Freitag, 3. September 2010

02.09.2009 - Wale für Anfänger

Liscomb -> Chéticamp (Cape Breton Island)
Sonne, 29°

Verflixte Zeitumstellung wirkt Körperintern immer noch für Unklarheiten. Um 4:40 stehe ich wieder mit laut knurrendem Magen im Bad der Unterkunft, und trinke so viel Leitungswasser, bis der Magen abwinkt. Dabei sehe ich die Rechnung für menschenleere Gegenden auch direkt und in Farbe. Fünf neue Mückenstiche, höllisch juckend und signalrot. Die können also auch durch dicke Hosen.

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Überfahrene Waschbärenfamilien auf dem Highway machen mich ganz krank.

Heute lange Strecke vor uns, es geht die Küste entlang Richtung Cape Breton Island, wo die Cape Breton Highlands (Nationalpark, groß!) sind. Wäre ich ein Hund, würde ich durchgehend wedeln und hecheln.

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Diese Küche bringt ein ganzes Volk um. Kaum denkt man, es geht nicht fettiger, dann serviert Dir eine Kaugummi kauende Kellnerin das nächste Frühstück mit den fettigsten Würstchen ever. Obwohl ich nicht glaube, dass dort Fleisch verarbeitet wurde. Tippe auf in Fett gekochten Brotbrei mit Wurstwasseraroma.

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Plötzlich, in all der Einöde, machen Stephen Kings Romane wieder Sinn. All diese Leere - dieses Nichts in all den Wäldern. Und so still ist es.

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Im Visitors Center von warmer, lebensbejahender Körpertemperatur Dank Air-Con auf Winterschlaf runtergekühlt, und das unter 10 Minuten. Trotzdem Zimmer und Whale-Watching-Tour in einem Zodiac gebucht. Oder gerade deshalb.
Die versammelte weibliche Belegschaft des VC schwärmt über die Blaubeermuffins unserer nächsten B&B-Inhaberin der kommenden drei Tage, und von mir fallen kleine Eispartikel ab, als ich aus der Tür gehe.

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Man sollte mal über die Größe der Toiletten und Duschen hier reden. Seit Ankunft dachte ich immer, ich würde permanent die Behindertentoilette erwischen. Ist aber nicht so. Das Land stellt sich einfach auf seine etwas überproportionierten Bewohner ein, bzw. auf die Urlauber aus Amerika. Alles ist BIG oder KING SIZE, und ich komme mir trotz nordischer Größe vor wie Alice im Wunderlandklo.

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See im WC.
(Die Toiletten füllen sich immer bis zur Hälfte komplett mit Wasser auf, so das man alles in eine ziemliche Menge Wasser macht. Als Europäer muss man sich das "Huch, Klo verstopft!" beim abziehen unter Schmerzen abgewöhnen.)

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Im Manitou-Grill in einem kleinen Kaff namens Black River läuft Whitesnake's "Here i go again". Passt irgendwie auch hierhin.

Überhaupt Musik. Classic Rock. Elvis Radio. Love them all!

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Festgewachsene Trailer.
"Catholic or Gothic?" Cemetery.

Bei Dudes Cove Inn ca. 50 in die Luft gestreckte Bürzel im Lake Dings (Name entfallen).

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Angekommen in Chéticamp bei Veronika. Die mit den angeblich besten Blaubeermuffins der ganzen Insel.
Whale Watching (my ASS!). Todesmutig in einem Zodiac (schnittiges Schlauchboot für ca. 8 Personen, mit Aussenbordmotor und der Gabe, echt schnell echt weit raus zu fahren) gefühlt einen Atlantik weiter gerast. Steckte in einem Ganzkörperüberlebensanzug und maulte in diesen hinein, dass wir alle sterben würden. Dann ein Buckelwal, und ich vergass das mit dem Sterben und hing in den unmöglichsten Positionen über Bord, um Wale zu gucken. Ich meine: WALE!
Minke Whales, Fin Whales, Humpbacks und zig kleine Delphine.
Was mit einem blöden Gefühl begann, endete mit einem der größten, die ich je erlebt habe. Wale. In greifbarer Nähe. Riesig und ganz ruhig. Die hätten uns wegschnippen können, in diesem lächerlichen Zodiac. Statt dessen schaut man in das schwarze Wasser, was plötzlich unter und neben einem immer heller wird. Der Wal taucht auf, guckt, pustet, taucht wieder ab. Hinterlässt sprachlose und sehr glücklich grinsende Menschen.
(Hier bin ich beeindruckt, hier will ich sein.)

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Bilder UND Wal-Filme zum Tag hier, der Food-Report hier.

reisenotizen kanada | © Lu um 09:39h | keine meldung | meldung machen?

Mittwoch, 1. September 2010

01.09.2009 - This is Elvis Radioooo.

Halifax - (über Martinique Beach - Clam Harbour Beach -Sheet Harbour nach) Liscomb
28°, Sonne

Das kanadische Frühstück, das lerne ich just in Barbaras Küche, könnte zu Kriegszwecken als kulinarische Atombombe eingesetzt werden. Dazu läuft laut der kleine Küchenfernseher und Barb brät und erzählt von ihren Katzen und Töchtern. Oder umgekehrt. Habe Zuckerschock, Insulin frisst mein Sprachzentrum auf.

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Mit Auto Henry den ersten Supermarkt angesteuert. Wie irre durch endlose Hallen, meilenweite Flure, verstecken hinter gigantischen Frühstücksflockenkartons und Kälteeinbruch in der Milchabteilung.
Am Ende 2 Bagel und eine Stange Wasser gekauft.

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Kanada ist durch den Wald weg sauber. Überall sind behindertengerechte (und dadurch herrlich geräumige) Toiletten, an jedem Strand, inkl. Häuser für den flotten Kleiderwechsel, Pepsiautomaten, Telefone und: Holzwege bis zum Sandstrand. Fühle mich sehr bepuschelt durch den ganzen Service in freier Wildbahn.

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Erster Vollkontakt mit kanadischen Squirrels. Laut, lustig, flott zu Fuss. Musste direkt an dieses



Bild denken, was vor ein paar Wochen erst durchs Netz ging. Mache viele Photos in der Hoffnung, uns passiert dieser Zufall auch.

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Kanadische Snacks könnten Schwester-Bombe des Frühstücks sein. Was da so alles zwischen zwei Scheiben Weißbrot abgelegt wird und in Bratensauce ersäuft: Respekt. Alibi-Gemüsestäbchen daneben, Pommes drauf, ready for take off.

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Ich denke, wir werden die kommenden drei Wochen vor allem mit einer Sache beschäftigt sein: Durchs Grüne fahren.

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Mitten im Wald Stau. Eine Straße wird 'gemacht', nebenher ein paar empor wollende Bäume maschinell getötet, viel Absperrung und noch viel mehr Leute mit STOP und SLOW-Schildern. Alle winken nett, lachen, und am Ende bringt uns ein FOLLOW ME-Wagen durch die Schotterstraße.
Alle so nett, könnte ein Jubeltränchen abgeben.

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Im neuen Zimmer Klaustrophobie (umgebaute Garage, nur ein winziger Fensterschlitz über dem Bett), Lärm von oben, Ameisen in zwei Größe und Ausstattungen von unten, und in der Luft hängt ein Hauch nasser Lappen. Flucht nach vorn, die Schotterstraße der netten Menschen zurück, Restaurant finden.

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Im Restaurant ein englisches Ehepaar um die 70. Die hatten seit tagen quasi niemanden getroffen und so erzählten wir uns alles über das Reisen, über Wale, über Chablis, Reisen und wie der Fisch denn so ist.
Den Schotterweg zurück verbringe ich mit fest an die Windschutzscheibe gepresster Nase.
Moose (kanadische Elche), Bären, Backenhörnchen und Waschbären, und alle um uns herum im Dickicht. Ich schwöre, ich bringe mich und M. um, sollten wir auch nur einen Frosch plätten.
Zurück im Zimmer ist es still. Nur die Ameisen schnarchen leise zweistimmig in der Ecke.

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Bilder zum Tag hier, der Food-Report hier.

reisenotizen kanada | © Lu um 21:05h | keine meldung | meldung machen?

31.08.2009 - Destination Halifax

Düsseldorf-Frankfurt-Halifax

Schönwetterflug, sagt man wohl so.
Von oben sieht alles aus wie eine Stadtsimulation mit Agrar-Upgrade. Von oben macht auch das Wort 'Reihenhaus' erst richtig Sinn.

In Frankfurt läuft Peter Fox bei Mc Cafe. Ich esse meinen vermutlich letzten Obstsalat für die kommenden Wochen, und das ausgerechnet hier. Seit 4 Uhr wach, jetzt ist es 7, gleich geht es in den 'richtigen' Flieger, der für andere Kontinente.

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Ab 34.000 Fuss ist komatöses Liegen das natürlichste, was der Körper noch hinbekommt, wie es scheint. Den Film 'Kaufhaus Cop' kann man anfangs noch gucken, dann einschlafen, dann vom Kapitän geweckt werden, dass man seine 'Declaration Card' umständlich ausfüllen muss (Achtung: Datum in die kleine Ecke!), dann ein Blick auf das Filmende. Und hat dennoch alles gesehen und nichts verpasst. Sollte man Abstürzen (wovon ich immer ausgehe), ist das letzte was man gesehen hat ein langweiliger Film.

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1. Flug um 5:30, 2. Flug 7:20. Die Kompressionsstrümpfe in denen ich bis Oberschenkel stecke wringen mich bei jeder Bewegung von unten nach oben aus. Ich, die Flugzeugkloverweigerung (wenn es abstürzt, und ich sterbe in der WC-Box!), gehe während des 2. Fluges 9 Mal in der Box und frage mich jedesmal, wo wohl das Papier jetzt landet.

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Halifax. Endlich! Wir werden von einer feuchten und gluckernden Empfangshalle begrüßt, Wasser läuft fröhlich die Wände hinunter, viel Naturstein und ein absoluter Genuss nach acht Stunden Air-Condition.
Wir stehen in der langen Schlange der Einwanderer und Einreisenden, die Gesichter vor den kurzen Interviews sind angespannt. Mit einem möglichst offenen Gesichtsausdruck, gezücktem Reisepass und der pingelig ausgefüllten Declaration Card wartet man auf einen freien Einreisebeamten. Die sehen alle aus, als wären sie eben aus einem Deeskalations-Einsatz mal kurz an den Flughafen gekommen, um eine Schnitte zu essen und ein paar Ausländer reinzulassen. Oder eben auch nicht.
Bis an die Zähne bewaffnet, dick gewickelt in schußsichere Kleidung (natürlich komplett in schwarz) sitzen sie in gläsernen Kabuffs und winken einen angespannten Reisenden nach dem anderen zu sich.
Unserer ist untertrieben 2 Meter groß und grinst durchgehend. Das passt super, ich bin nämlich völlig übermüdet, dehydriert (Kompressionwringen, remember?) und auf Flug-Adrenalin. Soll heißen: Ich grinse genau so breit, durchgehend.
Grund des Aufenthalts? -grins- Wohin? -grins- Wie lange? -grins- Wie viel Gepäck? -grins- Irgend welche lebendigen, wachsenden oder Sporen verteilende Dinge dabei? -grins- Nüsse, Alkohol, Tabak? Und hey, 3 Wochen sind nicht wirklich lang für Kanada, aber einen schönen Aufenthalt! -grins- Stempel, paff, drin!
Wir dürfen jetzt offiziell 6 Monate bleiben. Vor der Tür lachen wir laut los. WOW! Kanada!

Dann Gepäck einfangen und den Wagen abholen, der das gefühlte Ausmaß eines niedlichen Trucks hat. 3 Wochen Abenteuer, wir lachen wieder los.
Im Auto auf dem ersten Stück Highway reisse ich mir die Kompressionsstrümpfe mit einem lauten Plöpp vom Leib.

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Bed & Breakfast bei Barbara. Die Auswahl war einfach und schon in Düsseldorf getroffen. Die Auswahl war einfach weil die beiden 1. Wahl- B&B' waren besetzt, und Barbara hatte zwei Katzen. Zwei rote Katzen. Bingo.
Blümchenzimmer und ein Teppich, in den man gefühlte 20 cm einsinkt und vor lauter Fluff direkt müde wird. Mein Körper bockt. Letzte Nacht nach höchstens vier Stunden Schlaf um 4 Uhr aufgestanden, seit 5 unterwegs, in Deutschland ist es jetzt Abends, hier in Halifax später Mittag und 30 Grad. Wie eine Narkoleptikerin laufe ich immer M. hinterher, auf die Fähre nach Halifax City rüber, Restaurant suchen, essen, ein Glas elend teuren Pinot Gris zur Feier meines gut gemeisterten Langstreckenfluges trinken, offenen Auges schlafen und dabei ins Hafenbecken gucken. Gefühlt tot.
Im Zimmer - Ortszeit 19:20- sagt M., ich solle nicht Einschlafen, er geht nur mal kurz runter zu Barbara. Die Tür klappt zu, und ich falle mit meiner deutschen Ortszeit von 0:30 in ein glückliches Koma.

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Werde wach, weil mein Magen so laut knurrt. Ist aber noch stockefinster. 4 Uhr früh, kanadische Zeit. Das kann ja heiter werden.

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Die Bilder zum Text: genau HIER.

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Die Foodprints, also die 'kulinarischen Desaster' zum jeweiligen Tag gibt es übrigens drüben, in meinem Food-Blog-> HÜPF