Freitag, 13. Februar 2004

r. und die sache mit dem ZEN

ich wollte euch übrigens schon lange mal etwas über r. erzählen. wochen, seit seines ersten outings.
r. ist co- und personal trainer / mental coach in der folterhölle, wo ich mich 3 / 7 mittags aufhalte, statt gemütlich irgendwo beim italiener eine stunde anti-pasti zu futtern und den göttern zu danken.

anfangs habe ich r. nur verschwommen wahrgenommen, bis eher gar nicht. der stand halt immer so rum, während ich hilflos in irgendwelchen geräten zappelte, oder wie ein hungriges 3monatiges am isogetränk sog. hätte mich jemand gefragt nach r., ich hätte gesagt, er wäre dezent, säh ein wenig aus wie alle muckibuden-jungs, trainiert halt, braun halt, keine ahnung halt. ist für mich ja eine komplett andere baustelle.

der erste verbale übergriff ( ausser hallo und tschüß, wie gehabt ) kam von r. vor knapp sechs wochen, als ich auf dem ergometer sass, und so bald nicht runter konnte. aufwärmzeit ist aufwärmzeit, da kennt trainer t. keine gnade. ich hatte also um die drei minuten gestrampelt, da schlenderte r. an mir vorbei, lässig und mit einem gang wie ein tiger.
wir kennen uns aber auch irgendwoher, warf er mir den ball zu.
neee, glaub ich kaum, keuchte ich vom rad runter.
dochdoch, er. biste hier in oberkassel aufgewachsen ?
( für alle nicht-düsseldorfer : oberkassel ist hier ein schickes, recht elitäres stadtviertel, von mir nur zum durchfahren genutzt )
mitnichten, sagte ich, echt nicht. ich bin aus wersten, ruhige ecke, nicht stahlhaussiedlung.
( für alle nicht-düsseldorfer : stahlhaussiedlung ist ein ghetto, wo man mit 15 geschwängert wird, im schlimmsten fall vom eigenen cousin, und nur unter groben anstrengungen rauskommt )
vielleicht aus der stadt, früher so ... wie alt biste denn ? frag ich, nur um ihm den wind aus den segeln zu nehmen.
jahrgang 54, sagt er.
du bist fuffzich ? frag ich erstaunt, und stelle vor lauter schreck das ergometer auf höchststufe zehn. hätte mich jemand gefragt, hätt ich r. so auf ende dreißig, aber halt verlebt geschätzt. zu viel sonnenbank, zu viel party, zu viel so halt.
jep, sagt er, nicht unstolz. aber altstadt kann sein. kann sein, dass wir uns da mal getroffen haben, gleicher laden oder so.

es folgt ein matchen der läden, wo ich nach dreien sagte, dass kilometer zwischen den szenen lagen, in denen wir uns bewegten. er in denen mit viel geld und koks, ich in denen mit viel punk und bier.
und während ich so strampelte und schwitzte, wurde r. gesprächig, auf eine angenehme, nicht blöd baggernde weise.
und so überlegte ich mir das mit dem vergraulen durch sprüche, und ließ ihn erzählen. gute geschichten ziehen bei mir immer !
er hätte ja früher voll am leben vorbei gelebt, er und seine kumpels. von allem zu viel, immer auf der überholspur. geld war kein thema, dicke schlitten und willige flittchen auch nicht. das einzige wort welches er bestens kannte, war dekadenz. er wußte meist noch nicht mal die namen der tussen, die er flach gelegt hatte. mal ließ er sie einen tag bleiben, mal eine woche, im grunde war es ihm egal. eine wie die andere, und der sex variierte nur durch den cocktail, welcher sich in den blutbahnen befand. nebenher bodybuilding was der körper hergab.
die shows, die weiber, all das, spuckte er verächtlich die wörter raus. wir waren so hohl, sagte er und lachte dabei in seinen schmalen bart rein.
h. war auch dabei. h. komm mal rüber, rief er zu einem trainierendem koloss, der sehr konzentriert im yoga aufging.
h. kam rüber, wurde von r. auf den gesprächsstand gebracht, und nickte betrübt, während ich minute 28 auf dem ergometer beendete und die 29 anfing, einen klitschnassen streifen auf dem rücken geschwitzt.
ich bin jetzt auf dem weg, sinnierte r. auf dem weg. ich habe mich leer gefühlt, und habe angefangen bücher zu lesen.
bücher gut, keuchte ich.
h. liest die auch, ne h. ? fragte r. und h. nickte ernst.
da stehen wahre sachen drin, sagte er.
jungs, alles schön und gut. aber WAS für bücher denn, fragte ich in die weise runde.
ach, alles gemischt, ZEN, mentales training, all so zeug halt. und seitdem geht es mir viel viel besser. ich bin ein anderer mensch geworden, ich hab alles abgelegt. stand heute ist : ich habe fast nichts mehr. kein fettes auto, keine kohle mehr ... früher hab ich den schnitten gesagt " nimm aus der schublade " wenn eine nach geld gefragt hat, heute hab ich manchmal noch nicht mal genug, um mir den kühlschrank voll zu machen. ich trag die klamotten von damals auf und ich bin glücklich. keine zwänge, nichts falsches mehr, nur ich zähle. und ich bin so gern alleine. so gerne, kannste mir glauben. früher hab ich immer irgend n flittchen mitgenommen, nur um nicht allein zu sein. heute will ich nichts anderes, als in ruhe zu hause ein buch zu lesen. meine rolex hab ich letzte woche verkauft. sie passte nicht mehr zu mir.
schön, sage ich, schön. ich freu mich für dich, ehrlich. für dich natürlich auch h. , klar.
weißte, sagt r. , früher hättest du doch kein einziges wort mit mir gesprochen, oder ?
richtig. ich hätte gedacht, du wärst n lude, der sein hirn im koks gelassen hat. oder so. und hoffte, dass er es nicht als beleidigung falsch versteht.
könn wir gerne öfter mal drüber quatschen, sagt r. wenns dich nicht stört.
gern, sag ich, steige nach 40 minuten völlig dehydriert vom ergometer, und grinse in mich hinein, ob der kleinen geschichte, die sich da wieder aufgetan hat.
das leben ist bunt, dachte ich mir, während r. und h. in der ecke eine yoga-kerze machten. mit tot-ernsten gesichtern


frauen und traffic

http://woelfin.twoday.net/stories/142737

kritik sehen wir alle gern, vor allem, wenn sie von prominenz kommt.
ich ziehe es vor, jedem sein leben nebst nische zu lassen, und zur geisterstunde mittig in meine matratze gedrückt zu werden, das pralle leben nicht nur zwischen meinen schenkeln spürend, statt polyesterbestückt und mit vertrockneten gedanken vor meinem display auf die leertaste zu hämmern.

wenns bei mir langweilig ist, halten trotzdem alle mit durch.