... newer stories
Mittwoch, 4. Januar 2006
reisenotizen.
Tag 1. Autobahn und Daunen.
Deutsche Tristesse mit Trennstreifen. Nach 100 Kilometern gibt es fürs Auge Hügel und Schnee. Bayern, ein Stück weiter, sieht tatsächlich aus
wie auf den 2000ern von Ravensburger. Alle Kirchtürme beleuchtet, der Bayer an sich erleuchtet, Grüß Gott, huch. Und Schnee hat’s auch, überall.
Wir stranden in letzter Sekunde in einem Kaff namens Schwanendorf, es schneit aus Kübeln, Sicht gleich Null. Gasthaus Baier empfängt uns mit leuchtenden Fenstern und Fettgeruch aus dem Abzug der Küche. Alternativ hätten wir auf der Landstrasse unsere letzte Neige Benzin verprassen können, um dann irgendwo liegen zu bleiben und zufrieden mit knurrendem Magen zu erfrieren. Gefunden hätte uns dort keiner vor Ostern, so viel ist sicher.
Zwanzig Minuten dann später in „den gutn Stubn“ …Während draußen Tonnen von Schnee fallen, suche ich die Speisekarte nach fleischlosem ab, und das richtig erfolglos.
Als wir zwei Stunden später durch den Kern Schwanendorfs schwanken, hatte M. ein Schnitzel in Originalgröße eines Schweins intus, und ich einen Teller Spätzle mit Sauce und einen nachgeorderten Teller Pommes mit Ketchup, inkl. 2 Wein und 3 Humpen Bier. Glückselig randvoll mit nassen Haaren und roten Nasen ging es dann schnurstracks in gesteifte Bettwäsche ins bemalte Doppelbett.
Einen Schluckauf später hoffe ich gerade, dass ich das Gekrakel hier auf meiner Kladde hier nächste Woche noch entziffern kann und Prag morgen noch da steht, wo vermutet, so Gott will. Im TV läuft "Notting Hill".
Pfüati.
Tag 2. Kratzen und keine Katzen.
Ich bin allergisch gegen Daunen. Zumindest glaube ich das seit letzter Nacht.
Bis auf 2einhalb Stunden machte ich die ganze Nacht kein Auge zu, und in der Zwischenzeit hielt ich mir die Decke vom juckenden Leib oder seufzte in die bavarische Nacht, tief und schwer.
Am Morgen gibt es wieder Fleisch. Ich löffle Konfitüre pur, trinke grauenvollen Maschinenkaffee und denke an zu Hause.
Als wir Auto von sechzig Kilo Eis und ein paar Pfund Schnee befreit hatten ging es weiter gen Prag. Noch 270 Kilometer.
Autobahnen im Winter sind gut, weil einem keine Tiere vor den Kühler springen. Autobahnen im Winter sind aber auch schlecht, weil es schneit, und das an diesem Ort wohl durchgehend, zumindest immer, wenn wir dort lang fahren. Schlingernde LKWs mit Stickstoff im Tank, ausscherende Sprinter mit Malern im Innern, alles da, alles kämpft.
Irgendwann kommen wir dann doch an, und am Krämerladen begrüßt uns heute ein kopfüber hängender Fasan, wo letztes Jahr noch der Hase zum aushängen hing.
Im Mittelteil des Tages bringen wir Auto in Sicherheit, welches ohne Lenkradkralle und zig Mafiazetteln schnell und unfreiwillig den Besitzer wechseln würde.
Bei -5 °C in einem Vorbezirk erleide ich relativ still unter meiner Wollmütze unterzuckert einen Auslandsanfall und einen Liter Bier später, verabreicht und verzehrt in einem italienischen Edelrestaurant umme Ecke, bekomme ich wieder Farbe im Gesicht und sitze eingepfercht zwischen viel Holz, bestelle beschwingt die leckere Karte einmal rauf und einmal runter, alles fleischlos, hurra.
Es ist kurz vor 17 Uhr, draußen stockfinster und bitter kalt, als ich nach leckerster Tomatensuppe mit Sahnegitter obenauf und einem Rucola-Parmesan-Salat ohne Sauce die schlimmsten Nudeln meines Lebens, ach was sag ich, meiner letzten drei Leben bekomme. „Fusili con Pomodoro fresco“ stand auf der Karte, und es sah auch so aus. Was ich bis zum ersten Bissen nicht wusste, und geruchtstechnisch auf den Nachbartisch schob war, dass über meine Nudeln um die drei frische Knoblauchzehen gepresst wurden, aus einer Knolle letzten Sommers. Kann dem Koch bitte mal jemand sagen, dass das mitgekocht gehört? Ich brachte drei, vielleicht vier Bissen hinunter, dachte, ich stelle mich vielleicht an, aber es ging nichts mehr. Fischig und penetrant, und mir war schlecht bis zum Haaransatz. Das Bier verlor sofort seine Wirkung, ich trinke das nächste in einem Zug, winsel noch etwas von einem 3fachen Espresso, und Danke Neee, ich möchte den Rest nicht eingepackt haben.
Später, in der Metro, sitze ich vor mich hinstinkend unter drei Lagen Klamotten, fühle mich einigermaßen geborgen und denke, das mir Prag in diesem Winter zu hart sein könnte, weil ich zu weich. Noch vier Tage, Showtime.
Jetzt grad, die Kommunistenbauten sind ja hellhörig wie nix Gutes, schreien sich die Nachbarn an. Frau, schwer betrunken und Stimme wie ein Seefahrer brüllt im 5Sekundentakt „Dooobrii, Dooobrriii“ was, ich schlage nach, so viel wie „guuuut“ bedeutet. Gut, ich revidiere, Nachbarn haben scheinbar Sex. Wird mir heute nicht passieren, so wie ich stinke. Gute Nacht.
Tag 3. Prag- die Frostversion.
In Prag ist tatsächlich die Hölle zugefroren.
Man stelle sich vor, man wäre auf die Größe von sagen wir mal 1 mm geschrumpft und nun auf Expedition durch seine Gefriertruhe, wo an jeder Biegung eine Kneipe ist, in der man ein großes Bier trinkt, dann hat man in etwa Tag 3 begriffen. Von 10 Uhr am Morgen bis 21 Uhr am Abend per Pedes durch den Stadtkern, und das alles unter dem Einfluss von … wie hieß das Tief noch gleich? Holger ? – das alles unter dem weiß-kalten Einfluss von Holger, dem Ur-Enkel von der Holle.
Prag ist Randvoll, vor allem mit Italienern. Mindestens die Hälfte hat sich heute den Tod geholt, beim Versuch echt tolle Photos auf der Karlsbrücke im Schneesturm zu machen. Da wurden hochsensible Optiken mitten rein gehalten, ins eisige Nass, alles grinst, nur sieht man nix in den Bergen von Kapuzen und Mengen von Schnee.
Wir hatten auch Touri-Tag, wir sind nämlich sowohl auf eine Wechselstube wie auch auf ein schlechtes Restaurant reingefallen, alles aus der Not heraus (Hunger, Pipi, Durst), alles am Ende des langen, eisigen Tages.
Sollten wir jemals wieder hier weg kommen ( wegen Holger ), dann werde ich eine Woche eine heiße Wanne besetzen, das schwöre ich mir gerade inbrünstig.
Es ist nach 22 Uhr, nebenan wird wieder „Dooobrriiii“ gespielt. Ich friere, klappere unsexy mit den Zähnen, und nur Block und eine Hand mit Stift guckt beim schreiben aus der Decke.
Nix Dobri, doo.
Tag 4. Geiz ist ungeil, und Jan hat einen Komplex.
Der Tag ist beschwerlich, weil die vorigen viel Energie gekostet haben. Leerer Kühlschrank, keine Bademöglichkeit nach eisigen und laufstarken Tagen, noch mehr Schnee über Nacht.
Vermummte Gestalten in Trainingshosen und Freizeitballonseide, lachende Kinder auf Schlitten, geschwollene rote Augen, Atemwolken, all das prägt das Straßenbild.
Im Supermarkt sieht es aus wie bei ALDI in den Anfangszeiten. Der Eingangsbereich steht unter Wasser, kümmert keinen. Es gibt wenig frisches, viel Totes und Büchsen. Die Leute sehen ungesund aus, und die Preise sind erstaunlich hoch. Wir sind in einem NORMA-Markt und fragen uns, wie sich die Menschen auf Dauer überhaupt ihre Einkäufe leisten sollen? Die Preise sind hoch wie nie, und das Hauptthema in den Kneipen zum Bier. Lebensmittel, Gas, Kleidung.
Es ist beschwerlich, sowohl der Einkauf mit Schneemarsch, wie auch die Tagesgestaltung. Prag ist nicht nur schöner Stadtkern, draußen ist viel Lärm, die Nachbarn haben Pause, und die Krankenwagen einen ähnlichen Sound wie in den Staaten. Ich liege etwas mau auf dem Ehebett der Urgesteine von M., ohne deren Tun auf diesem Bette weder M. auf Erden, noch dessen Macher, noch ich mit ihm in Prag wäre. Die Heizung bollert, dass man bei lebendigem Leibe dehydriert. Macht man sie aus, wird es sofort eiskalt hier oben im 4. Stock des Kommunisten-Klotzes. 4. Stock heißt hier übrigens umgerechnet 6. Stock, die Treppen ziehen sich ins ewige.
Nachmittags wieder in unsere ausgesuchte Lieblingskneipe „XXX“. Tagessuppe, Gulasch mit Knödel, Bier. Ich schiebe M. die Fleischstücke rüber, und stopfe abwechselnd Kloß und Bier, köstlich, ein Kloßparadies. Danach „The best of Jan Saudek“. Mit Vorfreude auf eine schöne Ausstellung (und Wärme) stellen wir uns an. Ich kannte von ihm nur eine Photostrecke über eine Großstadt, welche hab ich vergessen. Was mich, bzw. uns erwartete waren Nackte, Ärsche, Titten und Fett. Nach zwei Räumen verdrehe ich die Augen, der dicken Hintern überdrüssig und wundere mich über Jan sein schräges Frauenbild. Die tollen Schönen sind schwanger, haben auf den Photos sogar Engelsflügel. Dann sind da die Mädchen, und an denen stoße ich mich richtig. In einem Raum vier Bilder von Frauen, völlig bekleidet, mit ihren gerade erblühenden Töchtern, splitternackt und mit Augenaufschlag. Ich denke, dass Jan Saudekeine Sau ein Mann mit seltsamem Frauenblick ist, gehe in den nächsten Raum und sehe die anderen beiden Kategorien. Wir haben also entweder schwanger und perfekt, das mit Flügeln, dann haben wir Mädchen mit Lolita-Blick und splitternackt, teilweise etwas moppelig und so in Position gebracht, dass Speckfalten an Busen erinnern, und dann haben wir ganz ganz dicke Frauen, die bloßgestellt wirken, weil sie auf dem oberen Bild angezogen, und auf dem unteren Splitternackt sind, und wir haben die Kategorie Dirne, die ebenfalls sehr füllig ist, und die Sparte nackt & behindert. Appes Bein und struppiger Bär, den man so seit Ende der 80er nicht mehr zu sehen bekam. Ich kann ja nur von mir sprechen, aber ich war mächtig genervt. Nicht von den Frauen, nicht von füllig bis fett, nicht von Bär oder Rubens-Hintern, sondern von deren Einteilung und vor allem von den Mädchen! Das war keine gewollte Provokation, das war mit Liebe zum Detail, Punkt.
Ich besitze bei Bildern eine schnelle Auffassungsgabe, so dass ich recht schnell durch einen Raum durch bin, und immer Zeit habe, mir die anderen Besucher und deren Reaktionen anzusehen, und ich sah verwirrte Männer ( die Büsche waren es, ich schwörs ) und genervte Frauen, die sicher in etlichen Sprachen „nicht schon wieder ein Raum voller Titten“ dachten.
Falls wer in der nächsten Zeit dort in Prag in eben diese Ausstellung will, der sollte vorher aufs Klo gehen. Die Örtlichkeiten dort spotten jeder Beschreibung, und kaum hatte ich die Klotür zu, packte ich meine Randvolle Blase am Schlafittchen und machte auf dem Fuße kehrt ins Freie. Unglaublich.
M. und ich hatten anschließend Streit über Sinn und Unsinn von Kunst, über das „Was will er denn nun?“, und überhaupt.
Kafkas Café, frische Pralinen zum Kaffee und lakonische Bemerkungen über Titten und Hinterteile brachten wieder Ruhe und Eintracht, wir klauten einträchtig Zuckertütchen mit Franz drauf und ich knipste Möbel und Klotreppen.
Friede, Freude, Schnapspralinen. Hach.
Tag 5. Ein Tag in der Mall.
Der Tscheche an sich steht auf zwei Dinge: essen und telefonieren.
Womit er sich sehr gut mit den Italienern verstehen müsste. Womit erklärt wäre, warum halb Italien in Prag zu weilen scheint.
Der 5. Tag ist Einkaufstag. Zu Hause wurde hier ein Zettel zugesteckt, dort eine SMS mit Wünschen gefüllt und wir, ohne Auto, da Auto in Sicherheit und im trockenen bei Opa 2 urlaubte, per Metro in die Einkaufsmall zu GLOBUS. Mittags verschluckt, abends wieder ausgespuckt, dazwischen die Hölle mit Einkaufswagen. Es war einen Tag vor Silvester, und gnadenlos.
Der Globus Markt ist auf zwei Etagen und größer als real,- und Konsorten, nur als Vergleich. Drumherum sind andere Läden angesiedelt, Drogerien und Imbisse, also dm und Mc Donalds. Nebenan Multiplex Kino, Möbelgeschäfte, ein IKEA, ein MakroMarkt, und H&M hat auch noch einen Platz abbekommen. Globalisierung, ick hör dir trapsen.
Im Globus selber ist frisch Krieg ausgebrochen, und ein alter Hauch von Kommunismus liegt in der Luft (vielleicht gibt’s morgen ja nüscht mehr.).
Hörnchen liegen auf dem Boden, die gute Salami ist aus, und es gibt Türme auf Rädern, so hoch und kunstvoll bepackt sind die großen Einkaufswagen.
Ich und der Wagen stehen abseits geparkt beim Senfregal, 6 Töpfe verschwinden im eigenen Gefährt, M. bekommt Stressmigräne.
Nebenan in der Brotabteilung wird fast jemand mit einem Einkaufswagen überfahren. Der Grund für die Unachtsamkeit der Menschen: gnadenlos überfüllte Einkaufskarrem ( Bier, Fleisch, Hörnchen ) und das obligatorische Mobiltelefon am Ohr.
An der Kasse geht es zügig, wir lachen über unseren wirren Einkauf, und schleppen die schweren Tüten ( Bier, Senf, Hörnchen, Schnaps, Schokoriegel, Kümmelbrot, noch mehr Senf ) durch den Schnee über den Hügel zur Metro. Zu Hause, die Tüten stehen unausgepackt in der Diele, schlafen wir nach ein paar Minuten bei den sechs-uhr-Nachrichten auf der Couch ein.
Tag 6. Kurz davor ist früh genug. Prost Neujahr.
Hörnchen, letzter schlechter Kaffee, Opas Bude in den alten Zustand bringen, Photos machen, Einkäufe umpacken, ein Photo von den Einkäufen machen, zur Metro stapfen. Es schneit schon wieder. -7 grad, Auto holen, zurück, alles von oben nach unten schleppen. Ich bekomme von dem blauen Plastiksack, in dem mein Bettzeug verschwinden soll so dermaßen einen elektrischen Schlag, dass mein oberer Zeigefinger erst mal taub und beleidigt ist.
Rückfahrt. Kälte, Schnee, Nebel. Erster Stopp nach einer Stunde, Restaurant mit Wikingerausstattung und deftiges Essen, wir machen usn Sorgen um Auto, welches allein auf dem Parkplatz steht, Essen diesmal ohne Bier. Die Bedienung vergisst unsere Vorsuppe, dafür fallen ihr fast die Titten aus dem Burgfräuleinkleid. Bekommen Krach wegen Bedienung. Restaurantchef beleidigt, weil ich weder seine Ausführungen über das tolle Lendenstück in Speck verstehe, und das dann auch nicht essen will. Bekomme Brokkoliröschen in Käsesauce, als Strafe.
Noch mehr Nebel, Schnee und Kälte. Auto saugt sich mit Winterschluppen am Asphalt fest. Zwischendurch Schlaglöcher, in denen ein Smart oder ein Rind verschwinden könnte. Autofahrt wie Action-Game auf Fernseher. Ich photographiere und male mir aus, wie sie die Kamera finden, und unsere letzten Stunden anhand meiner Photos rekonstruieren. Freue mich jetzt schon über ratlose Gesichter und mache diese Notizen hier auf dem letzten Blatt im Block.
Nach Nürnberg Plus-Grade, wir beschließen, durch zu fahren, so weit wir kommen. Ich will nach Hause, vermisse die vier Fellchen, habe mir seit einer Woche die Haare nicht mehr gewaschen und will einen anständigen Kaffee.
Um 23 Uhr zu Hause, Schmutzwäsche in die Tonne, auf dem Balkon tatsächlich noch eine alte Flasche Sekt ( Werbegeschenk ) gefunden, ein Glas vorab getrunken und direkt blau gewesen.
Um 0:00 mit Bademantel und flammenden Wunderkerzen auf dem Balkon 2006 begrüßt, und das als gutes Zeichen gewertet.
Home sweet home, Sekt sweet Sekt. Traumlose Nacht im eigenen Bett, unbezahlbar.
( photos gibts morgen)
Deutsche Tristesse mit Trennstreifen. Nach 100 Kilometern gibt es fürs Auge Hügel und Schnee. Bayern, ein Stück weiter, sieht tatsächlich aus
wie auf den 2000ern von Ravensburger. Alle Kirchtürme beleuchtet, der Bayer an sich erleuchtet, Grüß Gott, huch. Und Schnee hat’s auch, überall.
Wir stranden in letzter Sekunde in einem Kaff namens Schwanendorf, es schneit aus Kübeln, Sicht gleich Null. Gasthaus Baier empfängt uns mit leuchtenden Fenstern und Fettgeruch aus dem Abzug der Küche. Alternativ hätten wir auf der Landstrasse unsere letzte Neige Benzin verprassen können, um dann irgendwo liegen zu bleiben und zufrieden mit knurrendem Magen zu erfrieren. Gefunden hätte uns dort keiner vor Ostern, so viel ist sicher.
Zwanzig Minuten dann später in „den gutn Stubn“ …Während draußen Tonnen von Schnee fallen, suche ich die Speisekarte nach fleischlosem ab, und das richtig erfolglos.
Als wir zwei Stunden später durch den Kern Schwanendorfs schwanken, hatte M. ein Schnitzel in Originalgröße eines Schweins intus, und ich einen Teller Spätzle mit Sauce und einen nachgeorderten Teller Pommes mit Ketchup, inkl. 2 Wein und 3 Humpen Bier. Glückselig randvoll mit nassen Haaren und roten Nasen ging es dann schnurstracks in gesteifte Bettwäsche ins bemalte Doppelbett.
Einen Schluckauf später hoffe ich gerade, dass ich das Gekrakel hier auf meiner Kladde hier nächste Woche noch entziffern kann und Prag morgen noch da steht, wo vermutet, so Gott will. Im TV läuft "Notting Hill".
Pfüati.
Tag 2. Kratzen und keine Katzen.
Ich bin allergisch gegen Daunen. Zumindest glaube ich das seit letzter Nacht.
Bis auf 2einhalb Stunden machte ich die ganze Nacht kein Auge zu, und in der Zwischenzeit hielt ich mir die Decke vom juckenden Leib oder seufzte in die bavarische Nacht, tief und schwer.
Am Morgen gibt es wieder Fleisch. Ich löffle Konfitüre pur, trinke grauenvollen Maschinenkaffee und denke an zu Hause.
Als wir Auto von sechzig Kilo Eis und ein paar Pfund Schnee befreit hatten ging es weiter gen Prag. Noch 270 Kilometer.
Autobahnen im Winter sind gut, weil einem keine Tiere vor den Kühler springen. Autobahnen im Winter sind aber auch schlecht, weil es schneit, und das an diesem Ort wohl durchgehend, zumindest immer, wenn wir dort lang fahren. Schlingernde LKWs mit Stickstoff im Tank, ausscherende Sprinter mit Malern im Innern, alles da, alles kämpft.
Irgendwann kommen wir dann doch an, und am Krämerladen begrüßt uns heute ein kopfüber hängender Fasan, wo letztes Jahr noch der Hase zum aushängen hing.
Im Mittelteil des Tages bringen wir Auto in Sicherheit, welches ohne Lenkradkralle und zig Mafiazetteln schnell und unfreiwillig den Besitzer wechseln würde.
Bei -5 °C in einem Vorbezirk erleide ich relativ still unter meiner Wollmütze unterzuckert einen Auslandsanfall und einen Liter Bier später, verabreicht und verzehrt in einem italienischen Edelrestaurant umme Ecke, bekomme ich wieder Farbe im Gesicht und sitze eingepfercht zwischen viel Holz, bestelle beschwingt die leckere Karte einmal rauf und einmal runter, alles fleischlos, hurra.
Es ist kurz vor 17 Uhr, draußen stockfinster und bitter kalt, als ich nach leckerster Tomatensuppe mit Sahnegitter obenauf und einem Rucola-Parmesan-Salat ohne Sauce die schlimmsten Nudeln meines Lebens, ach was sag ich, meiner letzten drei Leben bekomme. „Fusili con Pomodoro fresco“ stand auf der Karte, und es sah auch so aus. Was ich bis zum ersten Bissen nicht wusste, und geruchtstechnisch auf den Nachbartisch schob war, dass über meine Nudeln um die drei frische Knoblauchzehen gepresst wurden, aus einer Knolle letzten Sommers. Kann dem Koch bitte mal jemand sagen, dass das mitgekocht gehört? Ich brachte drei, vielleicht vier Bissen hinunter, dachte, ich stelle mich vielleicht an, aber es ging nichts mehr. Fischig und penetrant, und mir war schlecht bis zum Haaransatz. Das Bier verlor sofort seine Wirkung, ich trinke das nächste in einem Zug, winsel noch etwas von einem 3fachen Espresso, und Danke Neee, ich möchte den Rest nicht eingepackt haben.
Später, in der Metro, sitze ich vor mich hinstinkend unter drei Lagen Klamotten, fühle mich einigermaßen geborgen und denke, das mir Prag in diesem Winter zu hart sein könnte, weil ich zu weich. Noch vier Tage, Showtime.
Jetzt grad, die Kommunistenbauten sind ja hellhörig wie nix Gutes, schreien sich die Nachbarn an. Frau, schwer betrunken und Stimme wie ein Seefahrer brüllt im 5Sekundentakt „Dooobrii, Dooobrriii“ was, ich schlage nach, so viel wie „guuuut“ bedeutet. Gut, ich revidiere, Nachbarn haben scheinbar Sex. Wird mir heute nicht passieren, so wie ich stinke. Gute Nacht.
Tag 3. Prag- die Frostversion.
In Prag ist tatsächlich die Hölle zugefroren.
Man stelle sich vor, man wäre auf die Größe von sagen wir mal 1 mm geschrumpft und nun auf Expedition durch seine Gefriertruhe, wo an jeder Biegung eine Kneipe ist, in der man ein großes Bier trinkt, dann hat man in etwa Tag 3 begriffen. Von 10 Uhr am Morgen bis 21 Uhr am Abend per Pedes durch den Stadtkern, und das alles unter dem Einfluss von … wie hieß das Tief noch gleich? Holger ? – das alles unter dem weiß-kalten Einfluss von Holger, dem Ur-Enkel von der Holle.
Prag ist Randvoll, vor allem mit Italienern. Mindestens die Hälfte hat sich heute den Tod geholt, beim Versuch echt tolle Photos auf der Karlsbrücke im Schneesturm zu machen. Da wurden hochsensible Optiken mitten rein gehalten, ins eisige Nass, alles grinst, nur sieht man nix in den Bergen von Kapuzen und Mengen von Schnee.
Wir hatten auch Touri-Tag, wir sind nämlich sowohl auf eine Wechselstube wie auch auf ein schlechtes Restaurant reingefallen, alles aus der Not heraus (Hunger, Pipi, Durst), alles am Ende des langen, eisigen Tages.
Sollten wir jemals wieder hier weg kommen ( wegen Holger ), dann werde ich eine Woche eine heiße Wanne besetzen, das schwöre ich mir gerade inbrünstig.
Es ist nach 22 Uhr, nebenan wird wieder „Dooobrriiii“ gespielt. Ich friere, klappere unsexy mit den Zähnen, und nur Block und eine Hand mit Stift guckt beim schreiben aus der Decke.
Nix Dobri, doo.
Tag 4. Geiz ist ungeil, und Jan hat einen Komplex.
Der Tag ist beschwerlich, weil die vorigen viel Energie gekostet haben. Leerer Kühlschrank, keine Bademöglichkeit nach eisigen und laufstarken Tagen, noch mehr Schnee über Nacht.
Vermummte Gestalten in Trainingshosen und Freizeitballonseide, lachende Kinder auf Schlitten, geschwollene rote Augen, Atemwolken, all das prägt das Straßenbild.
Im Supermarkt sieht es aus wie bei ALDI in den Anfangszeiten. Der Eingangsbereich steht unter Wasser, kümmert keinen. Es gibt wenig frisches, viel Totes und Büchsen. Die Leute sehen ungesund aus, und die Preise sind erstaunlich hoch. Wir sind in einem NORMA-Markt und fragen uns, wie sich die Menschen auf Dauer überhaupt ihre Einkäufe leisten sollen? Die Preise sind hoch wie nie, und das Hauptthema in den Kneipen zum Bier. Lebensmittel, Gas, Kleidung.
Es ist beschwerlich, sowohl der Einkauf mit Schneemarsch, wie auch die Tagesgestaltung. Prag ist nicht nur schöner Stadtkern, draußen ist viel Lärm, die Nachbarn haben Pause, und die Krankenwagen einen ähnlichen Sound wie in den Staaten. Ich liege etwas mau auf dem Ehebett der Urgesteine von M., ohne deren Tun auf diesem Bette weder M. auf Erden, noch dessen Macher, noch ich mit ihm in Prag wäre. Die Heizung bollert, dass man bei lebendigem Leibe dehydriert. Macht man sie aus, wird es sofort eiskalt hier oben im 4. Stock des Kommunisten-Klotzes. 4. Stock heißt hier übrigens umgerechnet 6. Stock, die Treppen ziehen sich ins ewige.
Nachmittags wieder in unsere ausgesuchte Lieblingskneipe „XXX“. Tagessuppe, Gulasch mit Knödel, Bier. Ich schiebe M. die Fleischstücke rüber, und stopfe abwechselnd Kloß und Bier, köstlich, ein Kloßparadies. Danach „The best of Jan Saudek“. Mit Vorfreude auf eine schöne Ausstellung (und Wärme) stellen wir uns an. Ich kannte von ihm nur eine Photostrecke über eine Großstadt, welche hab ich vergessen. Was mich, bzw. uns erwartete waren Nackte, Ärsche, Titten und Fett. Nach zwei Räumen verdrehe ich die Augen, der dicken Hintern überdrüssig und wundere mich über Jan sein schräges Frauenbild. Die tollen Schönen sind schwanger, haben auf den Photos sogar Engelsflügel. Dann sind da die Mädchen, und an denen stoße ich mich richtig. In einem Raum vier Bilder von Frauen, völlig bekleidet, mit ihren gerade erblühenden Töchtern, splitternackt und mit Augenaufschlag. Ich denke, dass Jan Saudek
Ich besitze bei Bildern eine schnelle Auffassungsgabe, so dass ich recht schnell durch einen Raum durch bin, und immer Zeit habe, mir die anderen Besucher und deren Reaktionen anzusehen, und ich sah verwirrte Männer ( die Büsche waren es, ich schwörs ) und genervte Frauen, die sicher in etlichen Sprachen „nicht schon wieder ein Raum voller Titten“ dachten.
Falls wer in der nächsten Zeit dort in Prag in eben diese Ausstellung will, der sollte vorher aufs Klo gehen. Die Örtlichkeiten dort spotten jeder Beschreibung, und kaum hatte ich die Klotür zu, packte ich meine Randvolle Blase am Schlafittchen und machte auf dem Fuße kehrt ins Freie. Unglaublich.
M. und ich hatten anschließend Streit über Sinn und Unsinn von Kunst, über das „Was will er denn nun?“, und überhaupt.
Kafkas Café, frische Pralinen zum Kaffee und lakonische Bemerkungen über Titten und Hinterteile brachten wieder Ruhe und Eintracht, wir klauten einträchtig Zuckertütchen mit Franz drauf und ich knipste Möbel und Klotreppen.
Friede, Freude, Schnapspralinen. Hach.
Tag 5. Ein Tag in der Mall.
Der Tscheche an sich steht auf zwei Dinge: essen und telefonieren.
Womit er sich sehr gut mit den Italienern verstehen müsste. Womit erklärt wäre, warum halb Italien in Prag zu weilen scheint.
Der 5. Tag ist Einkaufstag. Zu Hause wurde hier ein Zettel zugesteckt, dort eine SMS mit Wünschen gefüllt und wir, ohne Auto, da Auto in Sicherheit und im trockenen bei Opa 2 urlaubte, per Metro in die Einkaufsmall zu GLOBUS. Mittags verschluckt, abends wieder ausgespuckt, dazwischen die Hölle mit Einkaufswagen. Es war einen Tag vor Silvester, und gnadenlos.
Der Globus Markt ist auf zwei Etagen und größer als real,- und Konsorten, nur als Vergleich. Drumherum sind andere Läden angesiedelt, Drogerien und Imbisse, also dm und Mc Donalds. Nebenan Multiplex Kino, Möbelgeschäfte, ein IKEA, ein MakroMarkt, und H&M hat auch noch einen Platz abbekommen. Globalisierung, ick hör dir trapsen.
Im Globus selber ist frisch Krieg ausgebrochen, und ein alter Hauch von Kommunismus liegt in der Luft (vielleicht gibt’s morgen ja nüscht mehr.).
Hörnchen liegen auf dem Boden, die gute Salami ist aus, und es gibt Türme auf Rädern, so hoch und kunstvoll bepackt sind die großen Einkaufswagen.
Ich und der Wagen stehen abseits geparkt beim Senfregal, 6 Töpfe verschwinden im eigenen Gefährt, M. bekommt Stressmigräne.
Nebenan in der Brotabteilung wird fast jemand mit einem Einkaufswagen überfahren. Der Grund für die Unachtsamkeit der Menschen: gnadenlos überfüllte Einkaufskarrem ( Bier, Fleisch, Hörnchen ) und das obligatorische Mobiltelefon am Ohr.
An der Kasse geht es zügig, wir lachen über unseren wirren Einkauf, und schleppen die schweren Tüten ( Bier, Senf, Hörnchen, Schnaps, Schokoriegel, Kümmelbrot, noch mehr Senf ) durch den Schnee über den Hügel zur Metro. Zu Hause, die Tüten stehen unausgepackt in der Diele, schlafen wir nach ein paar Minuten bei den sechs-uhr-Nachrichten auf der Couch ein.
Tag 6. Kurz davor ist früh genug. Prost Neujahr.
Hörnchen, letzter schlechter Kaffee, Opas Bude in den alten Zustand bringen, Photos machen, Einkäufe umpacken, ein Photo von den Einkäufen machen, zur Metro stapfen. Es schneit schon wieder. -7 grad, Auto holen, zurück, alles von oben nach unten schleppen. Ich bekomme von dem blauen Plastiksack, in dem mein Bettzeug verschwinden soll so dermaßen einen elektrischen Schlag, dass mein oberer Zeigefinger erst mal taub und beleidigt ist.
Rückfahrt. Kälte, Schnee, Nebel. Erster Stopp nach einer Stunde, Restaurant mit Wikingerausstattung und deftiges Essen, wir machen usn Sorgen um Auto, welches allein auf dem Parkplatz steht, Essen diesmal ohne Bier. Die Bedienung vergisst unsere Vorsuppe, dafür fallen ihr fast die Titten aus dem Burgfräuleinkleid. Bekommen Krach wegen Bedienung. Restaurantchef beleidigt, weil ich weder seine Ausführungen über das tolle Lendenstück in Speck verstehe, und das dann auch nicht essen will. Bekomme Brokkoliröschen in Käsesauce, als Strafe.
Noch mehr Nebel, Schnee und Kälte. Auto saugt sich mit Winterschluppen am Asphalt fest. Zwischendurch Schlaglöcher, in denen ein Smart oder ein Rind verschwinden könnte. Autofahrt wie Action-Game auf Fernseher. Ich photographiere und male mir aus, wie sie die Kamera finden, und unsere letzten Stunden anhand meiner Photos rekonstruieren. Freue mich jetzt schon über ratlose Gesichter und mache diese Notizen hier auf dem letzten Blatt im Block.
Nach Nürnberg Plus-Grade, wir beschließen, durch zu fahren, so weit wir kommen. Ich will nach Hause, vermisse die vier Fellchen, habe mir seit einer Woche die Haare nicht mehr gewaschen und will einen anständigen Kaffee.
Um 23 Uhr zu Hause, Schmutzwäsche in die Tonne, auf dem Balkon tatsächlich noch eine alte Flasche Sekt ( Werbegeschenk ) gefunden, ein Glas vorab getrunken und direkt blau gewesen.
Um 0:00 mit Bademantel und flammenden Wunderkerzen auf dem Balkon 2006 begrüßt, und das als gutes Zeichen gewertet.
Home sweet home, Sekt sweet Sekt. Traumlose Nacht im eigenen Bett, unbezahlbar.
( photos gibts morgen)
morgensound-track.
Shes got a bent belt by her side
Shes got that donkey paralyzed
Shes got a cold inner wind and a ware full of sins
Shes got a garagedoor where youve got lies
Shes got a lifeline by her side
Shes got a woman paralyzed
Shes got a much elder husband than gods son himself
Shes got a bagage full of hope and knives
Na, get down!
Shes got that donkey paralyzed
Shes got a cold inner wind and a ware full of sins
Shes got a garagedoor where youve got lies
Shes got a lifeline by her side
Shes got a woman paralyzed
Shes got a much elder husband than gods son himself
Shes got a bagage full of hope and knives
Na, get down!
zurück.
Er sass aufrecht neben mir im Bett und hatte so was wie ein riesiges Loch in der Brust, unter seinem Pyjama. Die Ärzte hatten gesagt, es stünde zwar nicht so gut, aber er hätte eine Chance. Ich sass neben ihm, und während er sprach begriff ich, dass er da war, gleich neben mir. Und ich dachte, wie schön es ist, das er doch nicht tot sei, ich mit ihm reden könne und eine Chance ist schließlich eine Chance. Alles nur ein böser Traum, letztes Jahr, er sitzt gleich neben mir.
Als ich wach wurde, war ich traurig, aber auch dankbar. Das erste mal konnte ich wieder mit ihm reden, wenn auch nur im Traum. Seit seinem Tod träumte ich nie von ihm. Heute schon.
Als ich wach wurde, war ich traurig, aber auch dankbar. Das erste mal konnte ich wieder mit ihm reden, wenn auch nur im Traum. Seit seinem Tod träumte ich nie von ihm. Heute schon.
... older stories