Dienstag, 24. Februar 2004

paris in 3 tagen

ich sags mal so : wäre paris ein parkhaus, dann hätte vor den stadtpforten ein rotes leuchtschild mit der aufschrift
„ besetzt „ leuchten müssen. hats aber nicht. weil paris ist ja kein parkhaus. ganz im gegenteil. dort ist man in bewegung, nicht nur einer, sondern gefühlt alle 15 mio gleichzeitig.
all das ging mir durch den kopf, als herr m. und ich ca. 100 französiche käffer samt kreisverkehr und dorfampeln hinter uns hatten, und nach einer ewigkeit einen platz im freitäglichen feierabendverkehr in der kuscheligen pariser peripherie unser eigen nennen konnten. es war 20:30, und schweinekalt.

der pariser an sich fährt ja gerne auto. er ignoriert ampeln, fussgänger, verkehrsregeln und vor allem andere autos, und wer zuerst kommt, der mahlt schon mal zuerst, auch wenn hinter ihm alles zum erliegen kommt. während ich mit gezückter digi-cam bis zum bauchnabel aus dem seitenfenster hing, hörte ich m. im rücken immer nur „ da vorne muss es sein, gleich sind wir da „ rufen, während wir uns mit quietschenden reifen von ghetto zu ghetto vorarbeiteten.
das, was da sein musste, war unser lebensmittelpunkt für die nächsten drei tage. ein haus inkl. tante nebst onkel, nebst sohn, nebst von uns eigenhändig zur weihnachtszeit importierten opa aus prag.
und als das, was dort sein musste, auch endlich dort war, und wir aus dem wagen fielen, ging ein sehr lustiges spiel los, welches wir die kommenden tage mit wachsender geschwindigkeit spielten, und zwar alle. das spiel hiess :
wir verstehen WAS ?
und es geht so : unsere gastgeber setzten sich aus einem jugoslawischen mann und einer tschechischen frau zusammen, deren sohn gebürtiger franzose ist, der vater der frau und opa meines herrn m. ein waschechter bulgare, herr m. tscheche aber deutsch, und ich offiziell nur deutsch, aber mit mischblut dank familie. das zu den spielfiguren.
herr und frau gastgeber unterhielten sich untereinander meist auf slawisch, teils mit französisch, deren sohn erzählte französisch, mit herrn m. allerdings auf tschechisch, obwohl dieser auch französisch kann. die frau gastgeberin mit herrn m. tschechisch, mit mir gebrochen deutsch, bzw. erzählte es m. und der dann mir, ich dann in gebrochenem deutsch zu ihr, und m. räumte die mißverständnisse aus dem weg. mit opa brauche ich nur drei deutsche wörter und eine parade an lustigen gesichtern und geglosste lippen, weil wir entweder knutschten, oder danke und bitte nutzten. das reichte in der regel, den rest der zeit grinsten oder ignorierten wir uns an.
mit dem gastgeber habe ich hände, füsse, eine TV-zeitung und meine 10 französischen vokabeln eingesetzt, als uns alle mal alleine gelassen haben, weil er kein wort deutsch, und ich weder slawisch noch französisch, aber das sagte ich ja schon. der sohn hatte mal deutsch in der schule, und er glänzte mit „ mein deutsch ist kaputt „ als satz, den er noch konnte. den einzigen französischen absatz, den ich einst auswendig lernen mußte, in meinem halben glanzjahr, bevor ich aus dem kurs rausflog, den ersparte ich der ganzen familie, weil er sich um madame leroc und ihre türklingel dreht, und das passte nie ins thema. jedenfalls wurde jede unterhaltung zu einer akustischen herausforderung, und ich schlage für das nächste größere zusammentreffen esperanto als sprache vor.

wäre paris ein kühlschrank, dann hätte er dieses wochenende mindestens mit drei sternen glänzen können, da ist nämlich mindestens eine hölle zugefroren. unsere touristischen ausflüge aus dem ghetto bagnolet, wo unsere basis war, sahen eher aus wie ausflüge am nordpol. mit einem volumen wie zwei gigantische wattebäusche mit wollmütze und schal vor dem gesicht, im ohr noch der clan, der fröhlich "haha, al kaida" zum abschied rief, klapperten wir unter anderem das eine museumab, ein eiffeltürmchen hinterher, metro-stationen, stadtteile, notre dame, die hallen, die cafes, die geschäfte, und ach und je.
jahrelang war ich von dem gedanken beseelt, das, wenn ich denn mal nach paris käme, doch unbedingt zu jim morrisons grab müßte. gedacht, getan. mit voller blase liefen wir minute um viertelstunden über père la chaise, wo nicht nur mr mojo liegt, sondern auch edith piaf, oscar wilde etc. aber um die pointe vorweg zu nehmen : wir haben nicht einen von den schlingeln gefunden, nicht zuletzt weil wir keinen plan zur hand hatten, und uns immer nur das WCzeichen gemerkt hatten, statt division 6, grab 30, wo mr. mojo die radischen von unten zählt. also liefen wir in eiseskälte lustige kringel über den friedhof, und als wir endlich am grab angelangt waren, passierte nichts. ich dachte immer, ich wäre wenigstens ein bißchen ergriffen, angetan oder was-auch-immer, aber ich stand dort kurz unschlüssig herum, von einem bein aufs andere hüpfend, flehentlichen blick gen himmel, auf das er mir doch eine toilette zeigen sollte, m. hinter mir, ebenfalls ungerührt, und in illustrer runde von einem grabwächter, sechs schülern, die mit unter 18 schon aussahen, als wenn sie die mittlere beamtenlaufbahn einschlagen wollen, und einem ca. 50 jährigen griechen mit jim morrison locken und allen doors-shirts übereinander an, die er in griechenland kaufen konnte. er schwankte selig aufs grab zu, rief beglückt "jimmmbooo mei brothaaa...hahaaa" und quatschte fröhlich die schüler zu, welche von so viel hippie-mentalität und fan-tum dann doch zurückschreckten. aber das alles bekamen wir nur noch im rücken mit, rannten wir schon kulturlos über den friedhof richtung ausgang und nahender toilette.
nebenbei zwischen den touri-details konnten wir noch unserer geheimen leidenschaft fröhnen, den gigantischen französischen supermärkten. stunden könnte ich dort drin verbringen, wie in allen ausländischen supermärkten auch. und dieses mal sogar mit der passenden kleidung, weil die franzosen unterkühlen ihre besucher gerne genau so emsig wie ihren fromage und joghurt. wehe dem, der im sommer leicht bekleidet ohne feste stiefel und langer unterwäsche eine französische kühlthekenstrasse betritt.

und dann gab es da noch den samstäglichen markt im heimischen ghetto.finsterste gestalten standen zu hauf am strassenrand und boten sachen feil, wo rasierklingen noch das geringste übel waren. harte kost da, aber man passt sich an, und legt nach zwei minuten einen ebenso finsteren und undurchsichtigen gesichtsausdruck an den jungen tag, wie der rest der korrupten bande auch, und gut ist. detroit-gemütlichkeit bei nieselregen und 1 grad.
aber all das, alle finsteren blicke, überfüllten busse, überfüllten toilettenbecken, überfüllten wolken und eiseskälte in den klamottennähten, 3,80 für einen kaffee, und knietiefe pisspfützen in metrostationen, all das war fern, als gestern morgen die sonne durch die wolken lugte, bagnolet sich von seiner schokoladenseite zeigte, und wir mit einem "adieu" in vier sprachen die stadt verließen.

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