Mittwoch, 7. März 2012

Am Ende der Leine – Wir lernen Hund / 3.

"Und? Wie lief die letzte Woche bei euch allen?". Sprachs, und versank in ein tiefes, wissendes Lächeln. Wir, die Hundeschüler plus Tölchen standen ihr wie eine schweigende Mauer gegenüber, unserer wissenden Trainerin, und ließen offensichtlich alle grad unser Leben an unseren Augen vorbeiziehen. Zumindest die letzten sieben Tage.
Leo hat eigentlich sehr gut gehört. Wenn er nichts besseres zu tun hatte. Und selbst dann konnte ich mich in allen Fällen durchsetzen, und in 3 von 10 halt mit akustischer Nachhilfe der Schelle, die in seine Richtung flog. Er musste ja auch nicht viel tun, ausser sofort den Kopf in die Richtung zu drehen, aus der sein Name gerufen wurde. Das ist alles. Meint man. Beobachtet man aber mal die anderen Hundehalter in freier Wildbahn, dann bekommt man eine sehr große Bandbreite an "der hört aufs Wort". Die meisten Halter rufen mantra'esk die Namen ihrer Fellnasen, die drehen sich auch gnädigerweise vielleicht mal um - manche hören dann auch, und zwar immer nach dem 5. Mal "Name", was in einigen Fällen zu spät ist. So auch "Idefix", dieser orientierungslose Kastrat, der letzte Woche meinte, meinen sehr unkastrierten Leo zu besteigen. Der hat die letzten Rufe nach seinem Namen nicht mehr so ganz gehört, weil Leo sehr hormonell explodiert ist und Idefix mal eben gezeigt hat, wo er seine Munition trägt. Oder dieser andere weiße Wuschel, der sein Frauchen viele Meter entfernt irgendwie nicht gehört hat mit ihrem "Derwillnurspielenoh -OH... kommt her, KOMM HER!" und ich dieses wild um sich beißende Fremdhundwuschel kaum von Leo wegbekam. Und die laufen frei. Weil sie so super hören. Ist klar.
All das ging mir durch den Kopf, auf dieser Matschwiese zwischen den Dörfern - und ich konterte auf die Eingangsfrage mit "Gut. Zumindest was Leo anging."

Die "Wir lernen, wie wir heißen"-Lektion der letzten Woche war der Aufbau für die folgende Stunde. Denn haben wir erst einmal die volle Aufmerksamkeit unseres Hundes -und zwar schon nach dem 1. (!) mal "Name" rufen, und nicht erst nach dem 3. Mal (dann ist der Hund Chef, nicht man selbst, weil er entscheidet, ab wann er Zeit für uns hat)- können wir direkt mit dem wohl schwierigsten Befehl an ihn herantreten.
Mesdames et Monsieurs: Wir präsentieren ihren das ärgste Wort in der Erziehung (in JEDER Erziehung!) - wir lernen heute das große Wort NEIN!.

Nein ist deswegen das wichtigste Wort, weil es vielen anderen Verboten vorauslaufen kann.
Nein!, lauf nicht zu dem anderen Hund um Dich zu prügeln.
Nein!, lass die Kaninchen wo sie sind und bleib bei Fuss.
Nein!, nicht die vergiftete Köderwurst da im Gebüsch essen.
Nein!, auch nicht den dampfenden Pferdeapfel.
Nein!, keine Jogger jagen.
Nein!, die Katze auch nicht.
Nein!, nicht an fremden Menschen hochspringen
etcetera und pp.

Man sieht sich plötzlich in einer ganz neuen Macht-und Entscheidungsposition, wenn das Wort sitzt. Irre. Nur ein klares einziges Wort, und der Hund hält gebannt inne und erwartet weitere Anweisungen seitens seines Chefs.

Hach!

Soweit zur Theorie.

Keine Minute später bin ich allerdings diejenige, die sehr viele NEINs hört, nämlich seitens der Trainerin, die dem Radautölchen grad die leckersten Rinderhappen vor die Nase hält. Und da kann ich NEIN! sagen wie ich will - Leo will die Leckerchen und hängt begeistert an der Trainerinnenhand.
"Nein, Du musst früher NEIN! sagen, und wenn er guckt ... Nein, beim zweiten Mal kein verbales NEIN! mehr, dann direkt die Schelle. Was meinst Du was ein Rudelführer macht? Meinst Du, der korrigiert zweifach? So, und jetzt loben. LOBEN!... genau, macht den Affentanz schlechthin, wenn der Hund richtig reagiert hat. Der muss sehen, dass bei euch was los ist."

Ich versuchte also, Hund, Schleppleine, ausreichend Leckerchen, zwei Klapperschellen und den zeitlich richtigen Ablauf in die richtige Reihenfolge zu bringen, was sich weitaus schwerer ausführen lässt, als es aufzuzählen. Und siehe da -
nach sehr kurzer Zeit und einen klipp und klaren NEIN! von meiner Seite fror Leo vor der Tiertrainerin und ihren Hammerhappen ein. Seitenblick zu mir. Ich baff. Mann auch.
Hat man den Befehl soweit durchgesetzt, muss man ihn irgendwie auch wieder auflösen. Dafür sucht man sich ein Wort seines Vertrauens aus, was Sinn macht und jederzeit abrufbar ist im eigenen Gehirn.
Beim nächsten Durchlauf erlaubte ich Leo damit, das Leckerchen jetzt annehmen zu dürfen. Leo aber wollte nicht. War ihm wohl zu unsicher, unsere ganzen grinsenden Gesichter.
Die anderen schlugen sich mehr oder minder ebenfalls wacker, so das wir direkt zu nächsten NEIN!-Lektion gehen konnten.
Nämlich gehen. Die französischen Bulldoggendamen rannten powackelnd vor uns her und sollten nicht vorlaufen, Leo sollte nicht überall markieren, und verdutzte Fussgänger sahen unsere laufenden Fellknubbel, und fliegende Schellen. Muss man ja auch nicht alles verstehen, als hundefreier Spaziergänger.

Und genau vor diesen warnte uns die Trainerin noch zum Abschied. Unsere Hausaufgabe ist nämlich, weiterhin den Namen und aber auch und vor allem das NEIN! zu üben, wann immer wir können. "Die werden euch angehen, was ihr denn mit den Hunden macht, weil die schönsten Meinungen haben immer die, welche a) keinen Hund, und b) keine Ahnung haben. Viel Spaß, wir sehen uns nächsten Sonntag!"

3april11