Dienstag, 17. Juli 2007

rheinfahrten, oder sonntage unter blutsaugern.

Man muss ja lange über Land und Dörfer fahren, möchte man am Ende an einem verwunschenem Ort landen. So auch wir und Auto 'Ügo, alle etwas unausgeschlafen und mitten im plötzlich aufgetretenem Sommer.
Nimmt man die Autobahn als statistisches Instrument, dann sind in knapp vier Wochen alle Hasen aus, gefolgt von kleinen Greifvögeln und großen Fasanen.
Dann die Orte, alle same same. Es gibt die klassische "Hohe Strasse", gefolgt von der "Breite Strasse", dann der "Grüne Weg", dann Ort zu Ende, es darf wieder 60 gefahren werden. In diesen Orten ist die Fahrschule der größte Laden, gefolgt von der Praxis der Physiotherapeutin. Beide haben etwas mit schneller Fortbewegung zu tun, was mich bei drei Strassen gesamt nicht wirklich wundert. Auch schön diese Cross-Läden. Gern als Geschäftsidee und Lebenstraum genommen

"Billard-Kiosk" -
Döner/Pizza/Pommes/Nudeln/Kicker/Premiere

Lässt weder Frage noch Wunsch offen, alles drin, fehlt nur noch 'Asia' denkt man sich da, und prompt, knapp vor Ortsende dann der "Drachen-Imbiss" oder das "China-Hafen", Mafia ist Mafia Reinkultur ist Reinkultur, da wird nicht mit Döner und Pasta gemischt. Und wer hat schon einmal zwischen Lampion-Drachen und dem Feng-Shui- Brunnen einen Kicker stehen sehen? Eben.

Irgendwann kamen wir an, 'Ügos Armatur zeigte 32°C, es war elf am Morgen, alles flimmerte. Wild bei einem Bauern geparkt, natürlich nicht direkt vor dem "Niet parken"-Schild, einen sehr netten Zettel in Auto gelegt, mit Mobilnummer, um dann direkt das Mobile dazu hinten in Auto liegen lassen.



Wenn man das auf einem langen Fußmarsch gen verwunschenem Ort bemerkt, und schon die knappe Hälfte hinter sich hat, dann belässt man es auf einem bösen Gefühl und den Bildern von gnadenlosen niederländischen Parkkrallen, was ab dann mitläuft, leise und kichernd.
Man wird aber auch gut abgelenkt. Wildpferde, eine von Prozessionsspinnern abgefutterter Eiche, weiträumig abgesperrt, und (und darauf ein ach und hach!) Galloway- Rinder, die einem erst den Weg abschneiden, und hat man dann wieder ans Atmen gedacht, schon längst mitten im Rhein stehen und sich die Bäuche kühlen.



Es gibt pappsatte Spinnen und laut grölende Gänse, die im Flug noch Fracht ablassen. Und es gibt eine Menge Niederländer auf Rädern, nur wir waren per Pedes auf dem Weg.

Der Niederländer an sich ist wie der Rheinländer von Haus aus Frohnatur. Der Unterschied: der Niederländer lässt das auch an Fremden aus, und grüßt jeden und alles, was an ihm vorbeikommt, oder an dem er vorbeifährt. Ich mag das ja, wenn jemand unkompliziert nett zu mir ist, also flöte ich auf den paar Kilometern um die 800 Mal "Hij", "Dag" oder "Goedemiddag!" und M. meinte aus dem Hintergrund, so nett wäre er in einer ganzen Arbeitswoche in Düsseldorf nicht gegrüßt worden, wie hier nach gut einem Kilometer.
Aber jede schöne Wüstenwanderung mit wilden Tieren ist mal rum, und so kamen wir nach langer Strecke an einem kleinen Holzschild vorbei, das meinte, das wir nur noch 250 Meter, und dann wären wir auch schon da. Dann kam noch links dieser See, und prompt sprang spürbar das Klima um. Luft holen war wie durch einen nassen Schwamm Atmen, die Klamotten wurden anhänglich, um uns herum ein ohrenbetäubendes Konzert von Grillen im Mittagssonnenrausch. Noch 100 Meter, verspricht das nächste verwitterte Holzschild. Endlich kalte Getränke, Ruhe und ein wenig hippieskes Rumlungern auf dicken Kissen, der Weg war hier schließlich nicht das alleinige Ziel.

Schon 20 Meter vor dem gänzlich verwunschenen Eingang hörten wir lustiges Stimmengewirr, 10 Meter davor standen die ersten Fahrräder, einen Meter davor standen wir in einer kleinen Schlange am Eingang.



Das Paradies kostet 5 Euro Eintritt, und 'Verkostung', belehrt uns der breit grinsende Kassenmann, 'Verkostung' bedeutet in den Niederlanden ein Getränk, und nicht Essen und Trinken und so. Das würde er den Deutschen immer erklären.
Ach so.
Ich dachte an unseren letzten Dialog in der Wohnung, der endete in etwa so: "Ach, wir nehmen nix mit, die Melone und das ganze Zeug, das müssen wir nur schleppen, und da gibt es ja schließlich was."
In dem Haus, wo es Essen und Trinken käuflich zu erwerben gab, war eine Klimaanlage, und mein Seelchen sackte laut seufzend zusammen, herrlich. Scheiß auf tolle Gärten mit Sitzgelegenheiten und mannigfaltiger Architektur, mal Thai, mal Marokk. Draußen, das kann man sich alles später angucken, erst mal sitzen und auskühlen.

So saßen wir dann da, eine geschlagene Stunde, und dampften und schwitzten, weil die Klimaanlage den weiten Weg bis ins direkt anschließende Marokkanische Haus nicht schaffte, die ganzen Mücken aber schon. Die ersten vier Stiche schmollte ich noch in die beflügelte Runde, die soffen schneller, als ich den ersten Tee weg hatte. Dann prügelte ich noch laut kiekend ein Prachtexemplar von Bremse aus der Region zwischen meinem Dekolletee, und dann sagte ich irgendwann zu M., dass es gut ist, dass das nicht unser erstes Date ist, weil ich durch Hitze so was von maulfaul werde, da kommt nix mehr außer leisem Atmen und mit leerem Blick in die Welt starren. Wie ich dabei dieses Pfundstück warmen Streusel-Aprikosenkuchen in mich hinein brachte, ist mir ein Rätsel.



Irgendwann sagten wir 'Lass mal gehen', und es brauchte nur ein paar Minuten, bis wir dann wirklich aufstanden, uns die Klamotten vom Körper zogen, die letzten prallen Mücken von uns abließen, und wir stolperten nach draußen, Freiheit, Gärten, Lustwandeln und so.
Man muss für diesen Garten eine intakte Bandscheibe und eine gut trainierte LWS-Gegend besitzen, geht man oft wie für einen Limbo trainierend unter mannshohen und schlangendicken Bambusstengeln hindurch, taucht rasant unter einer riesigen Libelle ab, oder weicht einfach nur irgendwem aus, der sich auch gerade einen Weg durchs Dickicht bahnt, meist halbblind wegen Digitalknipse vor dem Gesicht. Wir sind übrigens die einzigen Deutschen, und der Rest kennt sich aus, das erkennt man an den gut gepackten Kühltaschen.
Ein bisschen hier geguckt, ein kurzes 'aaah, schön – wenns nicht so voll wäre', und dann, an einem kleinen Becken, randvoll mit quietschfidelen Mückenlarven, und einer Hitze, die keine natürlichen Feinde mehr hat, dann die endgültige Kapitulation, und irgendwer von uns sagt den magischen Satz 'Komm, lass gehen, bei den Rindern am Rhein wars kühler.'



Im Stechschritt zurück zum Rhein, weg aus dem Tropen, 14 Uhr, die Sonne knallt, Frisur längst scheissegal.

Später dann im Auto, wir passieren gerade das Wort KLEVE, welches in einen Strauch gezimmert ist, da frag ich mich, M. und 'Ügo die entscheidende Frage:
Was passiert eigentlich mit den Flügeln, den Beinchen, generell mit der Hardware eines Insekts, wenn es auf die Windschutzscheibe knallt?

*

Gegend: De Geldersee Poort
Der verwunschene Garten: De Millinger Theetuin
Inspiriert durch: Whistleblog

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hätte ich geld
hättest du's jetzt, lu,
(mit m.)
zum weiterreisen und -schreiben.

bin beglückt

dorn-

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lieber dorn,
treffer.
nichts schöneres gibt es, als unterwegs zu sein und darüber zu schreiben. wart ab, vielleicht bin ich schon bald ein wenig unterwegs.
aber wenn du so gern mit mir unterwegs bist, kann ich dir die
reisenotizen von letztem jahr in die hand geben, oder kennst du die schon?
über zwei wochen durch frankreich (runtersrollen, unten ist ab tag 1 alles gelistet). und gerade, wo ich sie bei mir selber gesucht habe, da fielen mir die ganzen anderen kleinen reisen, ausflüge etc auf den kopf. prag, paris, die niederlande mit zelt.
HACH!

(tag 1, kurz nach sieben sehr stechendes fernweh entwickelt.)

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