prall zu Völlen. Kaum aber sitze ich mit Vorhaben parat und bereit zum salbadern bis die Tastatur das qualmen beginnt, da endeckt mich eine Katz, rennt schnellen Fusses auf mich zu, springt, legt sich ab und schläft binnen Millisekunden tief und fest ein.

Statt dessen also Fell sortieren, beim schlafen zuhören, mit zwischen Ohr und schmerzender Schulter geklemmtem Telefon (schwierig, die Apparate werden ja auch immer kleiner ausgedacht, was mich dann immer in Versuchung führt, an zwergige Designer in winzig kleinen Design-Kartons zu denken, an Kommafehler und die Unpraktischheit von kleinen Telefonen, welche man bei Alarm nie findet und von dem Ohr-Schulter-Platz, aber da fing ich ja eben mit an-) Telefonate ausüben, um im direkten Anschluss von allen Fellen rechtsarmig belagert die Arbeit nicht erledigen können. Dafür kräftige Bisse in die Armbeuge wenn ich die Dinge lebendig angehe und Ablecken von Handknöchel und Hals, was zu nach Fisch riechender Haut führt.

Eben zur Nachrichtenzeit unter zweien gelegen, eine Tatze auf linkem Augenlid, heißer Atem im Ohr, da kam ich nicht an die Fernbedienung heran und musste RTL2-News gucken.
Höre wegen Tatze auf Auge nur, dass Luca Toni aus irgendwelchen Gründen nackt durch München laufen will. Bin begeistert, bekomme dafür aber direkt weitere Pfote auf rechtes Auge und Liebesbiss ins Ohr. Vollständig blind und halb taub stehe ich bei wichtiger Nachricht übertragen gesehen im Dunkeln und schlucke Fell.

In einem Monat ist das alles vorbei. Umgezogen und ein Arbeitszimmer mit dicker Tür versehen, da gehören meine Arme und warmen Ablageflächen wieder mir allein, kein Alt-Kater muss unbedingt mitten auf meinem Laptop sein komatöses und sechs Stunden dauerndes Mittagsnickerchen nehmen. Und das mit Luca Toni bekomme ich dann sicher auch noch raus.

Dienstag auf der ProWein gewesen. Fachmesse ohne Volkspöbel, alle im wichtigen Zwirn und viele mit roten Nasen. Die Klofrau erzählte, dass am Vortag die Krankenwagen allerorts Fachbesucher abtransportiert hätten, randvoll und mit schwachen Knien. Da fand ich die Anklemmschilder direkt praktisch, muss man sich nicht mehr an die eigenen Daten (Name/Firma) erinnern, nachdem man sich fachkundig um sämtliche Ländererzeugnisse gekümmert hat. (Erinnere mich gerade an die Butterberge in Deutschland und die Tomatenschlachten im Süden. Frage: Gibt es irgendwann Weinwellen? Wird das jemand zulassen, oder sperren da alle kollektiv die Münder auf und lassen laufen?)

31märz2009

Nach der dritten Weinprobe (Frankreich) hatte ich einen umfassenden Messebericht von geschätzten 5000 Zeichen im Kopf verfasst, welchen ich in Italien versumpfend wieder vergass.
Unrichtig.

Gestern auf der ProWein gewesen und wilde Dinge vorgehabt.
Kaum durch die Tür, Lust auf Askese bekommen durch den ganzen Überfluss und die Erfahrungsberichte der Klofrau.
Vor lauter Irritiertheit fast in eine Wand bestehend aus Barolo-Flaschen gelaufen. Wäre ein angenehmer Tod geworden. Statt dessen nur geguckt, nichts getrunken und mal hier, mal dort mit gespitzten Lippen homöopathische Dosen Rivaner, Tropfenweise Riesling und einen Nieselregen vom Veltliner. Und dann bis auf den letzten Tropfen wieder ausgespuckt. Das war so gegen zehn, elf Uhr, und alles ohne Mentor. An einem Stand (Frankreich, zweiter Durchmarsch) lasse ich mich durch Bilder optisch einfangen, durch einen Carlos in ein Gespräch verwickeln und dann zu Rotwein verführen. Nur mal nippen meint Carlos, und gießt schwungvoll bis zur Unteren Glaskante ein. Ich gucke, atme weg, fange an zu speicheln und nehme einen kräftigen Schluck. Der Rest ging schnell - lüften, noch mal schmecken und dann aus Versehen alles runtergeschluckt. 'Mit Mentor wär mir das nicht passiert' sag ich noch, und Carlos versucht mir in seinem Deutsch zu erklären, was er morgens in Frankreich auf seinem Arbeitsweg alles vor die Augen bekommt. Flamingos und Torros, und weiße Pferde, und ich frage mich ob das Landschaft oder Weingeist ist, aber Wurst- Torros am Morgen vertreibt sicher alles genau so gründlich wie die deutsche Spinne.

Der nächste Wein wird eingeschenkt, und Frau Carlos trinkt jetzt einen mit und schreibt mir die Adresse auf, wo ich dann unbedingt hinkommen muss zum trinken und Geschichten hören. St. Emilion, ick hör Dir trapsen. Syrah (70%) und Grenache (30%), von zwei Winzern mit altem Wissen zusammengebracht, wechseln den Aufenthaltsort. Lecker! sage ich und bekleckere meine Visitenkarte. Anker, Herz und Schiffchen bekommen einen kleinen Klecks Rotwein als Zusatzsymbol. Überlege, dass generell zu übernehmen und ziehe nach sämtlichen gegebenen Versprechen weiter.

31märz2009

Denke wieder, dass ein Mentor jetzt eine nötige Begleitung wäre, und renne gegen eine der strategisch günstig aufgestellten Spuckstationen. Arbeite mich durch meine Mission, danke ab oder stecke ein. Selten lasse ich eingießen, nur wenn der Winzer unglücklich im Anzug steckt, oder meine Neugier geweckt wird, oder -

Wenn ich Jürgen von der Mark plötzlich im Getümmel entdecke. Die Stammleser erinnern sich vielleicht dunkel an meinen Lobgesang auf den Master of Wine letztes Jahr im Osten. Vollbremsung, Hand suchen und schütteln, und irgendwie hatte ich schnell ein Glas von der Mark'schen Pinot Noir in der Hand.
Es folgt eine Abhandlung über Weinbau und Demut, in deren Mitte ich Herrn Walter die Hand schüttel und Herr von der Mark meint, ich würde plotten (meint 'bloggen'), wo ich erkläre, wie man das ins Internet schreiben nennt, und er über den Rock'n'Roll in der Rebe philosophiert.
Vergleiche mit dick geschminkten Frauen und dunklen Weinen, Körbchengrößen und Kopfnoten, und am Ende die Frage, die mich tatsächlich auf Null wirft:
"Und? Was sagen Sie zu meinem Wein?"
Das ist, wie wenn einen plötzlich eine Fremdsprache verlässt. Ich stand dort mit den zwei Gläsern und dachte
<...>
und sagte 'ähm', und dann, dass ich gerade von allen Weingeistern verlassen wäre, Angesicht zu Angesicht mit dem Master und seinem eigenen Tropfen, und er 'schmeckt er denn?' und ich 'lecker!', und gut war.

Neben Carlos und seinen Torros mein persönliches Highlight der ProWein.
Ansonsten geht der Trend hin zu vernetzten und verbändelten Jung-Winzern mit frischen Auftritten und Etiketten, was ich hinsichtlich Produkt und Vermarktung spannend finde.

Da- die nächste Katze kommt, ich muss an dieser Stelle -